In einer aktuellen UDRP-Entscheidung vor dem Forum (National Arbitration Forum – NAF) spricht Entscheider Jeffrey J. Neuman einige Standards des Verfahrens aus und verdeutlicht, weshalb komplexe Markenrechtsstreitigkeiten nicht von der UDRP (Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy) abgedeckt sind.
Die Beschwerdeführerin ist Swisher International Inc., ein internationales Zigarrenunternehmen, das 1861 gegründet wurde und ein führender Anbieter von Zigarren und anderen Tabakwaren ist. Die Beschwerdeführerin hat Markenrechte an der Marke „HEMPIRE“ in Verbindung mit Zigarettenpapier und Zigarettenrollpapier durch ihre Registrierung beim US-Markenamt am 07. September 2010. Die Markenregistrierung weist als Datum der ersten Benutzung im Handel den 31. Oktober 2005 auf. Der Gegner ist der alleinige Inhaber der 2017 gegründeten Hanf-Boutique »Hempire LLC«, die ursprünglich als CBD-(Cannabidiol)-Einzelhandelsgeschäft mit Ladengeschäften an mehreren Orten in zwei US-Staaten betrieben wurde, aber während der COVID-19-Pandemie ihr Geschäft hauptsächlich online verlagerte. Seine Präsenz hat der Gegner unter der Domain teamhempire.com, die er am 31. Dezember 2017 registrierte. Der Gegner meint, die Markenrechte der Beschwerdeführerin an dem generischen Begriff »HEMPIRE« erstreckten sich nur auf die Verwendung im Zusammenhang mit »Rolling Papers« und nicht auf die von ihm angebotenen Produkte, einschließlich CBD-Produkte, Öle und Cremes, die Hanf oder Hanfextrakt enthalten. Außerdem meint er, die Beschwerdeführerin käme mit der Beschwerde zu spät; sie habe ihre Rechte wegen Zeitablaufs verwirkt (»laches«). Die Beschwerdeführerin sieht in dem Angebot des Gegners »verwandte Produkte«, die eine Verwechslungsgefahr im Sinne des Markenrechts begründeten. Die Beschwerdeführerin behauptet zudem, der Gegner habe die bekannte Marke der Beschwerdeführerin gekannt oder hätte sie kennen müssen. Sie ist der Ansicht, der Gegner sei verpflichtet gewesen, vor Registrierung der Domain eine Markensuche durchzuführen. Sie verwies auf mehrere erfolgreiche UDRP-Verfahren, die sie bereits geführt habe und die zu ihren Gunsten entschieden worden seien. Die Sachlage liege hier genauso wie in den genannten Entscheidungen. Als Entscheider in der Sache kam der Jurist Jeffrey J. Neuman zum Zuge, der diesen Oktober zum Verbindungsmann der Generic Names Supporting Organization (GNSO) für die Operational Design Phase (ODP) bei der Einführung der nächsten Runden von neuen gTLDs ernannt wurde.
Neuman wies die Beschwerde von Swisher International zurück und berief sich darauf, dass Fragen hinsichtlich der Markenrechte zu komplex seien für die UDRP (NAF Claim Number: FA2110001969097). Allerdings schaute sich Neuman einige Punkte genauer an. So prüfte er die Frage der Verwirkung (»laches«) und verwies auf den allgemeinen Konsens der WIPO-Panels, dass »laches« weder der Erhebung einer Beschwerde entgegenstehen, noch die Möglichkeit, in der Sache zu obsiegen, ausschließen sollten. Allerdings könne eine lange Verzögerung als Faktor bei der Bewertung der vom Gegner behaupteten, gutgläubigen Nutzung der Domain von Gewicht sein, sofern er nachweisen kann, dass er sich auf eine Nichtgeltendmachung von Ansprüchen verlassen hat. Auf diesen Punkt komme er später zurück, erklärte Neuman, und stieg in die eigentliche Prüfung ein. Hier bestätigte Neuman zunächst die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass Domain und Marke sich zum Verwechseln ähnlich sind. Die Frage, ob der Gegner mit seinen Produkten überhaupt mit denen vom Markenschutz Umfassten konkurriere, sprach nicht gegen die Verwechslungsgefahr. Dass der Gegner seine Produkte lediglich in zwei US-Staaten anbietet und dass seine Website nicht auf eine Zusammenarbeit mit der Beschwerdeführerin schließen lasse, ändere auch nichts an der Verwechslungsfahr. Also widmete er sich den folgenden Elementen der UDRP und prüfte die Frage eines Rechts beziehungsweise eines berechtigten Interesses an der Nutzung der Domain teamhempire.com sowie der Bösgläubigkeit des Gegners in einem Abschnitt. Hier prüfte Neuman die von der Beschwerdeführerin angesprochenen, früheren UDRP-Entscheidungen und stellte dabei fest, dass all diese Fälle anders gelagert seien, weil die Gegner dieser Beschwerden im Verfahren nicht Stellung bezogen haben. Hingegen habe sich hier der Gegner gemeldet, wie auch in einem anderen, von der Beschwerdeführerin nicht genannten Fall, mit dem dieser vergleichbar sei. In diesem anderen Fall habe der Entscheider Steven M. Levy geschlossen, dass die Beschwerde die Möglichkeiten der UDRP überschreite, weshalb er sie abgewiesen habe (NAF Claim Number: FA 2106001952939). An dieser Entscheidung orientierte sich Neuman und schaute sich die Marke »HEMPIRE« der Beschwerdeführerin an, die lediglich für Zigarettenpapier und -rolls eingetragen ist. Weitere, von der Beschwerdeführerin beantragte und teilweise suspendierte Marken ergaben auch keinen Hinweis auf Überschneidung des jeweiligen Schutzes mit den Waren, die der Gegner vertreibt. Davon abgesehen wurde ein Erfordernis für Registranten, Markenrecherchen durchzuführen, von den Verfassern der UDRP ausdrücklich abgelehnt. Obwohl es einige Fälle gäbe, in denen Panelisten ein gewisses Maß an Sorgfalt von professionellen Domain-Investoren vor der Registrierung einer Domain verlangt haben, gäbe es hier keinen Hinweis darauf, dass der Gegner ein solcher professioneller Domain-Investor ist. Der Gegner habe darin Genüge getan, dass er vor der Firmengründung 2017 zunächst bei den zuständigen Behörden von Massachusetts prüfte, ob er den Unternehmensnamen »Hempire« eintragen lassen könne, ohne dass es zu einer Verwechslung mit einem anderen Unternehmen kommen könne.
Neuman resümiert, es gäbe eine Reihe von strittigen Tatsachen in diesem Fall, die komplexe rechtliche Fragen beinhalten. Die Klärung dieser Fragen würde eine vollständige Beweisaufnahme, die Möglichkeit zur Vorlage von Zeugen und Sachverständigengutachten sowie ein Kreuzverhör dieser Zeugen und Sachverständigen erfordern. Die in diesem Streitfall aufgeworfenen Beweis- und Rechtsfragen sowie andere Fragen seien für den sehr engen Anwendungsbereich der Richtlinie nicht geeignet und sollten am besten vor einem Gericht mit solideren Beweisinstrumenten behandelt werden. Auf Grundlage dieser Einschätzung stellte Neuman fest, dass die Beschwerdeführerin die drei erforderlichen Elemente der UDRP nicht erfüllt habe, weshalb er die Beschwerde abwies.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.