Zwei unterschiedliche Panelisten des NAF (National Arbitration Forum) schätzten die Sach- und Rechtslage zweier nahezu identischen Domains, rocketpay.com und rocketpays.com, unterschiedlich ein. Beide Entscheidungen sind nicht zufriedenstellend.
Die Rocketgate PR LLC hatte am 27. Oktober 2014 die Wortmarke »ROCKETPAY« beim US-amerikanischen Marken- und Patentamt angemeldet. Nachdem die Marke am 19. Januar 2016 eingetragen wurde, startete sie zwei UDRP-Verfahren gegen die jeweiligen Inhaber der Domains rocketpay.com und rocketpays.com. In einem Verfahren war sie erfolgreich, das andere verlor die Beschwerdeführerin.
Im Streit um die Domain rocketpay.com meldete sich der Domain-Inhaber zu Wort und teilte mit, dass er bereits seit 2002, also zwölf Jahre, bevor die Beschwerdeführerin die Marke »ROCKETPAY« beantragte, die Domain registriert hatte. Er wolle daraus ein Zahlungstransferangebot gestalten, ähnlich Paypal. Er sah in dem UDRP-Verfahren ein Reverse Domain Name Hijacking. Die Panelistin Nathalie Dreyfus wies den Antrag der Beschwerdeführerin zurück, da die Domain lange vor Beantragung und Eintragung der Marke registriert worden sei und keine Anzeichen vorliegen, dass der Beschwerdegegner die Domain unberechtigter Weise oder zu illegitimen Zwecken registriert hat (NAF Claim Number: FA1602001662354). Ein Reverse Domain Name Hijacking vermochte Dreyfus jedoch nicht festzustellen: dazu habe der Beschwerdegegner nicht ausreichend vorgetragen.
Das zweite Verfahren richtete sich gegen den Inhaber der Adresse rocketpays.com. Der meldete sich nicht zum Verfahren. Panelist Neil Anthony Brown QC gab in diesem Fall daraufhin der Beschwerde statt (NAF Claim Number: FA1602001662361). Aus seiner Sicht sind Marke und Domain, trotz des angehängten »s« und der Endung ».com« zum Verwechseln ähnlich. Der Domain-Inhaber sei nicht berechtigt und habe kein berechtigtes Interesse an der Domain. Dies ergebe sich – unter anderem – daraus, dass er die Marke mit angehängtem »s« für seine Domain nutze. Den Domain-Namen habe er am 09. Oktober 2014 registriert, nur ein paar Tage, nachdem die Beschwerdeführerin erstmals den Begriff »Rocketpay« nutzte und die Marke angemeldet hatte. Zudem löse die Domain auf keine aktive Webseite auf, der Inhaber der Domain, Daniel Chaves, ist nicht als rocketpays.com bekannt und bietet kein solides Angebot unter der Domain. Zuletzt ging Neil Anthony Brown auch davon aus, dass der Beschwerdegegner die Domain bösgläubig registrierte und nutzt, auch wenn die Beschwerdeführerin dazu lediglich ausführte, die Webseite unter rocketpays .com weise auf eine inaktive Holding. Irgendwelche Nachweise für die Inaktivität des Betreibers der Seite legte die Beschwerdeführerin nicht vor, aber Neil Anthony Brown meint, dass die Behauptung eher zutrifft als falsch ist. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin erklärte, sie habe den Begriff »Rocketpay« einige Tage bevor der Gegner die Domain registrierte erstmals genutzt, kam hier nochmals zur Sprache. Brown konstatierte, zwar gab die Beschwerdeführerin keinen Nachweis dafür, den Begriff kurz vor dem Registrierungsdatum der Domain genutzt zu haben, aber die zeitliche Nähe könne kein Zufall sein. Letztlich gab Brown der Beschwerde statt und entschied auf Transfer der Domain zur Beschwerdeführerin.
Die beiden Entscheidung sind im Gespräch, da bei sehr ähnlichen Domains entgegengesetzte Entscheidungen zustandekommen. Das belegt zunächst, dass die Panelisten frei in ihren Entscheidungen sind. Doch das beantwortet nicht die Fragen, die sich hier stellen. Panelist Neil Anthony Brown macht hier ganz den Eindruck, als habe er eine vorgefertigte Meinung: Der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Sachverhalt ist ganz offensichtlich unzureichend. Brown bekundet das mehrfach. Gleichwohl gibt er dem Ansinnen der Beschwerdeführerin nach. Besonders auffällig ist, dass in der Sachverhaltsdarstellung Brown lediglich den Tag, an dem die Marke 2016 beim US-Patent- und Markenamt eingetragen wurde, nennt und ansonsten erklärt, die Domain sei am 09. Oktober 2014, kurz nach erstmaliger Nutzung des Begriffs »Rocketpay« und Beantragung der Marke, registriert worden. Im Parallelverfahren steht im Sachverhalt allerdings, die Marke sei am 27. Oktober 2014 beantragt worden: also 18 Tage nach Registrierung von rocketpays.com. Das stimmt mit den Daten im US-Patent- und Markenamt überein. Die Entscheidung von Neil Anthony Brown beruht also auf falschen Tatsachen. Einen Entscheider wie ihn möchte man als Domain-Inhaber nicht haben. Aber auch die Entscheidung von Natalie Dreyfus hätte anders ausgehen können: Sie hätte das Reverse Domain Name Hijacking bestätigen können, denn es wäre in diesem Fall durchaus vertretbar, auch wenn der Beschwerdegegner nicht weiter dazu vorträgt: UDRP-Panels können von sich aus die Prüfung und entsprechende Entscheidung vornehmen. Hier scheint sie uns angebracht gewesen zu sein.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.