Der überwiegende Teil (ca. 90 Prozent im Jahr 2021 bei WIPO) der UDRP-Verfahren sind Standardfälle, bei denen ein Markeninhaber eine Domain, die seine Marke oder ein sehr ähnliches Zeichen im Domain-Namen wiedergibt, erfolgreich erstreitet. Viele Markeninhaber müssen diese Verfahren routinemäßig verfolgen, darunter auch die beiden deutschen Unternehmen Lidl und Deutz. Wir haben uns zwei solcher Routinefälle angeschaut.
LIDL – lidl-de.website
Die deutsche LIDL Stiftung & Co. KG sah ihre Rechte durch die Domain lidl-de.website verletzt und startete vor der WIPO ein UDRP-Verfahren. LIDL ist Inhaberin zahlreicher deutscher, europäischer und internationaler Marken und Domains wie lidl.com, lidl.de, lidl.at und lidl.po. Die Ende August 2021 vom Gegner mit Sitz in Russland registrierte Domain lidl-de.website leitete zu einer Website, auf der eine Umfrage über die Beschwerdeführerin angezeigt wurde und die auf eine andere Seite weiterleitete, auf der sich unter anderem ein der Bildmarke von Lidl ähnliches Zeichen befand und eine Eingabemaske, in die Nutzer ihre Kontaktdaten eintragen sollten. Der Gegner meldete sich nicht in der Sache. Zum Entscheider wurde der niederländische Rechtsanwalt Gregor Vos berufen.
Vos bestätigte die Beschwerde der LIDL Stiftung, da sie die Voraussetzungen der UDRP in ihrem Vortrag alle erfüllte und der Gegner dem nichts entgegensetzte (WIPO Case No. D2021-3579). So enthalte die Domain lidl-de.website die Lidl-Marke vollständig; die TLD .website sei eine technische Notwendigkeit, die nicht ins Gewicht falle. Der Zusatz »-de« müsse als beschreibender Begriff verstanden werden, der als Repräsentation für »Deutschland« stehe und an der verwechselbaren Ähnlichkeit nichts ändere. Die Nutzung der Marke nebst der geographischen Abkürzung für die Domain bringe ein der Realität widersprechendes, hohes Risiko von implizierter Verbundenheit mit der deutschen Beschwerdeführerin mit sich, das sicher keine faire Nutzung darstelle. Ihre Marken nutze die Beschwerdeführerin bereits seit vielen Jahren; sie dürften dem Gegner bekannt gewesen sein, was sich auch aus der Nutzung des Logos der Beschwerdeführerin ergebe. So sah Vos die Registrierung und die Nutzung der Domain als bösgläubig an. Damit waren alle Voraussetzungen der UDRP erfüllt, und Vos entschied auf Übertragung der Domain lidl-de.website.
Deutz – deutzparts.cn
Auch die deutsche Deutz AG hat so ihre Probleme mit Domain-Namen. Im Streit um die im Dezember 2020 registrierte Domain deutzparts.cn wandte sie sich für ein UDRP-Verfahren ebenfalls an die WIPO. Der Inhaber der Domain sitzt in China und ist nach eigenen Angaben ein professioneller Anbieter, der sich auf schwere Motoren und Ersatzteile in China spezialisiert hat. Unter der Domain bietet er neben Deutz-Motoren und anderer Technik auch Produkte von Konkurrenten von Deutz an. Die Beschwerdeführerin trägt – kurz gefasst – vor, dazu sei er nicht legitimiert, er habe die Domain bösgläubig registriert und nutze sie bösgläubig. Der Gegner nahm zur Sache nicht Stellung. Die chinesische Rechtsanwältin Linda Chang wurde als Expertin zur Entscheidung der Sache berufen.
Chang gab der Beschwerde der Deutz AG statt, da insbesondere die Nutzung der Domain zum Verkauf von Konkurrenzprodukten der Beschwerdeführerin kein Recht oder berechtigtes Interesse des Gegners an der Domain begründe (WIPO Case No. DCN2021-0042). Zunächst gab Chang dem Antrag auf Englisch als Verfahrenssprache statt, unter anderem, da die Website des Gegners auf Englisch abgefasst ist. Die Domain gebe die Marke der Beschwerdeführerin in Gänze wieder; der Zusatz »parts« ändere nichts an der verwechselbaren Ähnlichkeit, und die lediglich instrumentelle Länderendung .cn sei zu vernachlässigen. Die Beschwerdeführerin habe einen Anscheinsbeweis für das Fehlen eines Rechts oder berechtigten Interesses der Gegners an der Domain erbracht. Dem habe er nichts entgegengehalten. Aus der Nutzung der Domain, auf der der Gegner neben Deutz-Produkten auch Produkte von Konkurrenten anbietet, ergäbe sich kein Recht oder berechtigtes Interesse zu Gunsten des Gegners. DEUTZ ist eine alte unterscheidungskräftige Marke, ohne begriffliche Bedeutung auf Chinesisch und Englisch, die der Gegner bei Registrierung der Domain gekannt hat oder hätte kennen müssen. Für sein Wissen um die Marke spreche unter anderem, dass er die Domain zum Verkauf von Deutz-Produkten nutze. Chang kam zu dem Schluss, dass der Gegner mit Nutzung der Marke »DEUTZ« für den Domain-Namen deutzparts.cn Internetnutzer, die nach Produkten der Beschwerdeführerin und der Marke »DEUTZ« suchen, auf seine Website ziehe. Das stelle eine bösgläubige Nutzung dar. Damit sah sie alle Voraussetzungen der UDRP von Seiten der Beschwerdeführerin erfüllt, und entschied auf Übertragung der Domain auf die Beschwerdeführerin.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.