Der App-Hersteller Dr. Muscle hatte sich zwar die passende Domain drmuscleapp.com registriert, aber drmuscle.com vergessen. Die Domain registrierte sich zwei Jahre später ein Domain-Investor aus Nebraska. Dr. Muscle scheiterte jetzt beim Versuch, sich die Domain via UDRP-Verfahren zu verschaffen.
Die kanadische Dr. Muscle ist Entwicklerin und Vertreiberin einer iOS- und Adroid-App »Dr. Muscle«, die sie seit 2016 anbietet. Seit September 2016 ist sie Inhaberin der Domain drmuscleapp.com. Am 01. Dezember 2018 beantragte sie den Eintrag einer US-Marke »DRMUSCLE«, die im Mai 2019 wohl ohne Widerspruch eingetragen wird. Der Gegner ist Domain-Investor, der im Dezember 2018 die Domain drmuscle.com registrierte und sie unmittelbar im Internet zum Verkauf anbot, zunächst für US$ 4.995,–, sodann für US$ 9.995,–. Die Beschwerdeführerin sieht durch die registrierte Domain ihre Rechte verletzt und startete beim National Arbitration Forum (NAF) ein UDRP-Verfahren. Sie trug vor, die Domain sei mit ihrer Marke identisch, der Gegner unter dem Namen nicht bekannt und von ihr nicht legitimiert, den Begriff zu nutzen. Er nutzte die Domain nicht in Verbindung mit einem gutgläubigen Waren- oder Dienstleistungsangebot oder in einer legitimen, nicht-gewerblichen oder fairen Weise ohne Absicht zur Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils. Er habe die Domain nie aktiv genutzt. Schon der erhöhte Angebotspreis selbst sei ein Beweis für Böswilligkeit des Gegners, da der Preis willkürlich sei und die Registrierungskosten weit übersteige. Der Gegner, Michael Krell aus Nebraska (USA), sagte nichts gegen die noch nicht eingetragene Marke der Beschwerdeführerin und dagegen, dass Marke und Domain identisch seien. Hinsichtlich seiner Rechte an der Domain drmuscle.com erklärte er, er sei Vollzeit-Domain-Investor und der Handel mit Domains sei ein ordentliches Geschäft. Von der Beschwerdeführerin habe er vor dem UDRP-Verfahren noch nie gehört, weshalb er die Domain auch nicht böswillig erworben habe. Er legte Google-Suchergebnisse vor, die auf den Zeitpunkt, zu dem er die Domain registrierte, begrenzt sind und die belegten, dass er von der Beschwerdeführerin nichts wissen konnte. Außerdem seien »Dr« und »Muscle« ganz normale englische Begriffe, die zahlreiche Ergebnisse bei einer Google-Suche hervorbrächten. Die für die Domain angegebenen Preise beruhten auf Erfahrung: er habe ähnliche Domains zu gleichen Preisen an Dritte verkauft, etwa drfinance.com zu US$ 10.000,–. Weder habe er die Beschwerdeführerin noch einen Dritten wegen der Domain angesprochen, noch habe er unter der Domain irgendwelche Inhalte gehabt, die die Rechte der Beschwerdeführerin verletzen. Die Landing-Page zeige einfach nur, dass die Domain zum Verkauf stehe. Die Beschwerdeführerin entgegnete darauf, dass der Nachweis des Gegners hinsichtlich des Ergebnisses einer Google-Suche unbrauchbar sei, da die zeitlich eingegrenzte Suche im Ergebnis nur Webseiten anzeige, die in diesem Zeitraum neu hinzugekommen seien. Der Gegner ergänzte, dessen sei er sich nicht bewusst gewesen. Als Entscheider wurde der Rechtsanwalt David H. Bernstein berufen.
Bernstein erklärte, nach sorgfältiger Prüfung der Beweise und der Argumente der Parteien weise er die Beschwerde zurück, da die Beschwerdeführerin die Böswilligkeit des Gegners nicht belegt habe (NAF Claim Number: FA1903001833036). Die ersten beiden Elemente seien erfüllt. Zwar sei auf die Beschwerdeführerin noch keine Marke eingetragen, damit sei erst im Mai 2019 zu rechnen; aber die mobile Trainings-App mit der Bezeichnung Dr. Muscle sei bereits einige Zeit auf dem Markt und habe Markenrechte entwickelt. Der Gegner habe das Bestehen dieser Rechte nicht angefochten oder widerlegt. Hinsichtlich etwaiger eigener Rechte oder berechtigter Interessen habe der Gegner lediglich seine Vollzeittätigkeit als Domain-Investor ins Feld geführt. Doch auch wenn der Verkauf von beschreibenden Domain-Namen erlaubt sei, habe er doch nicht belegt, dass seine Domain drmuscle.com aus Wörterbuchbegriffen zusammengesetzt sei und „Dr“ und „Muscle“ zusammen nicht als Marke aufgefasst werden könnten. Bernstein räumte ein, man könne hier auch anderer Meinung sein, entschied aber, dass der Gegner den notwendigen Nachweis nicht erbracht habe.
Doch schließlich bei der Böswilligkeit ließ Bernstein die Beschwerde an der Beweislage scheitern. Das einzige Argument der Beschwerdeführerin sei, der Preis der Domain sei willkürlich und weit höher als die Registrierungskosten. Sie müsste jedoch belegen, dass der Gegner versuche, beim Verkauf der Domain Gewinn aus dem Wert der Marke und nicht aus dem Wert des beschreibenden Domain-Namens zu ziehen. Der Gegner habe gezeigt, dass ähnliche Domains zu ähnlichen Preisen gehandelt würden. Dem habe die Beschwerdeführerin nichts entgegengesetzt. Und auch wenn der Gegner keine Rechte am Domain-Namen habe nachweisen können, so finde er, Bernstein, durchaus, dass »Dr« und »Muscle« allgemeine Begriffe seien. Danach sei es glaubhaft, wenn der Gegner erklärt, die Domain wegen ihrer beschreibenden Qualität registriert zu haben und nicht wegen der Marke der Beschwerdeführerin. Immerhin lebt der Gegner in Nebraska, was auch dafür spreche, dass er nie von der in Montreal (Kanada) ansässigen Beschwerdeführerin gehört habe. Diese scheitere daran, dass sie dem nichts entgegengesetzt habe. Letztendlich sei es ihre Pflicht, nachzuweisen, dass der Gegner die Domain böswillig registriert und genutzt habe, und nicht umgekehrt Pflicht des Gegners, zu belegen, dass er das nicht hat. Obwohl unklar sei, ob der Gegner bei Registrierung der Domain Sorgfaltspflichten eingehalten hat, habe die Beschwerdeführerin keine Tatsachen vorgelegt, die belegen, dass der Gegner die Domain bösgläubig mit Blick auf die Beschwerdeführerin registriert hat. So oder so habe der Gegner die streitige Domain drmuscle.com nicht bösgläubig genutzt, da es keine Pay-per-Click-Werbung darauf gab und gibt, und der Gegner sie der Beschwerdeführerin nicht gezielt zum Kauf angeboten habe, während das allgemeine Verkaufsangebot der Domain keinen Hinweis auf eine Bösgläubigkeit hinsichtlich der Marke der Beschwerdeführerin biete. So wies Bernstein die UDRP-Beschwerde von Dr. Muscle ab und entschied darauf, dass die Domain drmuscle.com beim Gegner verbleibe.
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