Grundlagen 6: Deliktische Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog

Bei Domain-Rechtsstreiten werden in der Regel Ansprüche aus dem Namensrecht (§ 12 BGB), dem Markenrecht, soweit eine Marken oder Geschäftsbezeichnungen verletzt werden (§§ 14 und 15 MarkenG), und aus dem Wettbewerbsrecht (§§ 1 und 3 UWG) geltend gemacht. Hin und wieder, insbesondere wenn die genannten Anspruchsgrundlagen nicht greifen, weichen einzelne Gerichte auf andere, allgemeine Anspruchsgrundlagen aus, die allerdings speziell genutzt werden.

Zu diesen zählt der Anspruch aus Deliktsrecht nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog. Diese Anspruchsgrundlage ist allein berühmten Marken vorbehalten. Es ist kein markenrechtlicher Anspruch, da er nicht im MarkenG verankert ist, sondern ein normaler Zivilrechtsanspruch, den die Rechtsprechung mehr oder weniger auf Grund einer Regelungslücke entwickelt hat. Nach Ansicht einiger Gerichte soll der Schutz eingreifen, wenn Ansprüche aus dem MarkenG versagen, d. h. er ist subsidiär. Andere beziehen sich auf § 2 MarkenG und gehen von einer bestehenden sogenannten Anspruchskonkurrenz aus, d. h. auch bei vorliegenden Markenrechtsanspruch kann der deliktische Anspruch der §§ 823, 1004 BGB analog greifen.

Der Anspruch richtet sich im Rahmen des Domain-Rechts gegen den Domain-Inhaber, der im Domain-Namen das Zeichen einer berühmten Marke nutzt. Wann eine Marke berühmt ist, ist nirgendwo geregelt. Genauso wenig übrigens wie die Bekanntheit einer Marke, ein Begriff des Markenrechts. Beide Begriffe sind tunlichst auseinander zu halten, da sie in unterschiedlichen Kontexten benutzt werden. Nochmals etwas anderes ist die notorisch bekannte Marke, die in u.a. §§ 4 und 10 MarkenG auftaucht und also auch ein Begriff des MarkenG ist. Die Bekannte Marke begegnet in § 14 MarkenG, wo sie aber nicht erklärt wird. Wann eine Marke bekannt oder sogar berühmt ist, hat die Rechtsprechung entwickelt. Informationen zur bekannten Marken finden Sie in einem früheren Artikel.

Die berühmte Marke
Der Begriff „berühmte Marke“ taucht in keiner Rechtsnorm auf. Der Begriff und der Schutz von berühmten Marken nach § 823 BGB hat sich in jahrzehntelanger Rechtsprechung außerhalb des Schutzes von Warenzeichen (seit 1995 Marken) und Geschäftsbezeichnungen entwickelt.

Die Rechtsprechung geht davon aus, eine Marke ist berühmt, wenn sie überragende Verkehrsgeltung hat, was bei einem Bekanntheitsgrad von unter 80 % jedenfalls nicht der Fall ist. Darüber hinaus muss das Kennzeichen einmalig sein und eine besondere Eigenart sowie im Verkehr eine hohe Wertschätzung besitzen.

Die berühmte Marke muss überragende Verkehrsgeltung besitzen. Dazu muss sie den höchstmöglichen Grad an Kennzeichnungskraft haben, auf die die Verkehrsgeltung aufbaut. Maßstab ist hier nicht die Verkehrsdurchsetzung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise, also der Konsumenten, für die die Waren und Dienstleistungen unter der geschützten Marke bestimmt sind. Vielmehr muss die Marke darüber hinaus als Kennzeichen des Unternehmens allgemein bekannt sein.

Weiter muss die Marke auf dem Markt einmalig sein. Existieren andere identische oder ähnliche Marken, liegt bereits eine Verwässerung vor, womit die Schutzvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden können. Beschränkt sich die überragende Verkehrsgeltung auf eine bestimmte Produktgruppe und werden identische oder ähnliche Marken in anderen Produktklassen genutzt, so entsteht keine Verwässerungsgefahr.

Darüber hinaus muss die Marke eine gewisse Eigenart aufweisen, die den erweiterten Deliktsschutz rechtfertigt. Das Kennzeichen muss originär sein. Kennzeichen wie „Meisterbrand“ bieten diese originäre Besonderheit nicht, weil der zusammengesetzte Begriff aus zu allgemeinen Begriffen besteht.

Schließlich muss die Marke im Verkehr eine besondere Wertschätzung erfahren. Dieses Merkmal entwickelt sich in der Vorstellung des Publikums, deren Beurteilung aber nicht auf das Produkt selbst, sondern auch auf das Herstellerunternehmen beziehen kann. Zugleich muss diese Wertschätzung sich aber auch in der hervorragenden Qualität des Produkts widerspiegeln.

Die Verwässerungsgefahr
Die Verwässerungsgefahr kann nur durch ein identisches oder ähnliches Kennzeichen hervorgerufen werden. Der Gefahr einer Irreführung des Verkehrs bedarf es jedoch nicht, d.h. eine Verwässerung liegt auch dann vor, wenn zwar vom Publikum erkannt wird, dass zwei ähnliche Zeichen vorhanden sind, aber zugleich für das Publikum immer klar ist, das beide nichts miteinander zu tun haben.

Die Verwässerungsgefahr bildet einen geringeren Schutzraum als die Verwechslungsgefahr, d.h. die Ähnlichkeit der Zeichen muss höher sein als bei der Verwechslungsgefahr, ehe die Gefahr der Verwässerung anerkannt wird.

Wie beim Markenrecht stellt sich die Frage der Priorität, die sich allerdings am Zeitpunkt der Berühmtheit orientiert und nicht der Nutzung des Kennzeichens. Wann die Berühmtheit zeitlich eingetreten ist, dürfte aber sehr schwer nachvollziehbar sein. Folge dieses Kriteriums ist, dass der Inhaber einer berühmten Marke die Benutzung einer ähnlichen Marke mit jüngerem Zeitrang nicht verbieten kann, wenn letztere schon zu einem Zeitpunkt für Produkte außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs der berühmten Marke benutzt wurde, als die berühmte Marke noch nicht berühmt war.

Die Anspruchsgrundlage
Der Anspruch ergibt sich aus dem zivilrechtlichen Deliktsrecht. Voraussetzung ist bei deliktischen Ansprüchen, dass der Täter rechtswidrig und schuldhaft handelt. Dieses nachzuweisen kann ein Problem einer solchen Markenrechtsverletzung sein. Aber das dürfte eher gering sein, im Vergleich dazu, den Nachweis zu führen, dass die Marke berühmt ist.

Uneins ist man, ob es sich bei einer solchen Rechtsverletzung im Sinne des § 823 BGB um die eines absoluten Rechts handelt oder einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Frage ist freilich nebensächlich. Alle sind sich hingegen einig, dass ein Anspruch über diese Normen nur in Ausnahmefällen herangezogen wird, da in der Regel die markenrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen greifen.

Besteht zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis, greifen sicherlich die Normen des UWG. Bei Rechtsstreiten, in denen die Parteien im geschäftlichen Verkehr auftreten, sind die Fälle über den Begriff der bekannten Marke abgedeckt. Im Grunde greift der deliktische Zivilrechtsanspruch immer nur bei Waren- oder Dienstleistungsmarken, wenn der Rechtsverletzer nicht im geschäftlichen Verkehr oder im Wettbewerb auftritt, also eine rein private Homepage unter der Domain betreibt.

In solchen Fällen kann ein Anspruch auch im Rahmen des § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung entstehen, der auch den sonst nicht geregelten Fall abdeckt, dass ein Privater einem Markeninhaber gegenübertritt, soweit man über das Kennzeichen eine Eintragungsmarke (Waren- oder Dienstleistungsmarke) streitet. Ein prägnantes Beispiel für diesen Fall ist die Entscheidung weideglueck.de. Aber die Anforderungen an den Anspruchsteller, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung oder, im Falle des § 823 BGB, den Vorsatz nachzuweisen, wird dann zum Problem.

Anhang

§ 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

§ 1004 BGB

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

§ 826 BGB

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatze des Schadens verpflichtet.

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