Ein US-Unternehmen hatte kein gutes Argument, die verlorene Domain voices.ai vom neuen Inhaber, der die Domain ersteigert hatte, über ein UDRP-Verfahren zurückzugewinnen. Da half auch die Marke »VOICES.COM« nicht, die aufgrund der Endung nicht als verwechselbar ähnlich eingestuft wurde.
Die Voices.com Inc. bezeichnet sich selbst als der weltweit führende Online-Marktplatz für Sprecher, der es Unternehmen ermöglicht, professionelle Sprecher zu finden, zu engagieren und zu bezahlen, ohne dass sie einen Agenten zur Vermittlung eines Sprechers benötigen. Sie erklärt, seit 2006 in den USA fortgesetzt die Gewohnheitsmarke »Voices« zu nutzen sowie die im April 2016 angemeldete und später eingetragene US-Marke »VOICES.COM«. Seit März 2023 war sie Inhaberin der Domain voices.ai. Doch verlor sie diese aus ungeklärten Gründen, und ein ukrainischer Domain-Investor ersteigerte sie im März 2025. Nach dem Domain-Verlust versuchte die Beschwerdeführerin, die Domain vom nunmehrigen Inhaber PRAI zu kaufen. Der antwortete auf die Verkaufsanfrage mit:
I sold a domain fin.ai for $1M this year. voices.ai is $1M also.
Die Voices Inc. startete daraufhin ein UDRP-Verfahren vor dem Forum. Das Entscheidungsgremium setzte sich aus den Rechtsanwälten David P. Miranda und Steven M. Levy als Beisitzer sowie dem britisch-australischen Juristen und Mediator Alan L. Limbury als Vorsitzendem zusammen.
Das Dreiergremium wies die Beschwerde zurück, da keine der drei Voraussetzungen des UDRP-Verfahrens erfüllt waren (Forum Claim Number: FA2505002157805). Die Probleme für die Beschwerdeführerin fingen schon bei der Frage an, ob Identität oder Ähnlichkeit zwischen Domain und Marke besteht. Dass die Beschwerdeführerin Inhaberin einer Gewohnheitsmarke »VOICES« ist, konnte das Gremium nicht feststellen. Es handele sich um einen allgemeinen Begriff, der auch in zahlreichen Marken Dritter eingebunden ist, weshalb es für die Beschwerdeführerin an der notwendigen Unterscheidungskraft fehle. Im Hinblick auf die eingetragene Marke »VOICES.COM« stellte das Gremium die Inhaberschaft der Beschwerdeführerin fest. Allerdings war beim Vergleich mit der Domain voices.ai klar, dass bei der Marke deren Endung ».COM« nicht ignoriert werden konnte und der Begriff »VOICES« in dem Zusammenhang nicht unterscheidungskräftig ist. Im Hinblick auf diese Marke müsse, anders als bei Domains üblich, die Endung .ai mit ins Kalkül gezogen werden. Das Gremium befand, dass Marke und Domain unter diesen Gesichtspunkten zwar ähnlich seien, aber eben nicht verwechselbar ähnlich. Damit war bereits das erste Element der UDRP von Seiten der Beschwerdeführerin nicht erfüllt.
Eigentlich hätte das Gremium an dieser Stelle die Sache beenden können und erklärte kurz, dass auch unter der Annahme, hier bestünde eine verwechselbare Ähnlichkeit zwischen Domain und Marke, die weiteren Elemente der UDRP nicht erfüllt seien. Es prüfte die Sache dann weiter. Dabei stellte es fest, dass der Gegner Domain-Investor und das allenthalben als gängige Praxis in der Domain-Industrie akzeptiert ist. Der habe die von der Beschwerdeführerin im März 2023 registrierte und aus unerfindlichen Gründen zwei Jahre später verloren gegangene Domain im März 2025 registriert. Es gäbe keinen Hinweis darauf, dass er, mit Sitz in der Ukraine, seinerzeit von der Beschwerdeführerin wusste. Er nutzte die Domain nie mit der Beschwerdeführerin und ihre Marke »VOICES.COM« als Ziel. Aufgrund seines anerkannten Geschäftsmodells habe der Gegner als langjähriger Domain-Investor ein berechtigtes Interesse an der Domain voices.ai. So war auch das zweite Element der UDRP nicht erfüllt.
Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain vermochte das Gremium ebenfalls nicht festzustellen. Der vom Gegner angesprochen Kaufpreis von US$ 1 Mio. für die Domain sei zwar ein sehr hoher Preis im Vergleich zu den üblichen Registrierungskosten; aber das Gremium war nicht überzeugt davon, dass der Gegner zum Zeitpunkt des Erwerbs der Domain von der Beschwerdeführerin wusste und sie mit der Absicht registriert habe, sie an diese oder eine ihrer Wettbewerber zu verkaufen. Die Beschwerdeführerin behauptet, in 160 Ländern aktiv zu sein, aber legte lediglich Nachweise für ihre Tätigkeit in den USA und Kanada vor. Dass sie irgendwelche Geschäfte in anderen Ländern oder in der Ukraine betreibt, habe sie nicht nachgewiesen. Selbst wenn der Gegner vor dem Erwerb der Domain im Internet recherchiert und festgestellt hätte, dass die Beschwerdeführerin Inhaberin der Domain war, hätte er keinen Grund gehabt zu glauben, die Beschwerdeführerin hätte ihre .ai-Domain nicht von sich aus gekündigt, sondern aus Versehen verloren. Es gäbe schlichtweg keine Basis für die Annahme, der Gegner hätte in irgendeiner Weise bösgläubig gehandelt. Damit war von Seiten der Beschwerdeführerin auch das dritte Element der UDRP nicht erfüllt. Das Gremium wies die Beschwerde ab und entschied, dass die Domain voices.ai beim aktuellen Inhaber verbleibt.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.