Gegner schweigt

Panelist entscheidet im UDRP-Verfahren um innoviti.com.co auf RDNH

Eine UDRP-Entscheidung besonderer Güte liefert Panelist Nick J. Gardner im Streit um die kolumbianische Domain innoviti.com.co: Obwohl der Gegner sich nicht meldete, wies Gardner die Beschwerde ab und entschied auf Reverse Domain Name Hijacking (RDNH).

Beschwerdeführerin ist die 2002 gegründete indische Innoviti Technologies Private Limited. Sie ist im Bereich Finanzwirtschaft tätig und in Indien im Bereich Zahlungstechnologieprodukte prominent auf dem Markt vertreten. Sie betreibt seit 2002 die Domain innoviti.com und ist Inhaberin mehrerer indischer Marken »Innoviti«. Im Verfahren trägt sie unter anderem vor, der Gegner betreibe keine nennenswerten Geschäfte unter dem Namen und der Marke »INNOVITI«, die eine Registrierung der Domain in seinem Namen rechtfertigen würden. Gegnerin ist Richard Cardenas, INNOVITI S.A.S., ein Technologieunternehmen aus Kolumbien. Es meldete sich nicht zum Verfahren.

Der britische Jurist Nick J. Gardner wurde als Panel eingesetzt. Er wies die Beschwerde ab und stellte zudem ein RDNH fest (WIPO Case No. DCO2023-0108). Gardner erklärte vorab, dass, nur weil die Gegnerin sich in der Sache nicht gemeldet hat, nicht selbstverständlich eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin ergehe. Dann prüfte er die Ähnlichkeit von streitiger Domain und Marke, deren Verwechselungsgefahr er bestätigte. Hinsichtlich eines Rechts oder berechtigten Interesses der Gegnerin an der Domain schaute sich Gardner die Sache genauer an. Er machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Website der Gegnerin zu prüfen und stellte fest, dass die Gegnerin eine ordentliche, in Spanisch gehaltene Website betreibt, auf der sie Cloud-Dienste anbietet, und Standorte in Bogota und Medellin unterhalte. Sie verweise auf zehn Jahre Erfahrung in ihrem Geschäft. Nach Gardners Einschätzung wurde die Domain innoviti.com.co 2013 registriert und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, erst 2019. Unter diesen Umständen seien die Anforderungen des 2. Elements der UDRP seitens der Beschwerdeführerin nicht erfüllt.

Gardner prüfte weiter die Bösgläubigkeit der Gegnerin. Er meint, es bestehe keine Schwierigkeit zu akzeptieren, dass die Beschwerdeführerin ein großes, erfolgreiches und bekanntes Unternehmen ist. Doch lägen keine Belege vor, wonach die Beschwerdeführerin außerhalb Indiens tätig oder bekannt ist. Nichts deute darauf hin, dass die Gegnerin in Kolumbien die Beschwerdeführerin gekannt habe. Es sehe danach aus, als habe diese festgestellt, die Domain innoviti.com ist bereits vergeben, weshalb sie sich für innoviti.com.co entschied. Ob sie vorher eine Internetsuche vorgenommen habe, lasse sich nicht sagen. Aber selbst wenn, sie hätte keine Hinweise darauf gefunden, dass die Beschwerdeführerin außerhalb Indiens tätig ist. Es sehe so aus, als betreibe die Gegnerin ihr Geschäft seit zehn Jahren unter der Domain. Die Wahl der Domain sieht für Gardner wie ein Zufall aus. Er konnte keine Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain innoviti.com.co feststellen. Die Beschwerdeführerin hatte so die Voraussetzungen des 2. und 3. Elements der UDRP nicht erfüllt, und Gardner wies die Beschwerde ab.

Aber Gardner ging weiter und prüfte von sich aus, ob ein Fall von Missbrauch des UDRP-Verfahrens seitens der Beschwerdeführerin vorlag, indem diese das Verfahren nutzte, um unberechtigt einem anderen seine Domain zu nehmen (RDNH). Die Beschwerdeführerin hatte mit Einreichung der Beschwerde nach bestem Wissen und Gewissen bestätigt, dass die enthaltenen Informationen vollständig und richtig sind, dass die Beschwerde nicht zu einem unangemessenen Zweck eingereicht wird (z.B. um zu schikanieren), und dass die Behauptungen in ihrer Beschwerde nach den Regeln und nach dem geltenden Recht gerechtfertigt sind. Für Gardner war es ein Rätsel, wie die Beschwerdeführerin diese Erklärung guten Gewissens hat abgegeben können. Sie habe kein Sterbenswörtchen über die Website der Gegnerin mitgeteilt, etwa in Form von Screenshots. Stattdessen trug sie vor, die Gegnerin nutze die Domain nicht für ein ordentliches Angebot von Waren oder Dienstleistungen und man gewinne den unmissverständlichen Eindruck, die Domain habe mit der Beschwerdeführerin und ihren Dienstleistungen zu tun. Für Gardner leiten diese Angaben der Beschwerdeführerin im höchsten Maße fehl angesichts dessen, dass die Gegnerin unter der Domain ein ordentliches Geschäft führt. Die Beschwerdeführerin schwinge sich zudem auf zu behaupten, nach ihrem Wissen betreibe die Gegnerin kein solides Geschäft unter der Marke »Innoviti«, was äußerst irreführend, im schlimmsten Falle eine Lüge sei. Gardner hatte den Eindruck, dass die Beschwerdeführerin eigentlich wüsste, dass die Gegnerin unter der Domain innoviti.com.co ein ordentliches Geschäft führt, das aber dem Panel verschweigen wollte. Ein Panel sollte – so Gardner – in der Lage sein, sich auf die Erklärung in der Beschwerde zu verlassen, und bedauert, dass die Beschwerdeführerin offenbar versucht, es in die Irre zu führen. Die einzige Sanktion, die ihm zur Verfügung stehe, sei die Feststellung eines Reverse Domain Name Hijacking, und das tue er hiermit.

Damit wies Gardner die Beschwerde ab und stellte ein RDNH fest. Das war am 30.01.2024. Für den 05.02.2024 zeigt das Internetarchiv archive.org noch die von Gardner beschriebene Website. Jetzt aber findet sich unter der Domain eine GoDaddy-Parkingsite. Es lässt sich nicht sagen, was das zu bedeuten hat.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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