OLG München

Die Domain-Endung entscheidet über Zuständigkeit eines Gerichts

Mit der komplizierten Frage der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts musste sich das OLG München in einer aktuellen Entscheidung befassen. Der verwendeten Top Level Domain kann demnach eine maßgebliche Rolle zukommen.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus Anwaltshaftung. Der Kläger verlangte von den Beklagten, zwei in der Schweiz ansässigen Rechtsanwälten und einer Rechtsanwalts-AG mit Sitz ebenfalls in der Schweiz, vor dem Landgericht München I Schadensersatz wegen ihrer Tätigkeit im Rahmen des Nachlassverfahrens der insolventen MWB AG. Mit der MWB AG hatte der Kläger einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen. In einem ersten Rechtsstreit behauptete der Kläger, die MWB AG habe sein Vermögen nicht ordnungsgemäß verwaltet, und erstritt daraufhin vor dem Landgericht München I gegen diese, deren Direktor Michael E. und deren Verwaltungsratspräsidenten Karl F. ein weitgehend obsiegendes Urteil. In der Berufungsinstanz hob aber das Oberlandesgericht München dieses Urteil hinsichtlich der Beklagten Michael E. und Karl F. auf, weil insoweit etwaige Schadensersatzansprüche gemäß Art. 303 des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs erloschen seien. Der Kläger macht daher in einem zweiten Prozess wiederum vor dem Landgericht München I und nunmehr gegenüber seinen Anwälten geltend, dies beruhe auf einem Fehler der Beklagten, weil sie nicht ordnungsgemäß die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hätten, woraus ihm ein Schaden entstanden sei. Mit dieser zweiten Klage blieb der Kläger vor dem Landgericht erfolglos; das Gericht wies die Klage als unzulässig ab, weil es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehle. Daraufhin zog der Kläger in Berufung, so dass das OLG München erneut entscheiden musste.

Dieses Mal hatte der Kläger in der Berufungsinstanz Erfolg: in einem Zwischenurteil bejahte das Oberlandesgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (Zwischenurteil vom 16.03.2016,– Az. 15 U 2341/15). Demnach bestimmt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Zivilsachen im Verhältnis zur Schweiz nach dem Lugano-Übereinkommen (LugÜ). Gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, 16 Abs. 1 Alt. 2 LuGÜ kann ein Verbraucher vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, gegen den anderen Vertragspartner klagen, wenn Gegenstand des Verfahrens Ansprüche aus einem Vertrag sind, der in den Bereich einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, die der andere Vertragspartner auf irgendeinem Weg auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausgerichtet hat. Der Streit entzündete sich dabei am Merkmal des »Ausrichtens«. Nach Ansicht des OLG richtet eine in der Schweiz ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft ihre berufliche Tätigkeit auf mehrere Staaten einschließlich Deutschlands aus, wenn ihre in deutscher und englischer Sprache gehaltene Webseite eine andere Top Level Domain (im Streitfall .com) als die länderspezifische Top Level Domain der Schweiz (.ch) aufweist. Bestimmte technische Merkmale des Internetauftritts stellen demnach Indizien für eine internationale Ausrichtung der Tätigkeit dar. Im Streitfall kam ausserdem hinzu, dass die auf der Website der Beklagten genannte Telefonnummer mit internationaler Vorwahl sowie die ebenfalls dort genannte Postadresse mit dem vorangestellten Länderkürzel „CH“ angegeben und die auf der Website dargestellten anwaltlichen Leistungen mit internationalem Charakter auch für ausländische Mandanten (einschließlich solcher aus Deutschland) angeboten wurden. Hätten sich die Beklagten hingegen ausschließlich unter der Schweizer Landesendung .ch präsentiert, wäre dies ein Indiz dafür gewesen, dass sie ihre Tätigkeit nur auf die Schweiz ausrichten. Ferner entschied das Oberlandesgericht, dass eine Kausalität zwischen dem Ausrichten der Website und dem Abschluss des Rechtsanwaltsvertrages nicht notwendig ist, um den Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers nach Art. 16 I LugÜ zu begründen.

Ob das Urteil des Oberlandesgerichts München letztlich Bestand hat, muss man abwarten; die Revision zum Bundesgerichtshof wurde ausdrücklich zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Frage, ob bei der Anwendung des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ der Vertragsschluss des Verbrauchers von der Ausrichtung der Tätigkeit des anderen Vertragspartners zumindest motiviert sein muss, hat das OLG unter anderem Zweifel daran, ob die bisherige Rechtsprechung des BGH mit der neueren Rechtsprechung des EuGH in Einklang zu bringen ist. Es ist also gut möglich, dass der Rechtsstreit allein wegen der Klärung der Zuständigkeit noch geraume Zeit andauern wird, bevor sich das Landgericht München I wieder mit der eigentlichen Frage zu beschäftigen hat – ob die Beklagten tatsächlich einen Fehler begangen und ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt haben.

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