Im aktuellen Streit um die Domain genomedx.com erklärt die Beschwerdeführerin lang und breit, wie sie zum Recht an dem Begriff »GENOMEDX« gekommen ist, vergisst darüber aber, entsprechende Markenvoraussetzungen nachzuweisen. Der Entscheider des UDRP-Verfahrens stellte Reverse Domain Name Hijacking fest, zumal die Beschwerdeführerin von Anwälten vertreten wurde.
Die Veracyte Inc. aus den USA sieht sich als Inhaberin der nicht eingetragenen, gewohnheitsrechtlichen Marke »GENOMEDX«. Diese Marke sieht sie durch die Domain genomedx.com verletzt, weshalb sie ein UDRP-Verfahren vor dem Forum startete mit dem Antrag
Complainant requests that the domain name be transferred from Respondent to Complainant.
Im Verfahren erklärte die von der Beschwerdeführerin beauftragte Anwaltskanzlei ausführlich, wie die Marke der GenomeDx Biosciences Inc., die mehrfach ihren Namen änderte, durch Übernahme ihrer Nachfolgerin im März 2021 durch die Beschwerdeführerin, damals noch mit anderem Namen, übernommen wurde. Weiter führte die Beschwerdeführerin aus, die GenomeDx Biosciences Inc. nutze seit Anfang 2006 »GENOMEDX« als Name und Marke für einen Krebstest. Ein Mitarbeiter habe die Domain genomedx.com am 07. November 2006 registriert. Die Domain wurde für Werbezwecke für »GENOMEDX«-Produkte genutzt. Der Mitarbeiter übertrug den Account, über den die Domain registriert war, dann auf einen anderen Mitarbeiter, den Gegner des UDRP-Verfahrens. Der kündigte und nahm die Domain mit. Die Beschwerdeführerin behauptet, der Gegner nutze die Domain für eine Website, die die Marke »GENOMEDX« zeigt und vorgibt, die Website von GenomeDx Biosciences Inc. zu sein. Er sei nicht legitimiert, die Marke »GENOMEDX« zu nutzen und handele bösgläubig. Der Gegner meldete sich nicht zum Verfahren. Rechtsprofessor David E. Sorkin wurde als Entscheider tätig.
Sorkin wies die Beschwerde ab, weil die Beschwerdeführerin schon nicht nachgewiesen hat, dass eine Marke besteht, und stellte ein Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) fest, weil sie – anwaltlich vertreten – hätte wissen müssen, dass sie so die Beschwerde nicht gewinnen konnte (Forum Claim Number: FA2503002147139). Bei seiner Prüfung stützte sich Sorkin allein auf den Vortrag der Beschwerdeführerin, da der Gegner der Sache nicht entgegengetreten ist. Die Beschwerdeführerin stützt sich auf das Gewohnheitsrecht hinsichtlich des Bestehens der Marke »GENOMEDX«. Allerdings, so Sorkin, legt sie keine Beweise dafür vor, dass »GENOMEDX« als Herkunftsbezeichnung und nicht nur als Handelsname verwendet wurde, und auch nicht für irgendeine Verwendung seit Anfang 2019. In der Pressemitteilung zur Unternehmensübernahme von Decipher Biosciences Inc. (der Nachfolgerin der GenomeDx Biosciences Inc.) im März 2021 erwähnte sie zahlreiche Marken, die ebenfalls übernommen wurden; allerdings wurde »GENOMEDX« da nicht aufgelistet. Die Beschwerdeführerin führt auch nichts zu einer erworbenen Unterscheidungskraft aus, die für die Begründung von Rechten nach dem Gewohnheitsrecht erforderlich ist. Sorkin verweist auf frühere UDRP-Entscheidungen, die deutlich machen, dass ein Beschwerdeführer nachweisen muss, dass seine Marke ein unterscheidungskräftiges Kennzeichen geworden ist, das die Verbraucher mit den Waren und/oder Dienstleistungen des Beschwerdeführers in Verbindung bringen, und dass er stichhaltige und fundierte Beweise für die ständige Benutzung der Marke durch ihn und ihre Bekanntheit bei den Kunden der entsprechenden Waren oder Dienstleistungen vorlegen muss. Da die Beschwerdeführerin das nicht getan hatte, habe sie die erste Voraussetzung der UDRP nicht erfüllt. Sorkin ersparte sich, die weiteren Voraussetzungen zu prüfen. Stattdessen widmete er sich der Prüfung eines RDNH.
Bei der Prüfung des RDNH sah er die Voraussetzungen erfüllt: Die Beschwerdeführerin habe keine Beweise für die erworbene Unterscheidungskraft für »GENOMEDX« vorgelegt, die erforderlich ist, um einen Anspruch auf Markenrechte nach dem Gewohnheitsrecht zu begründen, und der Rechtsvorgänger, über den sie behauptet, solche Rechte erworben zu haben, habe die vermeintliche Marke offenbar mehrere Jahren zuvor aufgegeben, ehe sie von der Beschwerdeführerin erworben wurde. Da die Beschwerdeführerin in dem Verfahren von professionellen Markenanwälten vertreten wurde, schloss Sorkin, dass sie und ihre Rechtsvertreter gewusst haben mussten, dass kein berechtigter Anspruch nach der UDRP besteht. Für Sorkin wurde die Beschwerde bösgläubig erhoben, was einen Missbrauch der UDRP darstellt. Damit wies er die Beschwerde ab und stellte fest, dass die Domain beim Inhaber und Gegner des Verfahrens verbleibt.
Es zeigt sich: auch bei der Wahl professioneller Markenanwälte muss man sorgsam sein. Andererseits ist nicht klar, inwieweit die Beschwerdeführerin über die Risiken, unter den gegeneben Umständen ein UDRP-Verfahren zu führen, von ihren Anwälten aufgeklärt wurde und sie gleichwohl, unter Eingehung der Risiken, die Beschwerde beauftragt hat.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.