Höchstrichterliche Klarheit im Domainrecht

Bundesverfassungsgericht entscheidet im Streit um Unternehmenskennzeichen und Domains – Gang zu europäischen Gerichten angekündigt

Das Bundesverfassungsgericht hat im Streit um die Domain „ad-acta.de“ beschlossen: Der Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung hat Anspruch auf die gleich lautende „.de“-Domain. Das ist erst einmal nichts Neues, denn damit haben die Verfassungsrichter an den zivilgerichtlichen Entscheidungen nicht gerüttelt. Doch trotz der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts, will Rechtsanwalt Boris Hoeller diesen Fall noch nicht zu den Akten legen.

Gestritten wurde um ein Thema, das so alt ist, wie das Internet selbst. Während im Markenrecht für verschiedene Waren- oder Dienstleistungen beispielsweise gleiche Kennzeichen nebeneinander bestehen können, gibt es Domain-Namen zu einer Top-Level-Domain nur einmal. Ausgelöst durch die knappen Ressourcen, waren Streitigkeiten vorprogrammiert. Vor allem aus dem Namens-, Wettbewerbs- und Markenrecht werden Rechte an der Domain hergeleitet. Bei gleichen Rechten gilt das Prioritätsprinzip, was auch vom Bundesgerichtshof immer wieder bestätigt wurde.

Und jetzt gibt es ein bisschen höchstrichterliche Klarheit. Die aktuelle Entscheidung hat der Kaarster Kaufmann Udo Päffgen, früherer Besitzer der Domain „ad-acta.de“, herbeigeführt. Er hatte bereits in allen Instanzen bis zum Bundesgerichtshof (BGH) in gleicher Sache verloren und war zur Herausgabe der Domain an die „ad-acta Datenschutz & Recycling GmbH“, die derzeit die umstrittene Domain nutzt, verurteilt worden. Gegen dieses zivilrechtlich letztinstanzliche BGH-Urteil aus dem Jahr 2002 hatte Päffgen eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, die jetzt abgewiesen wurde. Er argumentierte mit einem unzulässigen Eingriff in sein Eigentumsrecht aus Art 14 GG, denn auch der so genannte Besitzstand an seiner Internetadresse sei von dem Grundrecht umfasst.

Angemeldet hatte er die umstrittene Website bereits im April 1997 mit dem Ziel, sie später in einem „Internet-Führer“ aufzulisten. Insgesamt hatte der Kaufmann etwa 4.000 Domains bei der denic, der zentralen Vergabestelle für „.de“-Domains, registriert. Eine Homepage war bis zum Jahr 2000 unter der Adresse nicht geschaltet.

Das Gericht ging davon aus, dass für Kennzeicheninhaber aus dem Eigentumsrecht ein Schutz für die gleichlautende „.de-Domain“ folgen kann. Die Bestimmungen für Unternehmenskennzeichen seien verfassungsrechtlich unbedenklich. Auslegung und Anwendung des Markenrechts sei jedoch Sache der Zivilgerichte und hier nicht zu beanstanden. Die Folge: Aus dem Unternehmensnamen kann also weiterhin – je nach markenrechtlicher Beurteilung – der Anspruch zur Übertragung einer Domain hergeleitet werden. Mit der in dem Fall bedeutsamen markenrechtlich en Argumentation zur Verwechslungsgefahr der Zivilgerichte haben sich die Verfassungsrichter nicht auseinander gesetzt .

Zudem ist jetzt klar, dass eine Webadresse eine eigentumsähnliche Position, also ein Vermögenswert gemäß Art. 14 Grundgesetz (GG), dem Grundrecht auf Eigentumsfreiheit, ist. Gegen die zivilgerichtliche Praxis von Löschungsklagen – unberechtigte Domaininhaber werden in einem Streit um Domainnamen verurteilt, in die Löschung bei der Denic, der zentralen Vergabestelle für „.de-Domains“, einzuwilligen – hatten die Verfassungsrichter keine Bedenken.

„Diese Entscheidung ist unanfechtbar.“ So lautet der letzte Satz in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Rechtsanwalt Hoeller hierzu: „Wir werden den Weg bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.“ Ihm fehle eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne. Das gewerbliche Eigentum sei von der Menschenrechtscharta geschützt. Zudem prophezeit er kritische Stimmen zu der Entscheidung.

Karsten Prehm, Markenspezialist und Rechtsanwalt, schätzt die Erfolgsaussichten des Falles als gering ein. „Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich eine verfassungskonforme Auslegung vorgenommen. Dabei bildet das EU-harmonisierte Markengesetz die Schranke des Eigentums. Zwar werden hier die Eigentums- und Besitzstandsrechte der Markeninhaber geschützt, doch die Ausübung von Eigentumsrechten ist natürlich nur insoweit erlaubt, wie seine Schutzrechtsschranken gehen.“ Im übrigen sei die zu entscheidende Rechtsfrage dem BGH seinerzeit wohl keine Vorlageanfrage zum EuGH wert gewesen. Hierfür sei ein vernünftiger rechtlicher und auslegungsbedürftiger Gesichtspunkt seiner Meinung nach nicht zu erkennen.

Doch was ist eigentlich mit der Domain „adacta.de“? Auf der Website findet sich folgender Hinweis: „Für adacta.de nehmen wir gemäss §5 Abs. 3 Markengesetz Titelschutz in Anspruch für einen redaktionellen Online Begriffsbedeutungs- und Verzeichnisdienst und das Sammeln und Liefern von Informationen hierzu. Von Kaufanfragen für unsere Domains bitten wir abzusehen, da wir diese nach und nach als eigenständige Portale aktivieren werden.“ Inhaber der Domain: Udo Päffgen aus Kaarst.

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