UDRP

Wie »Zwischentitel« zum Streit um intertitre.org führen

Ein französisches Unternehmen mit Marken aus den 1990er Jahren sah diese durch eine aktuelle Domain-Registrierung verletzt und wandte sich daher in einem UDRP-Verfahren an die WIPO. Der Gegner wollte von alledem nichts wissen, sondern nur seine Website weiter planen. Der Entscheider informierte sich ausführlich selbst, ehe er seine Entscheidung traf.

Die Unternehmung Natixis Intertitres aus Frankreich, ein Anbieter von Investment Management und Finanzdienstleistungen, ist eine Tochter der Natixis, die 2006 innerhalb der BPCE-Gruppe gegründet wurde. Natixis Intertitres stellt – in Papierform und digital – Essens- und Geldgutscheine für Arbeitnehmer zur Verfügung, die in Frankreich und anderen Ländern als steuerbefreite Arbeitnehmerleistungen weit verbreitet sind. Sie ist Inhaberin von seit den 1990er Jahren registrierten Wortmarken »INTERTITRES«. Sie sieht ihre Rechte durch die im April 2020 über einen Privacy-Service registrierte Domain intertitres.org verletzt. Ihre Marke entspreche dem französischen Wort »intertitre« (zu deutsch »Zwischentitel«) mit angehängtem »s«, was die Marke unterscheidungskräftig mache. Von der Marke habe der Gegner Kenntnis haben müssen, als er die Domain intertitres .org registrierte. Zwar habe er keine Website, aber für die Domain seien eMail-Server (MX-Server) konfiguriert, so dass er betrügerische eMails versenden könnte. Außerdem mache ihn die Nutzung des Privacy-Services verdächtig. Der schwedische Inhaber der Domain intertitres.org nahm in der Sache nicht offiziell Stellung, sandte aber eine eMail, in der er sinngemäß erklärt:

Ich verstehe solche Probleme wie dieses nicht. Ich versuche lediglich, die Domain intertitres.org zu planen und zu designen, die für Informationen über Bücher gedacht ist.

Als Entscheider wurde der US-amerikanische Jurist W. Scott Blackmer berufen.

Blackmer wies die Beschwerde von Natixis Intertitres ab (WIPO Case No. D2020-1383). Da die Domain bis auf die technische Endung .org der Marke der Beschwerdeführerin entspreche, bestätigte er, dass das erste Element der UDRP von Seiten der Beschwerdeführerin erfüllt sei. Diese habe auch aufgezeigt, dass sie dem Gegner die Nutzung der Marke nicht erlaubt habe und er unter dem Namen nicht bekannt sei. So lag es am Gegner, sein Recht oder berechtigtes Interesse darzulegen. Doch der habe sich nicht geäußert. Blackmer führt weiter aus, der Domain-Name sei identisch mit der Pluralform eines französischen Wörterbuchwortes, aber es bestehe unter intertitres.org keine Website, die entsprechende Inhalte oder Hinweise auf geplante Inhalte aufweise. Demnach sah Blackmer auch das zweite UDRP-Element erfüllt.

Bei der Frage der Bösgläubigkeit des Gegners tat sich Blackmer dann schwer. Die Beschwerdeführerin meine, der Gegner hätte ihre Marke kennen müssen, und er verschleierte seine Identität mit einem Privacy-Service. Diese Argumente der Beschwerdeführerin für Bösgläubigkeit des Gegners hielten seiner Meinung nach einer Prüfung nicht stand, selbst wenn von dessen Seite keine Entgegnung erfolgte. Die Beschwerdeführerin hätte die Wahrscheinlichkeit aufzeigen müssen, dass der Gegner, ein Schwede, die Marke »INTERTITRES« kennt und sie ausnutzen wollte. Die Beschwerdeführerin Natixis sei tatsächlich eine große Finanzdienstleistungsgruppe, und deren Marke »NATIXIS« sei bestens bekannt. Doch diese Begriffe seien in der Domain nicht enthalten. Die Domain enthalte lediglich die Pluralform des französischen Wortes »intertitres«. Das Angebot mit Essensgutscheinen der Beschwerdeführerin sei in erster Linie in Frankreich aktiv. Aber sie verfüge über keine eigene Website. Sie legte keine Beispiele für die Nutzung und Werbung mit der Marke »INTERTITRES« vor. Als Nachweis für die Nutzung der Marke verweise die Beschwerdeführerin auf Ergebnisse von Internetsuchmaschinen. Dabei stoße man an erster Stelle auf einen Artikel, in dem von Bußgeldern die Rede ist, die dem Unternehmen kürzlich von der französischen Wettbewerbsbehörde wegen Preisabsprachen in der Essensgutscheinbranche auferlegt wurden. Genannt werde dort allerdings lediglich der Konzernname und nicht die Marke. Andere Suchergebnisse verwiesen lediglich auf Social Media Werbeinhalte, in denen aber nicht die Marke gezeigt werde, sondern andere Marken wie »APETIZ«. Wie sich daraus ein »Kennenmüssen« der Marke »INTERTITRES« beim Gegner ergeben solle, bleibe unklar. Die Beschwerdeführerin habe keinen überzeugenden Nachweis hinsichtlich der Bekanntheit der Marke geliefert, und andere Fakten, wie Website-Inhalte oder betrügerische eMails, denen nach man von einem Angriff des Gegners auf die Marke ausgehen könne, lägen nicht vor. Unter diesen Umständen sei er, so Blackmer, nicht Willens, darauf zu schließen, dass der Gegner die Marke der Beschwerdeführerin kannte oder hätte kennen müssen. Der Gegner habe die Domain erst kürzlich registriert, so dass eine fehlende Website nicht verwunderlich sei. Dass er einen Privacy-Service nutzte, sei üblich bei Privatpersonen und kleinen Unternehmungen.

Die Beschwerdeführerin verweise weiter auf die Unterscheidungskraft ihrer Marke, dass dem Begriff »intertitre« ein »s« angehängt sei und man das im Wörterbuch von »Larousse« nicht finde. Doch für Blackmer war dies kein überzeugendes Argument, da es in französischen Wörterbüchern üblich sei, lediglich die Singularform anzugeben, da man für den Plural in der Regel lediglich ein »s« ans Wort anhängen müsse. Davon abgesehen, gäben mehrere Online Französisch-Englisch Wörterbücher auch die Pluralform an. Blackmer bezieht sich auch auf Larousse, um auf die viel relevantere Bedeutung von »titres« hinzuweisen, die sich auf finanzielle »titles« oder monetäre Instrumente beziehe, und genau in dem Sinne nutze die Beschwerdeführerin den Begriff »intertitres« für Essensgutscheine, die in vielen Restaurants von Wert sind. Zudem spiegele sich »titres« auch im Namen der einschlägigen französischen Industrieorganisation »Commission Nationale des Titres Restaurant« wider, deren Mitglied auch die Beschwerdeführerin ist und auf deren Website die Marke »APETIZ« beworben werde, nicht aber »INTERTITRES«. Schließlich hielt Blackmer fest, dass Dritte das französische Wort »intertitres« seiner Bedeutung nach nutzen, etwa zur Bewerbung von Kleidung und Aufklebern. Blackmer hielt es für unwahrscheinlich, dass der Gegner den Domain-Namen, ein französisches Wörterbuchwort, ausgewählt habe, um eine französische Marke auszunutzen, die die Beschwerdeführerin selbst nicht bewirbt. Er sah das 3. Element der UDRP, die Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung einer Domain, als von der Beschwerdeführerin nicht bewiesen an und wies die Beschwerde ab.

Blackmer zeigt wieder einmal und das ausführlich, dass UDRP-Panelisten durchaus gehalten sind, selbst sich Kenntnisse über den Sachverhalt zu beschaffen, um eine Entscheidung zu treffen, die der Sache angemessen ist.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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