Nicht alle UDRP-Verfahren um .ai-Domains gehen zu Gunsten der die Beschwerde führenden Markeninhaber aus. Im Streit um die Domain dataparrot.ai unterlag die Data Parrot Holdings LLC dem Domain-Inhaber, weil dieser ein berechtigtes Interesse an der Domain nachweisen konnte und die Sache zu komplexe Markenrechtsfragen aufwarf.
Die US-amerikanische Data Parrot Holdings LLC, Inhaberin der Domain dataparrot.io und der 2020 registrierten US-Marke »DATA PARROT«, bietet Software als Dienstleistung (SAAS) mit Software zum Kopieren relationaler Daten zwischen Produktivdatenbanken und Testdatenbanken im Bereich von Unternehmenssoftware an. Sie sieht ihre Markenrechte durch die im März 2023 registrierte Domain dataparrot.ai verletzt und startete ein UDRP-Verfahren vor der WIPO. Sie meint, der Gegner habe wissentlich und willentlich die Domain registriert, um, unter Ausnutzung der Marke »DATA PARROT«, eine konkurrierende Dienstleistung zu betreiben. Der Gegner, Christopher Hamoen aus den USA, hält über seine Anwälte entgegen, dass die Beschwerdeführerin ihr Markenrecht nicht gebrauche. Er selbst habe legitime Rechte an der streitigen Domain, denn er biete mit seiner KI-getriebenen SaaS für die Analyse von Geschäftsdaten eine rechtmäßige Dienstleistung an. Die Domain habe er in gutem Glauben ausgewählt. Er bestreite, dass seine und die Dienstleistungen der Beschwerdeführerin verwandt seien. Als Entscheider trat ein Dreiergremium zusammen, bestehend aus dem Vorsitzenden, dem US-amerikanischen Rechtsanwalt Martin Schwimmer, und den Beisitzern Rechtsanwalt und Dozent Evan D. Brown und Rechtsanwalt Gary Saposnik.
Das Dreiergremium wies die Beschwerde ab, weil der Gegner ein berechtigtes Interesse nachweisen konnte und die Markenrechtsfragen letztlich zu komplex für ein UDRP-Verfahren waren (WIPO Case No. DAI2024-0072). Die Ähnlichkeit von Marke und Domain stellte das Gremium kurzerhand fest und sah das erste Element der UDRP zu Gunsten der Beschwerdeführerin als erfüllt. Schwierig wurde es bei der Frage nach einem Recht oder berechtigten Interesse des Gegners an der Domain dataparrot.ai. Der Gegner, so das Gremium, habe bereits vor der Benachrichtigung über den Streitfall die Domain dataparrot.ai oder einen mit der Domain korrespondierenden Namen in Verbindung mit einem tatsächlichen Dienstleistungsangebot verwendet oder nachweislich zumindest Vorbereitungen zur Verwendung dieses Namens getroffen. Er habe nachgewiesen, dass er die Domain zeitgleich mit einer eigenen Marke »DATA PARROT« am 20. März 2023 registrierte bzw. beantragte. Erst danach war ihm das Abmahnungsschreiben der Beschwerdeführerin vom 14. Juli 2023 zugegangen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin selbst ein Beispiel für unaufgeforderte Presseberichterstattung über das Unternehmen des Gegners vorgelegt, als es einen Zuschuss von einer Entwicklungsagentur erhielt. Genau diese Presseberichterstattung spreche für ein vom Gegner betriebenes ordentliches Geschäft. Damit sei eine berechtigte Nutzung der Domain aber nicht belegt, das Angebot des Gegners müsse auch rechtens sein. Der Gegner dürfe die Markenrechte der Beschwerdeführerin nicht absichtlich verletzen. Einen entsprechenden Nachweis dafür habe die Beschwerdeführerin nicht erbracht. Sie habe nicht nachgewiesen, dass der Gegner überhaupt Kenntnis von ihrer Marke hatte. Sie behaupte zwar, der Gegner hätte wahrscheinlich um ihre Markenrechte gewusst, indem er die WHOIS- und/oder Markendatenbanken durchsucht hat, aber sie lieferte keinen Nachweis dafür. Die vom Gegner abgegebene eidesstattliche Versicherung, wonach er um die Beschwerdeführerin und deren Marke nicht wusste, als er die Domain registrierte und seine Marke beantragte, und seine Behauptung, er halte die Benutzung der Marke der Beschwerdeführerin für geringfügig, seien zwar von fragwürdigem Wahrheitsgehalt. Doch habe die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen, dass bedeutende Verkäufe, Werbung oder Medienberichterstattung zu einer ausreichenden Bekanntheit geführt haben, die das Gremium hätte überzeugen können, dass der Gegner aufgrund dessen nicht nur von der Existenz der Beschwerdeführerin wusste (oder hätte wissen müssen), sondern dass er auch motiviert war, diese Bekanntheit auszunutzen.
Weiter machte die Beschwerdeführerin geltend, dass angesichts der Identität der Marken der Parteien, der angeblichen Verwandtschaft der Waren und Dienstleistungen der Parteien sowie der Fälle angeblicher tatsächlicher Verwechslung die Verwendung der streitigen Domain durch den Gegner eine Rechtsverletzung darstellten. Das Gremium sah an diesem Punkt jedoch eine zu hohe Komplexität der Rechtsfragen, denn unabhängig davon, ob die Behauptungen der Beschwerdeführerin zuträfen oder nicht, würde es die Beurteilung des Anspruchs der Beschwerdeführerin erfordern, dass man Feststellungen u.a. zur Stärke ihrer Marke und zu den Handelskanälen der jeweiligen Dienstleistungen der Parteien treffe. Die sei von der UDRP nicht gedeckt und gehe über Fragen eines Cybersquattings hinaus. Deshalb sollte die Sache besser vor einem Zivilgericht behandelt werden.
Das Gremium hielt fest, dass der Gegner Beweise für die nachweisliche Vorbereitung und Verwendung der strittigen Domain vorgelegt habe, noch bevor er durch die Beschwerdeführerin von diesem Streitfall in Kenntnis gesetzt wurde. Infolge dessen sei der Nachweis für das Vorliegen des 2. Elements der UDRP seitens der Beschwerdeführerin nicht erbracht. Das Gremium verzichtete darauf, die Bösgläubigkeit zu prüfen, da dies unter den gegebenen Umständen nicht notwendig sei. Damit wies das Dreiergremium die Beschwerde zurück, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass man keine Stellung zur Begründetheit einer weitergehenden Streitigkeit zwischen den Parteien nehme. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, Ansprüche vor anderen Foren geltend zu machen. Weiter wies das Dreiergremium darauf hin, dass sich die vorliegende Feststellung auf die UDRP beschränke und nicht darauf abziele, etwaige spätere Verfahren zu beeinflussen, sollten diese angestrengt werden.
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