UDRP

Eine Entscheidung auf Reverse Domain Name Hijacking wegen nicht zurückgezogener Beschwerde

Die Levio Consulting Inc. aus den USA versuchte, im Streit um die Domain levio.com das WIPO-Panel über seine Rechte und Kenntnisse zu täuschen. Die chinesische Gegnerin hatte jedoch keine Probleme, Unstimmigkeiten aufzuklären. Der Entscheider erkannte auf Reverse Domain Name Hijacking, da die Beschwerdeführerin die Beschwerde nicht zurückzog.

Die US-amerikanische Levio Consulting Inc. sah ihre Rechte an ihrer Marke »LEVIO« durch die im Jahr 2013 registrierte Domain levio.com verletzt, als deren Inhaber ein Privacy-Service eingetragen ist. Sie legte vor der WIPO eine UDRP-Beschwerde ein und trägt vor, seit 21. April 2020 Inhaberin der eingetragenen US-Marke LEVIO zu sein, aber bereits seit Dezember 2015 unter dieser Bezeichnung zu agieren, weshalb seitdem Rechte an einer Nutzungsmarke bestünden. Der aktuelle Domain-Inhaber sei erst 2018 zur Domain gekommen, wie das WHOIS ausweise, da seitdem ein Privacy-Service eingetragen ist. Man habe mit dem Inhaber über den Kauf der Domain verhandelt und bis zu US$ 10.000,– angeboten, doch der habe sich darauf nicht eingelassen. Gegner des UDRP-Verfahrens sind die Super Privacy Service LTD c/o Dynadot und der Geschäftsführer der Glocal Commerce Limited mit Sitz in Hong Kong. Letztere trägt vor, die Beschwerdeführerin sei, entgegen ihrer Aussage, erst 2020 gegründet worden. Es gäbe eine ältere kanadische Unternehmung namens Levio Conseils Inc., für die sie sich ausgebe, dabei handele es sich um zwei unterschiedliche Unternehmen. Letztere nutze seit 2015 die Marke „LEVIO“ unter anderem über die beiden Domains levio.ca und levioconsulting.com, nicht aber die Beschwerdeführerin. Mit der Levio Conseils Inc. habe es bereits dreimal Verhandlungen um den Kauf der Domain levio.com gegeben, 2015, 2018/2019 und 2020, wobei man jeweils mit einer eMail-Adresse unter der Domain glocalcommerce.com kommuniziert habe – auch, nachdem man den Privacy-Service für das WHOIS in Anspruch genommen habe. So musste die Beschwerdeführerin wissen, dass sich am Inhaber nichts geändert habe. Aber auch mit der Mitteilung des WIPO-Centers, dass sich hinter dem Privacy-Service die Glocal Commerce Limited verstecke, musste die Beschwerdeführerin wissen, dass sich nichts an der Inhaberschaft geändert habe. Spätestens da hätte sie die Beschwerde zurückziehen müssen. Da sie das nicht tat, liege ein Fall von Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) vor. Als Panelist wurde der bulgarische Rechtsanwalt Assen Alexiev eingesetzt.

Alexiev wies die Beschwerde der Levio Consulting Inc. zurück und bestätigte das Reverse Domain Name Hijacking (WIPO Case No. D2021-0528). Das Bestehen einer Nutzungsmarke wies Alexiev zurück, da die Beschwerdeführerin keine Nachweise für sie vorgelegt hatte. Doch stellte er die registrierte Marke und die Identität der Domain mit dieser fest. Bei der Frage nach einem Recht oder einem berechtigten Interesse der Gegnerin an der Nutzung der Domain bestätigte Alexiev dies, weil sie zeigen konnte, warum »Levio« ein gängiger Begriff sei, sie ihn für potentielle Geschäfte mit Nahrungsmitteln und Hygieneprodukte in Brasilien registrierte, die aber wegen der schlechten Wechselkurse zur Zeit nicht umgesetzt würden. Weiter habe sie die Domain nicht in Zusammenhang mit der Beschwerdeführerin oder ihrer Marke genutzt, noch auf die Kaufanfragen der Beschwerdeführerin und mit ihr verbundener Parteien reagiert. Bösgläubigkeit bei Registrierung kam für Alexiev schon nicht in Betracht, da die Domain sieben Jahre vor Gründung der Beschwerdeführerin registriert worden war. So blieb nur noch das RDNH zu prüfen. Hier unterstrich Alexiev, dass die Gegnerin, aller Privacy-Services zum Trotz, bei den drei Kaufanfragen über die Jahre immer ihre Identität als Glocal Commerce Limited preisgab. Spätestens, nachdem das WIPO-Center die Beschwerdeführerin über die Identität der Domain-Inhaberin informiert habe, hätte sie erkennen müssen, dass sich an der Inhaberschaft an der Domain nichts geändert hat. Der Beschwerdeführerin musste deshalb klar sein, dass sie das UDRP-Verfahren nicht würde gewinnen können. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie die Beschwerde zurückziehen müssen. Stattdessen entschied sie sich dafür, die Beschwerde aufrecht zu erhalten, und zwar nur gegen den vom Registrar eingesetzten Privacy-Service. Damit lag aus Sicht von Alexiev ein Missbrauch des Verfahrens vor und er entschied auf RDNH und wies die Beschwerde zurück.

Hier zeigt sich, dass man als Beschwerdeführer durchaus auch von der Möglichkeit Gebrauch machen sollte, ein UDRP-Verfahren vorzeitig zu beenden, wenn sich erweist, dass ein Obsiegen aussichtslos ist. Nach dieser Entscheidung werden wir sicher weitere, gleichgeartete Bestätigungen von Reverse Domain Name Hijacking sehen.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

  1. Remo

    Interessant wäre, zu erfahren, wie ein Entscheid ausgefallen wäre, wenn wirklich ein Domaininhaberwechsel stattgefunden hätte.

    Antworten

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Episerver GmbH, Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top