Die Erhebung einer praktisch aussichtslosen Klage kann im UDRP-Verfahren rasch in der Feststellung eines Reverse Domain Name Hijacking münden. Das musste ein belgisches Medizintechnikunternehmen erfahren – und kassierte deutliche Worte des Schiedsgerichts.
In the view of the Panel this is a complaint which should never have been launched
– wenn dieser Satz in einem Urteil steht, hat man als Rechtsanwalt möglicherweise ein Problem. Doch der Reihe nach. Die in Belgien ansässige IBA SA, ein börsennotiertes Medizintechnikunternehmen mit über 1.800 Beschäftigten und nach eigenen Angaben weltweit führend in der Teilchenbeschleunigertechnologie, ist Inhaberin mehrere Marken für das Zeichen »IBA«. Die Abkürzung steht für »Ion Beam Applications«. Gegründet wurde das Unternehmen 1986 als »spin-off« einer belgischen Universität, Markeneintragung für »IBA« erlangte man im Jahr 2005. Die IBA SA, die derzeit die Domain iba-worldwide.com nutzt, stört sich nun an der Domain iba.com. Deren Inhaber ist der US-Amerikaner Ousmane Ba, der die Domain iba.com am 17. April 1995 registriert hatte. Im Jahr 2021 wies die IBA SA einen Makler an, sich um die Domain iba.com zu bemühen und einen Kaufpreis von US$ 2.500,– zu bieten; bereits der Makler wies jedoch darauf hin, dass es sich um eine Premium-Domain handle, die über US$ 25.000,– kosten werde und stellte seine Tätigkeit ein, ohne ein Kaufangebot zu unterbreiten. Des Weiteren trat man im März 2022 mit einem Anwalt in Kontakt, der zuvor für den Domain-Inhaber tätig war. In dieser eMail liess der Domain-Inhaber mitteilen, dass die Parteien bereits im Jahr 2001 in Kontakt gewesen seien. Weiter führte er aus:
Die Domain wurde Anfang 2000 wegen eines Wertpapierbetrugs nicht genutzt, Sie können sich diesbezüglich an das FBI wenden. Wenn Ihr Mandant nach zwanzig Jahren immer noch darauf versessen ist, sollte er ein Angebot machen.
Ein Angebot folgte indes nicht; stattdessen leitete die IBA SA als Beschwerdeführerin im August 2023 ein UDRP-Verfahren vor dem Schiedsgericht der Genfer World Intellectual Property Organization (WIPO) gegen den Domain-Inhaber als Beschwerdegegner ein. Zum Schiedsrichter wurde der Brite Nick J. Gardner bestellt.
Noch unproblematisch war, dass die streitige Domain iba.com mit der Marke »IBA« identisch ist, da die Top Level Domain bei dieser Betrachtung aussen vor bleibt. Problematisch wurde es für die Beschwerdeführerin aber bereits beim zweiten Tatbestandsmerkmal, dem Recht oder berechtigten Interesse des Domain-Inhabers. Er hatte zum einen vorgetragen, dass er die Domain mit Bezug auf seinen Vater und seinen Sohn registriert hatte, die den Rufnahmen »Iba« tragen; zum anderen verwies er auf geschäftliche Aktivitäten im Zusammenhang mit »International Business Automation«, die er durch einen Screenshot aus archive.org belegte. Der Panelist war hiervon nicht restlos überzeugt, konnte diesen Punkt aber letztlich offenlassen, da die Beschwerde jedenfalls daran scheiterte, dass die Domain nicht bösgläubig registriert wurde und verwendet wird. So hatte die Beschwerdeführerin schon nicht vorgetragen, dass sie bereits 1995 – bei Registrierung der Domain – ein großes und erfolgreiches Unternehmen betrieben habe; die vorgelegten Zahlen stammten aus dem Jahr 1999. Doch selbst wenn man das unterstelle, sei die Abkürzung »IBA« vielfältig verwendbar; es gebe keinen Beleg dafür, dass die Beschwerdeführerin eine signifikante Bedeutung außerhalb ihres Geschäftsfelds erworben habe, geschweige denn dass die Marke »IBA« berühmt sei. Dass der Beschwerdegegner die Domain in Kenntnis der Marke der Beschwerdeführerin registriert habe, sei nicht nachgewiesen. Und auch die angeblich fehlende Nutzung der Domain verschaffe der Beschwerdeführerin entgegen ihrer Behauptung kein besseres Recht. Gardner wies folglich das Übertragungsverlangen ab, und der Beschwerdegegner bleibt Inhaber der Domain (WIPO Case No. D2023-3619).
Damit drängte sich die Frage der Feststellung eines Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) auf, obwohl sie der Beschwerdegegner nicht beantragt hatte. Und hier wurde der Panelist deutlich. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hätte die Schwierigkeiten ihrer Beschwerde erkennen müssen:
The fact was that a three-letter domain name could have been registered by many people for many reasons, none of which had anything to do with the Complainant. […] Given the nature of the Policy and the multiplicity of previously decided cases dealing with similar issues in relation to short acronym type domain names where there was a lack of targeting of the complainant’s mark, this was a case that had no reasonable prospects of success.
Offen ist, ob die anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin im Vorfeld auf die sich aufdrängenden Probleme hingewiesen haben und diese gleichwohl auf der Durchführung des Verfahrens bestanden hat; an den wenig schmeichelhaften Feststellungen des Schiedsgerichts in seiner Entscheidung wird das aber nichts mehr ändern.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.