Im Streit um die Domain »micro« unter der neuen Endung .center zeigte ein Panelist des National Arbitration Forum (NAF) wieder einmal, dass die Top Level Domain bei der Beurteilung einer Markenrechtsverletzung Beachtung findet.
Die Micro Electronics Inc. mit Sitz in den USA sah ihre Markenrechte durch die Domain micro.central verletzt. Das Unternehmen ist seit 1980 im Geschäft und ein landesweit agierender Anbieter von Computern und Zubehör mit ebenfalls landesweit verbreiteten Niederlassungen. Sie hat ausserdem sieben eingetragene Marken »MICRO CENTER«. Die Domain micro.center ist seit Juli 2015 registriert; sie zeigte Links zu Webseiten von Unternehmen, die Mitbewerber der Beschwerdeführerin sind. Die Micro Electronics startete ein UDRP-Verfahren vor dem National Arbitration Forum (NAF) und beantragte die Übertragung der Domain micro.center auf sich. Aus ihrer Sicht unterscheidet sich die Domain micro.center von ihren Marken lediglich durch den Punkt zwischen den Wörtern »micro« und »center«. Der Gegner, Shawn Downey, hält entgegen, es läge keine Markenrechtsverletzung vor, da keine Ähnlichkeit bestehe: Er sei Inhaber der Domain »micro« unter der Domain-Endung .center. Die Beschwerdeführerin habe aber keine Markenrechte an »micro« oder an ».center«. Er habe die Domain auch nicht bösgläubig genutzt; es bestehe kein Nachweis, dass er die Domain als microcenter.com präsentiert habe. Es gäbe auch keinen Hinweis, dass die Domain zu Verwechslungen führe: die Domain verzeichne allenfalls 20 Besucher am Tag, während die Domain microcenter.com der Beschwerdeführerin tausende Besucher täglich erhalte. Und eine Suche nach der Domain der Beschwerdeführerin würde die streitige Domain nicht im Ergebnis listen.
Beide Parteien nahmen nochmals Stellung und beteuerten ihre Positionen. Als Entscheider fungierte der Jurist und Mediator Kendall C. Reed aus Los Angeles, der bei der Beschwerdeführerin noch um weitere Informationen zu den Links und der Suchfunktion unter micro.center bat und erhielt, wobei der Gegner die Inhalte unter der Domain mittlerweile geändert hatte und die Beschwerdeführerin die Fragen nicht vollständig beantworten konnte. Dafür nahm der Gegner nochmals Stellung und machte deutlich, dass die Domain micro.center bei voodoo.com geparkt sei und dort Google-Werbung nutze. Die Suchfunktion sei wahllos und keiner der Links auf der Seite weise auf die Beschwerdeführerin. Der Vorwurf der Verwechslungsgefahr sei völlig abwegig, und die Domain zum Kauf anzubieten, sei keineswegs unanständig, das sei legal.
Panelist Kendall C. Reed bestätigte die Beschwerde hinsichtlich der Markenrechtsverletzung und entschied auf Transfer der Domain micro.center auf die Beschwerdeführerin (NAF Claim Number: FA1902001829812). Bei der Frage der Ähnlichkeit von Domain und Marke bestätigte er, dass die Beschwerdeführerin nachgewiesen habe, Inhaberin von sieben eingetragenen Marken „MICRO CENTER“ zu sein. Der Marke sei nun im Vergleich die Domain micro.center zur Seite zu stellen, wobei bei dieser Gegenüberstellung die Frage der Verwechslungsgefahr nicht relevant sei. Vielmehr frage sich, ob die Domain-Endung in den Vergleich miteinbezogen werden könne, da doch grundsätzlich die Endung als technische Notwendigkeit bei Bewertung der Ähnlichkeit außen vor bleibe. Reed zog die dunkin.coffee-Entscheidung vom April 2015 heran: seinerzeit hatte Dawn Osborne festgestellt, dass eine Endung, die selbst Waren oder Dienstleistungen bezeichnet, mit in die Ähnlichkeitsprüfung einbezogen werden könne. Unter diesem Gesichtspunkt seien, so Reed, die Domain micro.center und die Marken »MICRO CENTER« bis auf den Punkt identisch. Reed resümierte an dieser Stelle, dass sich die Anzahl von Domain-Endungen dramatisch erhöht habe und mittlerweile die Möglichkeit für Top Level Domains bestehe, ein wesentlicher Teil der verwirrenden Ähnlichkeit zu sein. Er sehe bei micro.center die verwirrende Ähnlichkeit zur Marke der Beschwerdeführerin. Bei der Frage nach dem fehlenden Recht oder berechtigten Interesse des Gegners bestätigte sich für Reed der von der Beschwerdeführerin erbrachte Anscheinsbeweis, wonach der Gegner nicht berechtigt sei, ihre Marke als Domain zu nutzen; weder habe er ihre Erlaubnis, noch sei er unter diesem Begriff bekannt. Hingegen habe der Gegner nicht dargestellt, dass er ein berechtigtes Interesse an der Domain micro.center habe.
So blieb noch die Frage der Bösgläubigkeit, hinsichtlich der die Beschwerdeführerin gezeigt habe, dass zumindest drei der Links unter micro.center zu Mitbewerbern von ihr weiterleiten. Dass sie diesen Nachweis nicht für alle Links auf der ursprünglichen Seite, die der Gegner im Zuge des UDRP-Verfahrens geändert hatte, nachweisen konnte, spreche nicht gegen sie. Ihm, Reed, reichten die drei belegten Links zur Bewertung der Sache aus. Der Gegner habe argumentiert, er sei berechtigt, eine Domain zu registrieren und zum Kauf anzubieten. Dem stimmte Reed grundsätzlich zu. Hier sei jedoch die Domain der Marke der Beschwerdeführerin zum Verwechseln ähnlich und zeige eine Seite mit Links, die zu Mitbewerbern der Beschwerdeführerin führen. Das gehe nicht und zeige, dass der Gegner die Domain bösgläubig registrierte und nutze. Folglich seien die Voraussetzungen der UDRP erfüllt und die Domain sei auf die Beschwerdeführerin zu übertragen.
An diesem Fall zeigt sich wieder einmal, dass mit den neuen generischen Domain-Endungen sich die Beurteilung der Rechtslage geändert hat: Die Top Level Domain, die eine technische Notwendigkeit ist, kann auch Teil der Bewertung einer Markenrechtsverletzung sein. Die von Reed herangezogene dunkin.coffee-Entscheidung (NAF Claim Number: FA1502001603215) ist nicht die erste ihrer Art. Schon ein Jahr zuvor, vor jetzt fünf Jahren, konnte sich der deutsche Fahrradhersteller Canyon Bikes im Rahmen eines UDRP-Verfahrens gegen den Inhaber der Domain canyon.bikes aufgrund dieses Umstands durchsetzen (WIPO-Entscheidung vom 14.03.2014, Nr. D2014-0206).
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.