UDRP

Beschwerdeführerin spekuliert zuviel im Streit um clio.ai

Bisher verzeichnen wir 24 UDRP-Verfahren um .ai-Domains im Jahr 2025, 10 bei WIPO und 14 bei Forum. In immerhin drei Fällen wurde die jeweilige Beschwerde abgewiesen; es gab eine vorzeitige Beendigung. Die Quote für Abweisungen liegt damit bei 12,5 Prozent. Eine Abweisung erfuhr auch ein Kanzleisoftwareanbieter beim Streit um clio.ai vor der Streitbeilegungsstelle Forum.

Die US-amerikanische Themis Solutions Inc. nutzt seit Oktober 2008 die Marke »CLIO« in Verbindung mit Software für Kanzleimanagement und -verwaltung, die per Download und Service (SAAS) angeboten wird, und damit verbundene Waren und Dienstleistungen, einschließlich einer Reihe von cloudbasierten Lösungen wie juristischer CRM-Software. Sie hat die Marke für unterschiedliche Klassen seit 2013 beim United States Patent and Trademark Office (USPTO) registriert. Sie sieht ihre Rechte durch die Domain clio.ai verletzt. Der Inhaber der Domain bietet diese für CAD 475.931,62 zum Kauf an. Das sei deutlich zu viel, fand die Markeninhaberin; er richte sich unmittelbar an sie als kaufkraftstarke Markeninhaberin. Zudem habe der Gegner die Domain just einen Tag, bevor man selbst ein Produkt, das auf künstlicher Intelligenz beruht, auf den Markt gebracht habe, registriert. Sie startete ein UDRP-Verfahren vor dem Forum. Inhaber der im September 2021 registrierten Domain clio.ai ist der Domain-Investor Narendra Ghimire / Deep Vision Architects, der sich von Domain-Anwalt John Berryhill vertreten ließ. Er trägt vor, bei der Registrierung von clio.ai habe er von der Beschwerdeführerin nichts gewusst. Die Domain habe er als Domain-Investor registriert, weil sie ein allgemeiner und ein geographischer Name sowie der einer Gottheit aus der griechischen Mythologie ist. Neben dieser Domain habe er weitere Domains nach Namen aus der griechischen Mythologie registriert wie athena.ai, hera.ai und theta.ai. Zudem sei es ein technisches Akronym und werde von vielen Dritten als Marke genutzt. Er biete die Domain allgemein zum Kauf an und ziele nicht auf die Beschwerdeführerin. Als Entscheider wurde ein Gremium bestehend aus der als Rechtsberaterin und Mediatorin im Recht geistigen Eigentums tätigen US-amerikanischen Volljuristin Sandra J. Franklin, dem britischen Juristen Nick J. Gardner und dem US-Rechtsanwalt Steven M. Levy berufen.

Das Gremium wies die Beschwerde der Themis Solutions Inc. ab, da ihre Argumentation nicht für den Anscheinsbeweis über ein fehlendes Recht oder ein fehlendes berechtigtes Interesse des Gegners ausreichte (Forum Claim Number: FA2502002139218). Das Gremium stellte zunächst das Vorliegen einer Marke und die Ähnlichkeit der Domain mit dieser fest. Es führte zur ccTLD als mögliches unterscheidungskräftiges Merkmal aus:

The Panel further notes that although the „.ai“ top-level domain can be a reference to „artificial intelligence“, it is also the country code top-level domain („ccTLD“) for Anguilla and finds that the „.ai“ TLD is not relevant to the ¶ 4(a)(i) confusing similarity analysis.

Damit hatte die Beschwerdeführerin das erste Element der UDRP erfüllt.

An der Begründung der Behauptung, der Gegner habe kein Recht oder berechtigtes Interesse an der Domain clio.ai, scheiterte die Beschwerdeführerin jedoch. Das Gremium brach die Argumentation der Beschwerdeführerin auf zwei Punkte herunter: die Nutzung der Domain durch den Gegner sei nicht gutgläubig und er habe die Beschwerdeführerin ins Visier genommen, weil erstens der Verkaufspreis der Domain so hoch angesetzt war, dass ihn sich nur eine kleine Anzahl von Unternehmen leisten konnte, und zweitens der Gegner von dem geplanten Eintritt der Beschwerdeführerin in den AI-Bereich gewusst haben muss. Für das Gremium beruht das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin auf Indizien, die Argumentation sei zu spekulativ – das Vorbringen sei insgesamt nicht überzeugend. Das Kaufen und Verkaufen von generischen Domain-Namen gilt im Rahmen der UDRP als legitim, solange keine Anzeichen für Betrug oder Cybersquatting ersichtlich sind. Ein Domain-Investor könne jeden Preis für eine Domain setzen. Das Wort »Clio« weise zahlreiche Bedeutungen und Verwendungsmöglichkeiten auf, die über die Bedeutung der Marke der Beschwerdeführerin hinausgehen. Nichts auf der Auktionswebsite, auf die die Domain geschaltet ist, deutet auf die Beschwerdeführerin hin. Die Tatsache, dass der Gegner Inhaber anderer Domains mit beschreibenden Zeichen ist und dass er in der Vergangenheit eine Reihe von UDRP-Verfahren gegen solche Domains (wie etwa abnormal.ai) erfolgreich abwehren konnte, sprächen für ihn. Aus diesen und weiteren Gründen stellte das Gremium fest, dass die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass der Gegner keine Rechte oder berechtigten Interessen an der Domain clio.ai hat. Damit war das zweite Element der UDRP nicht erfüllt. Das Gremium warf noch einen kurzen Blick auf die Frage der Bösgläubigkeit, der eigentlich nicht notwendig sei. Hier machte es nur deutlich, dass es – wie zuvor bereits dargelegt – nicht darauf schließen könne, der Gegner habe von der Beschwerdeführerin und ihrer Marke gewusst, bevor er die Domain registrierte. Es fehlten entsprechende Beweise, weshalb auch das Element der Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain nicht vorläge. In der Folge wies das Gremium die Beschwerde ab.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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