Nachdem ein koreanischer Domain-Investor die auslaufende Domain rolyn.com ersteigert hatte, die sich zuvor 22 Jahre in den Händen eines Unternehmers befand, meldete sich die Inhaberin der Marke „ROLYN“ und wollte die Domain kaufen. Da das Geschäft nicht zustande kam, eröffnete sie ein UDRP-Verfahren.
Die Beschwerdeführerin ist die Rolyn Companies Inc. aus den USA, die im Januar 1982 von Ronald Bergmann gegründet und nach ihm und seiner Frau Lyn benannt wurde. Rolyn ist seit den Jahren 2010/2011 Inhaberin zweier Marken, die „ROLYN“ bzw. „R ROLYN“ lauten, und von insgesamt acht Domain-Namen wie rolyn.co, rolyn.us und rolynco.com. Sie sieht ihre Markenrechte durch die Domain rolyn.com in den Händen des Gegners, einem DomainInvestor mit Sitz in Korea, verletzt. Der ist seit September 2017 Inhaber der Domain, nachdem der frühere Inhaber Rolyn Optics Co., der die Domain 22 Jahre besaß, sein Geschäft eingestellt hat. Die Registrierung lief aus und der Gegner ersteigerte die Domain. Nur wenige Wochen später, im Oktober 2017, erhielt er Kaufanfragen von der Beschwerdeführerin, die erst US$ 3.000,–, dann US$ 5.000,– und schließlich US$ 10.000,– für die Domain bot. Der Gegner wollte jedoch US$ 38.000,– einer Einigung kam es nicht, weshalb die Beschwerdeführerin das UDRP-Verfahren vor der World Intellectual Property Organization (WIPO) startete. Die Beschwerdeführerin pocht auf ihre sieben Jahre ältere Marken und meint, als Domain-Broker hätte der Gegner überprüfen müssen, ob eine Marke »Rolyn« besteht. Der Gegner entgegnete sehr ausführlich: Er habe die Domain ersteigert, da sie eine kurze, wertvolle .com-Domain darstelle und der Begriff als Vorname oder Name genutzt wird. Dabei habe er keinesfalls die Beschwerdeführerin im Sinn gehabt. Vielmehr registriere er solche kurzen und leicht zu merkenden Domains wie ancot.com, ralio.com, bedon.com und eben rolyn.com, um sie zu verkaufen. Er parke solche Domains vorübergehend, um damit Werbeeinnahmen zu erzielen. Auf der Domain rolyn.com waren Pay-per-Click Anzeigen in den Kategorien Baby- oder Kinder-Namen, Vornamen und Genealogie geschaltet. Der Gegner verwies auf die Entscheidungshistorie der UDRP, dernach Domains, deren Registrierung endet und die versteigert werden, die Annahme rechtfertigen, dass keine Markenrechte an ihnen mehr geltend gemacht werden. Dies signalisiere dem zukünftigen Domain-Inhaber, dass er sie guten Gewissens ersteigern könne. Er geht von einem Reverse Domain Name Hijacking Seitens der Beschwerdeführerin aus.
Das mit dem neuseeländischen Biochemiker und Mediator Dr. Clive N.A. Trotman, dem australischen Juristen Neil Brown Q.C. und dem britisch-israelischen Rechtsanwalt Jonathan Agmon dreifach besetzte Gremium der WIPO wies die Beschwerde – überwiegend einhellig – zurück (WIPO-Case No. D2018-0072). An einer Identität von Marke und Domain rolyn.com hatten die drei keine Zweifel. Ihre Meinungen gingen bei der Frage nach dem Recht beziehungsweise berechtigten Interesse des Gegners an der Domain etwas auseinander. Trotman und Brown sahen hier keine Veranlassung, der Sache auf den Grund zu gehen und widmeten sich sogleich der Frage nach der Bögläubigkeit. Agmon sah die Argumentation des Gegners an dieser Stelle als problematisch an: er argumentiere, die Registrierung von Drei-Zeichen-Domains, um sie zu verkaufen, sei ein ordentliches Geschäftsmodell, da solche Akronyme weit verbreitet sind und genutzt werden. Tatsächlich ging es hier aber um eine Fünf-Zeichen-Domain, die einen sehr selten genutzten Begriff enthalte, weshalb so nicht einfach auf eine berechtigte Nutzung geschlossen werden könne. Bei der Frage der Bösgläubigkeit waren sich die drei Fachleute jedoch wieder einig: Die Beschwerdeführerin hatte vorgetragen, die Gegnerin habe die Domain in erster Linie registriert, um sie an sie zu verkaufen. Das Gremium stellte fest, die beiden Marken der Beschwerdeführerin sind die einzigen, die »Rolyn« lauten. Der Name »Roylin« erweise sich als sehr selten genutzt. Allerdings seien andere Namensträger und -nutzer vorhanden, die Interesse an der Domain haben könnten. Hingegen liegen keine Nachweise vor, dass der Gegner auf die Beschwerdeführerin zuging, um ihr die Domain zu verkaufen, ja dass er überhaupt von ihr wusste. Der Umstand, dass eine Domain einer Marke entspricht, deute nicht automatisch darauf hin, dass sie bösgläubig registriert wurde. Den Nachweis für die Bösgläubigkeit des Gegners blieb die Beschwerdeführerin schuldig. Die Beschwerdeführerin selbst ist Inhaberin von acht Domains. Das Gremium nimmt an, sie wusste um die Domain rolyn.com und in wessen Händen sie sich 22 Jahre befand. Dass sie wenige Wochen, nachdem die Domain den Inhaber gewechselt hatte, sich an den neuen Inhaber wendete, spreche dafür, dass sie ihrerseits sich bereits bei der Auktion oder durch einen Backorder-Dienstleister um die Domain hätte kümmern können. Zu Gunsten des Gegners spreche, dass zu einem gewissen Grade die Freigabe einer auslaufenden Domain zumindest dazu beitrage, anzunehmen, dass sie von ihrem früheren unangefochtenen Inhaber nicht mehr gewollt sei und lade zur Schlussfolgerung eines potenziellen Käufers ein, dass keine andere Partei einen besonderen Anspruch auf sie habe. Angesichts dessen erkannte das Gremium keinen Nachweis seitens der Beschwerdeführerin für die Bösgläubigkeit des Gegners bei der Registrierung der Domain. Auch aus dem Umstand, dass der Gegner Besucher auf die Domain lockte, um so über die Pay-per-Click-Links Gewinne zu erzielen, spreche nicht für seine Bösgläubigkeit, da die Webseite verknüpft war mit den Kategorien »Baby- oder Kindernamen«, »Vornamen« und »Genealogie«, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschäft der Beschwerdeführerin stünden. Demnach konnte aus Sicht des Gremiums die Beschwerdeführerin auch nicht belegen, dass der Gegner die Domain rolyn.com bösgläubig nutze. Damit wies das Gremium die Beschwerde ab.
Auf die Frage des Reverse Domain Name Hijacking ging das Panel auch noch kurz ein. Sie waren sich einig, dass die Beschwerdeführerin einen streitbaren Fall hatte, sie erkennbar überwiegend zum Schutze ihrer Marken handelte und das Verfahren aus ihrer Sicht aus rechtlichen Gründen führte und nicht, um damit den Gegner zu schikanieren.
Das WIPO-Gremium zeigte in dieser Entscheidung, wie schwierig es für Markeninhaber ist, im Falle, eine auslaufende Domain wird in einer Auktion registriert, nachzuweisen, dass der neue Domain-Inhaber bösgläubig handelte. Das gilt in diesem Falle besonders, da die Beschwerdeführerin selbst über eine gewisse Erfahrung mit Domains verfügte und aufgrund ihrer schnellen Reaktionszeit deutlich machte, dass sie die Domain rolyn.com sehr genau im Auge hatte. Man muss wohl davon ausgehen, dass damit die Anforderungen an die Domain-Kompetenz von Unternehmen steigen müssen und diese sich, gegebenenfalls über Dienstleister, noch aktiver um Domains kümmern müssen.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.