OLG Frankfurt/Main

Dank registrierter Geschhäfts-Domain vom Verbraucher zum Unternehmer

Wer eine Domain registriert, kann vom Verbraucher rasch zum Unternehmer werden und damit eine besonders geschützte Rechtsposition verlieren. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.06.2023 – Az. 4 W 13/23) festgestellt.

Die Beschwerdeführerin ist eine Rechtsanwaltsfachangestellte, die sich mit dem Vertrieb bedruckter Kissenbezüge eine berufliche Existenz aufbauen wollte. Motive sollten Bilder der Mitglieder der südkoreanischen »Boyband« BTS sein. Die Bezüge sollten die Kunden dann über Pappaufsteller streifen können. Die Beschwerdeführerin beauftragte in diesem Zusammenhang im November 2021 die Beschwerdegegnerin, ein auf das Bedrucken von Textilien spezialisiertes Unternehmen. Ob diese bereits frühzeitig darauf hinwies, dass die Beschwerdeführerin über die Urheberrechte an den von ihr verwendeten Bildern verfügen müsse, ist zwischen den Parteien streitig. Unter anderem für Vorkosten der Auftragsproduktion zahlte die Beschwerdeführerin insgesamt EUR 11.114,60 an die Beschwerdegegnerin. Dabei beglich sie zwei Rechnungen über zusammen EUR 3.082,10 in voller Höhe und eine weitere Rechnung mit EUR 8.032,50 als Abschlagszahlung zur Hälfte. Am 16. März 2022 wandte sich die Beschwerdegegnerin per eMail an die Beschwerdeführerin und forderte sie auf, sicherzustellen, dass durch die ausgewählten Bilder, die auf die Bezüge gedruckt werden sollten, keine Urheberrechte verletzt werden. Die Beschwerdeführerin kündigte daraufhin am 10. Mai 2022 den Vertrag und forderte von der Beschwerdegegnerin die Rückzahlung der bereits erbrachten Leistungen in Höhe von EUR 11.114,60. Die Beschwerdegegnerin antwortete, »die Konfektion und den Sublimation Druck« werde sie nicht mehr berechnen. Weil aber bereits das Material – für welches ansonsten keine Verwendung bestehe – bestellt worden sei, ergebe sich trotz der bereits geleisteten Abschlagszahlung kein Rückzahlungsanspruch. Das wollte die Beschwerdeführerin nicht akzeptieren und begehrte Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren. Im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe stützte sie ihren Anspruch nicht allein auf die Kündigung, sondern machte zusätzlich geltend, dass sie die Beschwerdegegnerin darüber hätte aufklären müssen, dass das Bedrucken der Bezüge mit Bildern der Boyband abhängig von der Zustimmung des Urhebers der Bilder sei; der Beschwerdegegnerin sei bekannt gewesen, dass die Beschwerdeführerin nur mit heruntergeladenen Bildern aus dem Internet arbeite. Sie sei arglistig getäuscht worden und daher zur Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB berechtigt.

Mit diesem Antrag blieb die Beschwerdeführerin vor dem LG Limburg (Beschluss vom 09.03.2023 – Az. 1 O 458/22) ohne Erfolg, weshalb sie ihr Glück vor dem OLG Frankfurt am Main suchte. Dort hatte sie teilweise Erfolg. Ein Recht der Beschwerdeführerin, sich wegen einer angeblichen Täuschung durch Anfechtung vom Vertrag zu lösen, verneinte das OLG allerdings ebenfalls. Die Beschwerdeführerin habe als Rechtsanwaltsfachangestellte jedenfalls ein gewisses Grundverständnis für die Rechtsordnung. Zudem wäre sie Existenzgründerin. Sie wollte sich mit dem Geschäft eine berufliche Existenz aufbauen, hatte dafür bereits Darlehen aufgenommen, sich eine Domain gesichert sowie Vorbereitungen für den Aufbau eines Webshops getroffen. Damit handelte sie gegenüber der Beschwerdegegnerin nicht mehr als Verbraucherin, sondern als Unternehmerin. Vor diesem Hintergrund habe kein Anlass bestanden, die Beschwerdeführerin wie eine Verbraucherin besonders (vor ihren eigenen Entscheidungen) zu schützen. Der Umstand, dass man nicht ohne jede Rücksicht auf fremde Urheberrechte Bilder aus dem Internet herunterladen und dann selbst kommerziell verwerten darf, gehöre zum Allgemeinwissen nicht nur von rechtskundigen Personen, sondern auch der breiten Bevölkerung. Jedenfalls davon, dass die Beschwerdeführerin als Rechtsanwaltsfachangestellte und Unternehmerin insoweit kundig war, durfte die Beschwerdegegnerin ausgehen und musste daher kein Wissensgefälle erkennen. Gnädiger war das Oberlandesgericht allerdings im Hinblick auf die Kündigung; hier bejahte der Senat ein Recht aus § 648 Satz 2 BGB, auf dessen Grundlage die hälftig beglichene Rechnung über EUR 8.032,50 erstellt wurde. Zwar könne die Beschwerdegegnerin die vereinbarte Vergütung verlangen, müsse sich aber Ersparnisse durch die Aufhebung des Vertrags anrechnen lassen. Insoweit sei sie jedenfalls bisher ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Je nach dem weiteren Vorbringen der Parteien bleibe daher die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführerin ersparte Aufwendungen bis hin zur Höhe der Abschlagszahlung zu erstatten sind. Wer letztlich obsiegt, sei offen; eine »gewisse« Erfolgswahrscheinlichkeit genüge für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Das OLG Frankfurt am Main knüpft damit an die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 24.02.2005 – Az. III ZB 36/04) an, der Existenzgründer dann als Unternehmer ansieht, wenn ein Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen wird. Auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung kommt es dafür nicht an. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten – dann Verbraucherhandeln – oder dem gewerblich-beruflichen Bereich – dann Unternehmertum – zuzuordnen ist. Die vorbereitende Registrierung einer Domain kann dabei dazu beitragen, ein Handeln im gewerblich-beruflichen Bereich zu bejahen.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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