Frankreich

Der französische "Cour de cassation" entscheidet final über france.com

Im Streit um die Domain france.com hat der vormalige Domain-Inhaber Jean-Noël Frydman auch vor dem Kassationshof (Cour de cassation) in Paris den Kürzeren gezogen: nach Auffassung des Gerichts ist die Bezeichnung »France« identitätsstiftend, weshalb es das Berufungsurteil bestätigte.

Am 10. Februar 1994 hatte der in Frankreich geborene US-Amerikaner Frydman die Domain france.com registriert, um darunter als Alleingesellschafter der FRANCE.COM INC. im Jahr 1995 einen »digitalen Kiosk« für Frankreich-Liebhaber einzurichten. In der Folge stellte Frydman fest, dass das niederländische Unternehmen Traveland Resorts ab dem Jahr 2009 unter anderem die französische Marke france.com registriert hatte. Auf Grundlage einer Vereinbarung wurden die Marken der Traveland Resorts auf die FRANCE.COM INC übertragen und im Jahr 2015 eine Abtretungserklärung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) für Gemeinschaftsregistrierungen und beim Institut National de la Propriété Industrielle (INPI) für französische Marken registriert. Bei dieser Gelegenheit griffen der französische Staat und die GIE Atout France, die staatliche Agentur für die touristische Entwicklung Frankreichs, in das Verfahren ein, um eine Verletzung der Rechte des französischen Staates am Namen seines Hoheitsgebiets feststellen zu lassen und sowohl die Markenübertragung als auch die Übertragung der Domain france.com zu seinen Gunsten zu erwirken. Im Juli 2016 entschied das Tribunal de Grand Instance de Paris, dass die Domain entschädigungslos auf die Republik Frankreich zu übertragen sei. 2018 kam Web.com, der damalige Registrar, der Aufforderung nach; inzwischen leitet die Domain auf das Angebot france.fr weiter.

Frydman sah sich um seine Geschäftsgrundlage gebracht und trat 2018 vor einem US-Gericht eine Klage unter anderem gegen die Französische Republik, Atout France, Außenminister Jean-Yves Le Drian und VeriSign los. Die Klage blieb durch die Instanzen erfolglos, im Dezember 2021 entschied der Supreme Court of the United States (SCOTUS), die Sache nicht zur Entscheidung anzunehmen. Vor dem Cour d’appel stritt er deshalb nun mit der Republik Frankreich und Atout France unter anderem um die Rechtmäßigkeit der Domain-Übertragung und die Verpflichtung zur Löschung der Marken. Frydman argumentierte, dass Frankreich keinen Anspruch auf einen Namen hätten, der lediglich ein geographisches Gebiet bezeichne. Das Gericht war jedoch der Ansicht, dass Artikel L. 711-4 des Code de propriété intellectuelle keine erschöpfende Liste älterer Rechte enthält und dass der Name »France« eine Vorrangstellung zu den Anmeldungen französischer Marken darstellt, jedenfalls wenn eine Verwechslungs- bzw. Irreführungsgefahr besteht. Der Name »france« ist danach für den französischen Staat ein Identitätselement, das mit dem Nachnamen einer natürlichen Person vergleichbar ist und ein Begriff, der das nationale Territorium in seiner wirtschaftlichen, geographischen, historischen, politischen und kulturellen Identität bezeichnet. Das Gericht ging ausserdem davon aus, dass die breite Öffentlichkeit Waren und Dienstleistungen unter france.com als vom französischen Staat stammend identifizieren würde, wobei dieses Risiko durch die stilisierte Darstellung geograhischer Grenzen in den streitigen Marken noch verstärkt wird. Als letzter Strohhalm blieb Frydman daher noch der Weg zum Kassationshof (Cour de cassation), der ausschließlich über Rechtsfragen entscheidet. Doch auch dort war er erfolglos; am 06. April 2022 verwarf auch dieses Gericht sämtliche Einwendungen von Frydman und bestätigte insbesondere die Ansicht, dass die Domain france.com die Rechte des Staates Frankreich an seinem Namen, seiner Identität und seiner Souveränität verletzt, und der Name »France« ein Element seiner Identität darstellt. Die FRANCE.COM INC ist daher nicht nur die Domain samt Marken los, sondern muss auch die Kosten des Verfahrens tragen.

In Domainer-Kreisen sorgte bereits die SCOTUS-Entscheidung für sehr große Empörung, da Inhaber von Ländernamendomains befürchten müssen, dass Nationalstaaten versuchen könnten, auf diesem Weg an »ihre« Länderdomain zu kommen. Für Deutschland ist ohnehin abzuraten, hoheitliche Begriffe als Domain zu registrieren, da sie in aller Regel problematisch sind, jedenfalls dann, wenn der Durchschnittsnutzer hinter der Domain eine staatliche Einrichtung vermutet.

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