In einer aktuellen WIPO-Entscheidung nach den Regeln für ukrainische Domain-Namen wurde das Streitbeilegungsverfahren zugelassen, obwohl der Gegner seinen Sitz in der kriegsgebeutelten Ukraine hat. Die Tüv Nord AG konnte die Domain tuev-nord.com.ua – völlig zu Recht – erstreiten.
Die Tüv Nord AG sah ihre Markenrechte durch die Domain tuev-nord.com.ua verletzt und startete vor der WIPO ein UDRP-Verfahren nach den für ukrainische Domains geltenden ».UA Rules«. Diese entsprechen im Grunde der UDRP, nur dass die Anforderungen für die Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain nicht zusammen, sondern alternativ vorliegen dürfen. Tüv Nord trug unter anderem vor, dass die Domain tuev-nord.com.ua auf eine Gaming-Seite weiterleitete. Der Gegner, Tetiana Pidlisna aus der Ukraine, meldete sich nicht zur Sache. Als Entscheiderin wurde die ukrainische Rechtsanwältin Ganna Prokhorova berufen.
Prokhorova bestätigte die Beschwerde der Tüv Nord AG (WIPO Case No. DUA2025-0001). Bevor sie in die eigentliche rechtliche Prüfung eintrat, waren zwei Vorfragen zu klären: § 10 der ».UA Rules« setzt voraus, dass beide Parteien gleichbehandelt werden und eine faire Möglichkeit erhalten, ihre Ansicht des Falles vorzutragen. Wegen des Krieges in der Ukraine und da die Zustelladresse des Gegners sich in der Ukraine befindet, die zum Zeitpunkt der Entscheidung einem internationalen Konflikt ausgesetzt ist, was sich auf die Zustellung der Beschwerde auswirken kann, war es für Prokhorova angebracht zu prüfen, ob das Verfahren im Hinblick auf § 10 der ».UA Rules« fortgeführt werden könne. Prokhorova sah da im Hinblick auf die Gesamtumstände des Falles keine Probleme und kam zur sich anschließenden Frage, welche Verfahrenssprache zur Anwendung kommen sollte. Sie bestätigte den Antrag der Beschwerdeführerin und ließ Englisch als Verfahrenssprache zu, da auf ihre auf Ukrainisch und Englisch abgefasste Anfrage von Seiten des Gegners keine Rückmeldung erfolgte.
In der Sache bestätigte Prokhorova zunächst die Ähnlichkeit der im September 2024 registrierten Domain tuev-nord.com.ua mit den Marken der Beschwerdeführerin. Die Abwandlung des Umlauts »ü« in »ue« sowie der Bindestrich zwischen »tuev« und »nord« seien für Internetdomains üblich und würden an der Ähnlichkeit nichts ändern. Die Beschwerdeführerin habe den Anscheinsbeweis erbracht, dass der Gegner kein Recht oder berechtigtes Interesse an der Domain tuev-nord.com.ua habe. Durch die Weiterleitung der Domain auf Glücksspiele, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschäft oder den Marken der Beschwerdeführerin stehen, ergäbe sich eine eindeutige Absicht, den Ruf der Beschwerdeführerin zu missbrauchen und durch Irreführung der Internetnutzer kommerziellen Gewinn zu erzielen. Folglich habe der Gegner kein Recht oder rechtliches Interesse an den Domains. Hinsichtlich der Bösgläubigkeit stellt Prokhorova zunächst fest, dass die Marke »Tüv Nord« bestens bekannt ist und eine gute Reputation genießt. Unter dem Gesichtspunkt ist es wahrscheinlich, dass der Gegner die Marke zum Zeitpunkt der Domain-Registrierung kannte, was auch die Struktur der Domain tuev-nord.com.ua bestätige. Der Domain-Name spiegele wider, wie eine regionalisierte offizielle Domain des Tüv Nord aussehen würde, was für eine bösgläubige Registrierung spricht. Mit der Weiterleitung auf eine Glücksspielseite habe der Gegner eindeutig versucht, die Marke und den Ruf der Beschwerdeführerin kommerziell auszunutzen. Auch wenn die Domain zum Zeitpunkt des Verfahrens nicht mehr genutzt werde und nur noch auf eine leere Seite weiterleitet, stehe dies der Feststellung einer bösgläubigen Nutzung nicht entgegensteht, zumal nicht ersichtlich ist, wie er die Domain rechtsmäßig nützen könnte. Prokhorova sah damit auch die Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain tuev-nord.com.ua gegeben und gab der Beschwerde statt.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.