Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) vor der Genfer World Intellectual Property Organization (WIPO) hat auch im Jahr 2020 einen Rekordwert erreicht. Das berichtet der Domain-Spezialist Doug Isenberg, eine offizielle Bestätigung steht aber noch aus.
Wie Isenberg in seinem Blog berichtet, stieg die Gesamtzahl aller UDRP-spezifischen Streitigkeiten bei der WIPO Im Jahr 2020 auf 4.204 an. Im Jahr 2019 waren es »nur« 3.693. Der Anstieg von umgerechnet 13,8 Prozent fällt damit deutlich steiler aus als 2019; damals lag der Zuwachs bei 8,6 Prozent. Die Zahl der UDRP-Verfahren steigt damit seit 2013 beständig an, 2009 waren es letztmalig weniger als 2.500. Für Isenberg ist dabei das so genannte »filing« maßgeblich, also die Einreichung einer Beschwerdeschrift, nicht die Anzahl der ergangenen Entscheidungen. Beschränkt auf das vierte Quartal 2020 hat Isenberg insgesamt 1.281 Entscheidungen ermittelt, die sich um 2.100 Domain-Namen drehten. In zwei Verfahren wurde um gleich 81 Domains gestritten, eingeleitet vom US-amerikanischen Lebensversicherungs- und Altersvorsorgeunternehmen John Hancock und dem Casino-Betreiber Dareos. UDRP-Verfahren um mehrere Domains bleiben aber vergleichsweise selten; in 86 Prozent der Verfahren wurde um nur eine Domain gestritten.
Für Markeninhaber bleibt das UDRP-Verfahren eine sichere Bank. In 93,98 Prozent der Verfahren im vierten Quartal 2020 lautete die Entscheidung des Panels auf Transfer, verloren gingen nur 4,99 Prozent der Verfahren. Beim Rest von 1,03 Prozent urteilte das Panel auf »cancellation« der Domain; auch diesen Antrag können Markeninhaber im UDRP-Verfahren stellen. Gestritten wurde in 1.634 Verfahren um .com-Domains; andere Domain-Endungen wie .net und .org spielten nur eine untergeordnete Rolle. Bei den nTLDs fielen .online, .xyz und .top mit einer hohen Anzahl an Streitigkeiten unangenehm auf, was allerdings wie bei .com mit der vergleichsweise hohen Zahl registrierter Domain-Namen korrespondiert. Bei den ccTLDs dominiert die kolumbianische Endung .co mit 35 Streitverfahren, was nicht von ungefähr kommt; die Ähnlichkeit mit .com zieht Cybersquatter schon seit vielen Jahren magisch an.
Als Grund für den Anstieg der Verfahren hat Isenberg vor allem die Corona-Pandemie ausgemacht, die Cybersquattern neue Möglichkeiten eröffnet hat. Vor allem die Begriffe »covid«, »coronavirus« und »vaccine« kamen verstärkt vor. Aber auch die Datenschutzgrundverordnung macht es Rechtsverletzern leichter, ihrem Handwerk nachzugehen, da die Daten des Domain-Inhabers nicht mehr binnen weniger Sekunden im WHOIS recherchiert werden können. Letztlich spiegelt die wachsende Zahl der Streitigkeiten auch die wachsende Anzahl an registrierten Domain-Namen wieder; allein .com legte 2020 um knapp 6,4 Mio. Domains zu. Schließlich könnte sich eine steigende Zahl von Markeninhabern dafür entschieden haben, überhaupt ein UDRP-Verfahren zu führen, und etwaige Rechtsverstöße nicht klaglos zu akzeptieren.