Wir haben die Entwicklungen von UDRP-Streitigkeiten bei .ai weiterhin im Blick. Zwei aktuelle WIPO-Beschlüsse machen deutlich, wie wichtig vorausschauendes Domain-Registrieren in vielen Bereichen ist, um die eigene Marke zu schützen.
datamotion.ai (WIPO Case No. DAI2024-0035)
Im Streit um die Domain datamotion.ai standen sich die DataMotion Inc. und Emi Roberti, Data Motion aus Großbritannien gegenüber. Die Beschwerdeführerin DataMotion Inc., ein US-amerikanisches Unternehmen, betreibt eine Plattform, auf der sie sichere, intelligente Lösungen für den Datenaustausch anbietet. Sie trägt vor, seit 1995 Dienste unter datamotion.com anzubieten. Sie sei unter anderem auch in Europa über Geschäftsbeziehungen mit Großunternehmen präsent. Zudem ist sie seit 2011 Inhaberin eine US-Marke »DATAMOTION«. Die Domain datamotion.ai wurde im Oktober 2023 registriert und ist mit einer Website verknüpft, auf der Software-Entwicklungsdienstleistungen im Zusammenhang mit Sicherheitsvideokameras und Verwaltungsdienstleistungen neben individuellen SaaS-Lösungen angeboten werden. Die Beschwerdeführerin hat sich mehrfach wegen einer Markenrechtsverletzung bei unterschiedlichen Service-Providern beschwert, die in Verbindung mit der Domain und deren Angebot standen. Das führte auch zu einer vorübergehenden Sperrung des Angebots. Versuche der Kontaktaufnahme über Kontaktpunkte auf der Website unter datamotion.ai führten zu keinem Erfolg, weshalb die Beschwerdeführerin das UDRP-Verfahren bei der WIPO beantragte. Die Gegenseite verwies auf eine 2017 eingetragenen UK-Marke „DATAMOTION“ einer Unternehmung, die mit keiner der beiden Parteien zu tun hat. Als Entscheider wurde der australische Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte Warwick A. Rothnie berufen.
Rothnie wies die Beschwerde ab, weil es aus seiner Sicht eigentlich um einen Markenrechtsstreit hinsichtlich der Markenpriorität und nicht um die Domain gehe (WIPO Case No. DAI2024-0035). Die Ähnlichkeit von Domain und Marke bestätigte er. Er sah aber eine Berechtigung des Gegners an der Domain. Der Name der 2023 gegründeten gegnerischen Unternehmung entspricht dem Domain-Namen, was für sich nicht ausreiche, ein berechtigtes Interesse anzunehmen. Doch bietet sie teilweise Dienste an, wie etwa die Verwaltung von Sicherheitskameras, die zumindest auf den ersten Blick nicht mit den Datendiensten der Beschwerdeführerin in Konflikt stehen. Außerdem zeige die UK-Marke eines Dritten, dass die Beschwerdeführerin kein ausschließliches Recht an der Nutzung des Begriffs »Data Motion« habe. Hier handele es sich mehr um einen Markenstreit über die Priorität von Marken als um eine Art Cybersquatting, meinte Rothnie, sah das 2. Element der UDRP durch die Beschwerdeführerin als nicht erbracht und wies die Beschwerde ab.
sennheiser.ai (WIPO Case No. DAI2024-0040)
Die Sennheiser electronic GmbH & Co. KG hatte ein glücklicheres Händchen im UDRP-Verfahren vor der WIPO. Sie sah ihre Markenrechte durch die Domain sennheiser.ai verletzt, die im April 2023 registriert wurde und auf eine Verkaufsseite weiterleitet, auf der man den Preis der Domain erfragen kann. So erfuhr die Beschwerdeführerin, dass die Domain sennheiser.ai zum Preis von EUR 139.689,34 angeboten wird. Die von Sennheiser beauftragte Rechtsanwaltskanzlei trug umfänglich vor und beantragte den Transfer der Domain sennheiser.ai. Der Gegner, der einen Privacy-Service nutzte, meldete sich nicht zur Sache.
Der niederländische Jurist Richard C.K. van Oerle entschied über die Beschwerde und bestätigte den geltend gemachten Transferanspruch von Sennheiser (WIPO Case No. DAI2024-0040). Die Ähnlichkeit von Marke und Domain war offensichtlich. Den Anscheinsbeweis, wonach der Gegner keine Rechte und kein berechtigtes Interesse hat, sah Oerle als erfüllt an. Die Frage der bösgläubigen Registrierung und Nutzung betrachtete er differenziert. Entsprechend des Vortrags der Beschwerdeführerin bestätigte Oerle, dass der Gegner ihre weltweit bekannte Marke kannte oder hätte kennen müssen, als er die Domain registrierte. Aufgrund der Endung .ai, die als Abkürzung für »Artificial Intelligence« interpretiert wird, könnte die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen, die Domain sennheiser.ai diene der Identifizierung der Beschwerdeführerin und ihrer AI-Technologien. Das spreche dafür, dass der Gegner mit der Domain auf die Beschwerdeführerin ziele. Demnach liege eine Registrierung in böser Absicht vor. Hinsichtlich einer bösgläubigen Nutzung der Domain spreche die hohe Unterscheidungskraft der Marke »Sennheiser« gegen den Gegner. Der hätte seine Absichten erklären können, habe es aber vorgezogen, zu schweigen. Zudem habe er einen Privacy-Service genutzt, um sein Identifizierung zu erschweren. Es sei höchstunwahrscheinlich, dass der Gegner die Domain sennheiser.ai zu irgendwelchen legalen Zwecken würde nutzen können. Vielmehr sehe es danach aus, dass er die Domain registriert hat, um sie sehr teuer zu verkaufen. Und das bestätige sich durch die Preisanfrage der Beschwerdeführerin, aus der sich ergibt, dass die Domain für EUR 139.689,34 angeboten wird. Damit sah Oerle auch eine bösgläubige Nutzung bestätigt und alle Voraussetzungen der UDRP erfüllt, so dass er auf Übertragung der Domain entschied.
Resümee
Auch wenn beide Verfahren unterschiedlich ausgehen, wird eines deutlich: Die Markeninhaber sind jeweils zu spät auf die Endung .ai aufmerksam geworden. Das gilt besonders, weil beide Domains erst 2023 überhaupt registriert wurden. Zu diesem Zeitpunkt war AI schon in aller Munde. Und .ai wurde bereits einige Jahre zuvor als AI-Domain genutzt und von Domain-Investoren, aber eben auch von Cybersquattern registriert. Mit einer besseren Domain-Strategie oder einem Team, dass sich um solche Entwicklungen kümmert und relevante Domains rechtzeitig registriert, lassen sich solche UDRP-Verfahren vermeiden.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.