UDRP

Die Entscheidung im Streit um cryptospace.com erscheint zweifelhaft

Im UDRP-Streit um die Domain cryptospace.com sah sich das Ein-Mann-WIPO-Panel berufen, einen komplexen unternehmensinternen Streit auf die Domain zu reduzieren und zu entscheiden. Es sprach die Domain aber keiner der Streitparteien zu, sondern der nicht unmittelbar beteiligten Markeninhaberin.

Der Sachverhalt
Der Mexikaner Ernesto Huerta ist CEO der Unternehmen Huerta Consulting Services LLC und Cryptospace LLC, die laut Huerta beide wiederum Töchter der Digital Nomad Holdings LLC sind. Die Unternehmen sind im Handel mit Kryptowährungen aktiv. Huerta sieht die Rechte an der Marke »Cryptospace« durch die Domain cryptospace.com verletzt. Die Markenrechte an dem Begriff ergäben sich einerseits aus der Nutzung des Begriffs seit dem 26. Juli 2017 und andererseits aus der am 01. Mai 2018 auf die Cryptospace LLC mit Sitz in Kalifornien (USA) eingetragenen US-Marke »CRYPTOSPACE«. Ursprünglich habe die Cryptospace LLC die Domain cryptospace.com im Januar 2020 für US$ 15.000,– gekauft. Registriert ist sie aber auf Erick Calder aus den USA, der Minderheitsgesellschafter der obigen Unternehmen war oder ist. Der sei ehemals CTO der Unternehmungen gewesen, aber mittlerweile wegen Nichterfüllung seiner Aufgaben entlassen worden. Das am 15. April 2023 per »docusign« unterschriebene Kündigungsdokument weist als Kündigungszeitpunkt den 04. November 2023 (!) auf, womit es ein falsches Kündigungsjahr aufweist, aber zugleich auch die Merkwürdigkeit, dass es erst fünf Monate nach der Kündigung gezeichnet wurde. Calder, der Gegner, widerspricht alledem, außer dass er Minderheitsgesellschafter war oder ist.

Die Entscheidungsgründe
Der als Entscheider eingesetzte australische Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte Warwick A. Rothnie bestätigte die Beschwerde, sprach die Domain aber nicht dem Antragsteller Huerta zu, sondern der Cryptospace LLC aus Kalifornien (USA), die Inhaberin der Marke »CRYPTOSPACE« ist (WIPO Case No. D2023-2349). Zur Frage von Ähnlichkeit von Marke und Domain findet Rothnie es problematisch, dass hier nicht die Markeninhaberin Cryptospace LLC als Beschwerdeführer tätig wird, sondern Huerta. Und Huerta die Beschwerde nicht einmal für die Cryptospace LLC führt, sondern für sich. Er gesteht Huerto aber zu, dass er als CEO befugt sei, die Beschwerde zu führen. Aus Rothnies Sicht liegen keine Beweise dafür vor, dass durch Nutzung des Begriffs »Cryptospace« ein Markenrecht entstanden sei. Aufgrund der eingetragenen US-Marke lägen aber Markenrechte vor. Die Domain entspreche der Marke, womit das erste Element der UDRP erfüllt sei.

Rechte des Gegners an der Domain
Rechte oder ein berechtigtes Interesse des Gegners an der Domain cryptospace.com sah Rothnie nicht: der Name der Domain leite sich nicht von dem des Gegners ab; es sei nicht ersichtlich, dass der Gegner die Domain nutze oder zu nutzen beabsichtige. Es sei unklar, seit wann der Gegner als Inhaber der Domain eingetragen ist und wie das zustande kam, und der Beschwerdeführer habe dargelegt, dass der Gegner nicht berechtigt war, die Domain für sich zu registrieren. Der Gegner hält lediglich entgegen, er sei berechtigt, die Eintragung als Treuhänder in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied, Investor der Gesellschaft, Gläubiger und geschäftsführender Gesellschafter vorzunehmen. Unklar sei, wer die US$ 15.000,– für die Domain bezahlt hat. Huerta behauptet allerdings, er zahle die jährlichen Gebühren. Rothnie erklärt, es sei nicht zu erwarten, dass ein Vorstandsmitglied eines Unternehmens oder ein Investor berechtigt sei, einen Unternehmenswert zu registrieren und zu behalten, es sei denn, das sei vertraglich vereinbart. Ein solcher Vertrag sei nicht ersichtlich. Es sähe danach aus, als bestehe zwischen den Parteien des UDRP-Verfahrens ein Streit über ihre Geschäftsbeziehung und der Gegner habe sich einseitig zum Treuhänder der Domain ernannt, um sie zum Schutze seiner persönlichen Interessen im Geschäftsstreit in Stellung zu bringen. Rothnie sieht an dieser Stelle ein, dass es nicht seine Aufgabe ist, im Wege der UDRP den Streit zweier Geschäftspartner zu klären. Dieser Streit allerdings, so Rothnie, berechtige den Gegner nicht, die Domain zu halten, die ganz klar ein Vermögensgegenstand der Cryptospace LLC sei. Damit sah er das zweite Element der UDRP erfüllt.

Die Frage der Bösgläubigkeit
Für Rothnie war der Gegner auch bösgläubig. So sei zwischen den Parteien unstreitig, dass der Gegner um die Markenrechte der Cryptospace LLC wußte. Unklar sei, wann und wie der Gegner Inhaber der Domain wurde. Das kann gleich beim Kauf der Domain im Januar 2020 gewesen sein oder später. Sollte der Gegner die Domain mit Beginn der geschäftlichen Auseinandersetzung auf sich übertragen haben, so reichte das als Rechtsgrundlage nicht aus. So oder so erfolgte die Übertragung der Domain auf den Gegner in Kenntnis der Markenrechte seitens der Cryptospace LLC und also bösgläubig. Und seine Weigerung, die Domain zurückzugeben, führe zu einer bösgläubigen Nutzung der Domain. Damit lagen für Rothnie alle drei Elemente der UDRP vor.

Die zweifelhafte Lösung
Allerdings hatte Rothnie Probleme, dem Beschwerdeantrag zu folgen, wonach die Domain auf den Beschwerdeführer Huerta übertragen werden soll, weil er Eigentümer der Unternehmen sei. Eine ausdrückliche Erlaubnis dafür seitens der Unternehmen liege aber nicht vor. Auf die entsprechende Anordnung des WIPO-Panels hin, er möge dazu vortragen, warum die Domain an ihn übertragen werden solle und nicht an das die Markenrechte innehabende Unternehmen, habe der Beschwerdeführer nicht geantwortet. Auf Grundlage von Paragraph 10 (»General Powers of the Panel«) der UDRP entschied Rothnie folglich, die Domain cryptospace.com auf die Cryptospace LLC zu übertragen.

Offene Fragen
Die Regelung zu den »General Powers of the Panel« besagt, dass das Gremium das Verfahren in einer Weise durchführt, die es im Einklang mit der Richtlinie und diesen Regeln für angemessen hält. Dass diese Formulierung ausreicht, eine solche weittragende Entscheidung zu fällen, darf man durchaus in Frage stellen. Die Cryptospace LLC ist definitiv nicht Partei des Verfahrens, und der Antrag des Beschwerdeführers umfasst eine solche Entscheidung nicht. Andrew Allemann (domainnamewire.com) sieht in diesem Verfahren bereits ein Problem darin, dass es sich um einen umfassenden Streit von Geschäftspartnern über Unternehmensrechte handelt. In solchen Fällen klinken sich UDRP-Panels üblicherweise aus und verweisen auf ordentliche Gerichte, von denen der Sachverhalt und die Rechtslage viel umfänglicher und angemessener geprüft werden kann, dank unter anderem mündlicher Verhandlung. So oder so verhebt sich unserer Meinung nach Rothnie in diesem Fall.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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