Blockchain-Domains

Schlagabtausch beim ICANN-Meeting in Kuala Lumpur

Der fehlende Schutz vor Rechtsverletzungen könnte einem Durchbruch von Blockchain-Domains im Wege stehen. Das wurde anlässlich des 75. ICANN-Meetings deutlich, das vom 17. bis 22. September 2022 in Kuala Lumpur (Malaysia) stattfand.

Die Sorge um eine Fragmentation des Internets und das Wachstum von Blockchain-Domains beherrschten die Tagesordnung in Kuala Lumpur. Blockchain-Domains basieren nicht auf dem traditionellen, von ICANN verwalteten Domain Name System (DNS). Statt auf zentralen Nameservern einer einzigen Instanz werden die Daten dezentral auf vielen Servern verteilt gespeichert. Die bekanntesten Blockchain-Domain-Endungen sind aktuell .eth, .crypto und .zil. Trotz millionenfacher Registrierung sind sie aber noch nicht massentauglich, denn nur wenige Browser unterstützen aktuell die Technologie, weshalb nicht alle Internetnutzer ohne Weiteres auf die zugehörigen »Websites« zugreifen können. Neben der fehlenden technischen Unterstützung könnte den Blockchain-Domains aber vor allem der fehlende Schutz vor Rechtsverletzungen zum Verhängnis werden. Das wurde bei einem Panel deutlich, das am 21. September 2022 unter dem Titel »Emerging Identifier Technologies« abgehalten wurde und mit Luc van Kampen von Ethereum Name Service (ENS) einen Vertreter der Blockchain-Technik präsentierte. Unter .eth sollen aktuell rund 2,4 Mio. Domain-Namen registriert sein. Dabei will ENS kein konkurrierendes System zum bestehenden DNS aufbauen, sondern dieses ergänzen.

Doch mit wie viel Widerstand ENS dabei rechnen muss, hat ICANN-CTO John Crain aufgezeigt, mit dem sich van Kampen ein Wortgefecht lieferte. Crain fragte:

»What kind of safeguards and norms are you putting in place regarding misbehavior and harm with these names?«

Und van Kampen musste einräumen, dass es solche Mechanismen derzeit nicht gibt:

»Under the current implementation of the Ethereum Name Service and the extensions that implement us and the integrations we have, domains are unable to be revoked under any circumstances.«

Crain ließ nicht locker:

»So if I understand correctly, under the current solution, if I’m a criminal and I register a name in your space, I’m pretty secure today?«

Van Kampen erwiderte:

»Under the current system, everything under the Ethereum Name Service and everything registered via us with the .eth TLD are completely censorship resistant.«

Egal, ob eingesetzt für Malware, Botnets, Phishing, Pharming oder Spam, Inhaber von .eth-Domains müssen keinen Domain-Verlust fürchten, von fehlenden Verfahren gegen Namens-, Marken- und Wettbewerbsverletzungen ganz zu schweigen. Von da aus ist es nicht mehr weit, bis .eth den Stempel als Domain-Endung für kinderpornographische Inhalte tragen könnte – und damit ins Visier der Politik rückt. Unerwähnt und ungeklärt ist, ob ICANN eine Bewerbung um die neue Top Level Domain .eth überhaupt zulassen würde. Grösstes Hindernis dürfte sein, dass die Abkürzung .eth in der ISO-3166-1-Kodierliste für Äthiopien reserviert ist, was die Zuteilung in der Regel ausschließt.

In personeller Hinsicht gab es in Kuala Lumpur eine echte Überraschung: Die in Indien geborene US-Amerikanerin Tripti Sinha wurde zum Chair (Vorsitzende) des ICANN Board of Directors gewählt. Sie folgt auf Maarten Botterman, der den Vorsitz seit August 2019 innehatte. Zu den Gründen wurde öffentlich bisher nichts bekannt; der Flurfunk bezweifelt jedoch, dass Botterman sein Amt freiwillig aufgegeben hat. Sinha ist aktuell Chief Technology Officer (CTO) an der University of Maryland; dort wird einer der 13 Root-Server des Domain Name Systems betrieben. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger hat sie eher einen technischen als einen juristischen Hintergrund. Welche Schwerpunkte Sinha in ihrem Amt setzen möchte, ist öffentlich bisher nicht bekannt.

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