UDRP

KI-Unternehmen streitet unintelligent um chai.new

Ein KI-Unternehmen sah in der für KI-Dienste genutzten Domain chai.new seine Markenrechte verletzt und startete ein UDRP-Verfahren gegen den ebenfalls KI-Dienste anbietenden Domain-Inhaber. Dabei ließ der Beschwerdeführer unter den Tisch fallen, dass der Gegner absprachegemäß bereits eine Namensänderung eingeleitet hatte.

Die US-amerikanische Chai Research Corp., Anbieter einer KI-Plattform, auf der sie – nach eigener Darstellung – Forschung auf dem Gebiet der generativen künstlichen Intelligenz betreibt, sieht ihre Rechte durch die Domain chai.new verletzt, startete ein UDRP-Verfahren vor dem Forum, wo sie beantragte, dass die Domain auf sie übertragen werde. Im Verfahren trägt sie vor, im Dezember 2023 die Marke »CHAI« beim USPTO beantragt zu haben, sie seit 31. März 2021 zu nutzen und Inhaberin der Domains chai-research.com und chai.ai zu sein. Im App-Store von Apple und über Google Play vertreibe man die CHAI-App. Die Marke »CHAI« sei mittlerweile bekannt, und die relevanten Benutzerkreise identifizierten sie und ihre Dienstleistungen mit der Marke. Unter der Domain chai.news würden KI-Chatprodukte und Dienstleistungen angeboten, die den eigenen gleichen. Außerdem sei die Gestaltung der Website in Schwarz und Weiß der der eigenen Website ähnlich.

Der Gegner und Inhaber der im Februar 2025 registrierten Domain chai.new ist Ahmad Awais / Langbase, ein Anbieter von Cloud-Infrastruktur und Entwicklerwerkzeugen zur Entwicklung von KI-Agenten. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Kalifornien (USA). Der Gegner trägt unter anderem vor, »chai« sei ein Akronym für »Computer Human AI«, das ein Werkzeug bezeichnet, welches Software-Entwicklern bei der Erstellung von Code und dem Einsatz von KI-Agenten auf der Langbase-eigenen Plattform behilflich ist. Es handele sich dabei nicht um einen Chatbot und es sei nicht für AI-Chats gedacht, sondern als Werkzeug für Entwickler zur Entwicklung von AI-Apps und KI-Agenten. chai.new leite jetzt auf die Domain command.new weiter, wo das Werkzeug mittlerweile unter dem Namen »Command« angeboten wird. Bei dem Begriff »Chai« handele es sich im Übrigen um einen gängigen Begriff für Tee, und es bestehe keine optische oder funktionale Ähnlichkeit zwischen der eigenen Webseite zu der der Beschwerdeführerin. Schließlich teilte der Gegner mit, die Beschwerdeführerin habe sich bereits vor Erhebung der Beschwerde per eMail an ihn gewandt. In der Korrespondenz habe man sich darauf verständigt, dass der Gegner die Domain und den Namen des angebotenen Werkzeugs ändert, aber die Domain noch für einen gewissen Zeitraum nutzt, um die Nutzergemeinschaft auf die neue Seite zu leiten. In der Beschwerde sehe er deshalb einen Missbrauch des Verfahrens, weshalb ein Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) seitens der Beschwerdeführerin vorliege. Als Entscheider wurde der brasilianische Rechtsanwalt Eduardo Magalhães Machado berufen.

Machado wies die Beschwerde ab und stellte RDNH fest (Forum Claim Number: FA2507002163671). Dabei zeigte Machado eine Menge Eigeninitiative. Er schaute sich an, welche Marken der Beschwerdeführerin gehören und stellte fest, dass diese bereits einige für sich verbuchen konnte, in unter anderem Russland, der EU, der Schweiz, Australien und Japan, aber eben nicht in den USA. Nichtsdestotrotz wäre die Beschwerdeführerin Inhaberin einer Marke, und die Domain chai.new sei mit dieser identisch. Weiter schaute er sich in archive.org an, welche Inhalte vor dem Verfahren unter chai.new zu finden waren. Es zeige sich, dass beide Parteien Dienstleistungen, die auf künstlicher Intelligenz beruhen oder mit ihr zu tun haben, anbieten, aber dass diese sich an unterschiedliche Märkte und ein unterschiedliches Zielpublikum richteten. Während sich die CHAI-Plattform der Beschwerdeführerin an Verbraucher richte, die interaktive Chat-Erlebnisse mit KI-Charakteren suchen, konzentriere sich die Plattform des Gegners auf die Bereitstellung von Tools auf Infrastrukturebene, die es Entwicklern ermöglichen, ihre eigenen KI-Agenten zu erstellen und einzusetzen. Zudem zeige sich, dass das Angebot des Gegners im Mai 2025 in einem unabhängigen Technologieartikel beschrieben wurde. Das bestätige die Behauptung des Gegners, sich mit seinem Angebot unter chai.new an Entwickler zu wenden – und nicht die an Verbraucher gerichtete Chatbot-Dienste des Beschwerdeführers anzugreifen. Damit habe der Gegner sein rechtliches Interesse an der Domain bestätigt.

Weiter prüfte Machado das Vorliegen von Bösgläubigkeit seitens des Gegners bei Registrierung und Nutzung der Domain chai.new, die er allerdings nicht feststellen konnte. Die Marke »CHAI« sei aufgrund der Begriffsbedeutung nicht gerade stark, und die Verknüpfung von »Chat« mit »AI« sei kein besonders kreativer Geistesblitz. »Computer Human AI« als Grundlage für das Akronym »CHAI« bezeichne genau die vom Gegner angebotenen Dienstleistungen: Entwickler-fokussierte Infrastruktur, um KI-Agenten zu entwickeln. Dem Internetarchiv entnahm Machado auch die Information über das Website-Design, noch bevor die Parteien in Kontakt getreten waren, und konnte keinen Hinweis dafür finden, dass der Gegner damit auf die Beschwerdeführerin zielte. Die Website zeigte das »Chai«-Logo und darunter den Hinweis »By Langbase« nebst einem Erklärvideo. Weiter gäbe es keinerlei Hinweise darauf, dass der Gegner die Domain zum Kauf, zur Miete oder anderweitig der Beschwerdeführerin oder einem ihrer Wettbewerber anbot. Vielmehr zeige sich, dass der Gegner sich mit Beginn der Korrespondenz damit einverstanden erklärte, einen neuen Namen zu wählen, wobei er um einen gewissen Zeitraum bat, mit dem Kontinuität der Dienstleistungen für seine Entwicklergemeinschaft gewahrt bleibe. Aufgrund dessen sah Machado auch die Voraussetzungen für eine Bösgläubigkeit als nicht erfüllt.

Abschließend prüfte er das RDNH, das er bestätigte. Drei Gründe sprachen für das Ergebnis. Der Gegner habe in eine Domain- und Namensendung eingewilligt und keinen Monat nach Kontaktaufnahme mitgeteilt, dass er bereits einen anderen Namen gewählt und die Migration von »Chai« zu dem neuen Namen begonnen habe. Am 01. Juli 2025 reichte die Beschwerdeführerin die Beschwerde ein, während am 05. Juli 2025 der Gegner die Umbenennung bereits umgesetzt hatte. Anstatt die besprochene Umsetzung abzuwarten, zog es die Beschwerdeführerin vor, das Beschwerdeverfahren zu starten. Zudem scheiterte das Beschwerdeverfahren an zwei der drei Voraussetzungen, insbesondere am fehlenden Nachweis für nicht vorhandene Rechte oder rechtliches Interesse an der Domain chai.new auf Seiten des Gegners. Ferner gab es keine Nachweise für die von der Beschwerdeführerin behauptete Bekanntheit ihrer Marke. Schließlich überging die Beschwerdeführerin den kooperativen Weg, der sich eröffnet hatte und den der Gegner bereits eingeschlagen hatte. Diese Umstände verwiesen darauf, dass die Beschwerdeführerin das UDRP-Verfahren aus taktischen Gründen nutzte, um den Gegner unter Druck zu setzen, die Domain chai.news auf sie zu übertragen, wobei sie dabei den guten Willen des Gegners überging, die Angelegenheit freundschaftlich zu klären und beizulegen. Damit bestätigte Machado RDNH und wies die Beschwerde ab.

Machados Initiative bei der Suche nach weiteren Informationen ist nicht unüblich und letztlich – in noch auszulotenden Grenzen – durch die UDRP gedeckt. Domain-Anwalt Zac Muscovitch führt auf UDRP Perspectives (0.3 Independent Panelist Research) dazu aus:

[…] it is sometimes a Panelist’s duty and well within a Panelist’s ambit, to verify some basic factual allegations, such as the existence and content of a relied upon trademark registration and the existence and content of a website associated with the disputed domain name. Beyond that, a Panelist should be wary of wading into an inquisitorial approach to cases rather than relying upon the adversarial process.

Machados hat sich nach Muscovitchs Auffassung in dem zulässigen Bereich bewegt, um die Beschwerde sachgerecht bewerten und entscheiden zu können.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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