Domain-Recht in Deutschland

Eine aktuelle Bilanz

Die Entwicklung in der Rechtsprechung zum Domain-Recht ist rasant. Die Gerichte beackerten in den vergangenen Monaten etliche Rechtsfragen hin zu einer einheitlichen Rechtsprechung. Ob die für Domain-Inhaber immer zufriedenstellend ist, steht auf einem anderen Blatt.

Markenrecht
Mittlerweile sind zahlreiche Rechtsfragen zum Markenrecht geklärt. So etwa die Frage, wie mit einer das Markenrecht eines anderen verletzenden Domain umzugehen ist, auf der keine Daten hinterlegt sind.

In der Regel gibt eine leere Domain keine Angriffsfläche. Markenrechtliche Ansprüche können nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Läßt sich nachweisen, der Inhaber hat die Domain mit Grabbingabsicht registriert, wird man vor Gericht erfolgreich sein. Es müssen im Prozeß entsprechende Indizien nachgewiesen werden, als da wären: der Domain-Inhaber hat zahlreiche „Marken“-Domains registriert und hat von diesen bereits welche zum Verkauf angeboten. Ähnlich ergeht es Konkurrenten: läßt sich nachweisen, der Domain-Inhaber ist in der gleichen Branche tätig, kann das Gericht geneigt sein, der Klage auf Unterlassung der Nutzung der Domain statt zu geben.

Auch über den Unternehmensnamen und damit über das Namensrecht (§ 12 BGB) ergeben sich Ansprüche.

Bei den Ansprüchen aus dem Markenrecht sind die sich aus § 14 (Produktbezeichnungen) und § 15 (Geschäftsbezeichnungen) MarkenG ergebenden Ansprüche zu unterscheiden. Beide setzen die Nutzung der Domain im geschäftlichen Verkehr voraus. Während bei § 15 MarkenG auch der Weg über § 12 BGB (Namensrecht) beschritten werden kann, der eben gerade nicht den Gebrauch im geschäftlichen Verkehr voraussetzt, sieht sich der Inhaber einer Marke, die lediglich ein Produkt bezeichnet, in einer Anspruchswüste, soweit die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt wird. Das gilt auch für Werktitel, die zwar wie Unternehmensbezeichnungen auch über § 5 MarkenG geschützt sind, aber praktisch nie Namen transportieren, womit der Weg über § 12 BGB versperrt ist.

Gerne greifen die Gerichte da auf die Entscheidung „weideglueck.de“ des LG Frankfurt zurück. Diese Entscheidung entpuppt sich bei näherer Betrachtung allerdings als eine Fehlentscheidung. Die klagende Partei konnte keine konkreten Hinweise auf Domain-Grabbing nachweisen. Der Domain-Inhaber nutzte die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr und hatte auch sonst keine rechten Pläne, was er damit machen wollte. Da wich das Gericht kurzerhand auf einen Anspruch wegen sittenwidriger Behinderung nach §§ 826, 226 BGB aus.

Das OLG Frankfurt (Beschluß vom 12.4.2000, Az 6 W 33/00) hatte seinerzeit sinngemäß erklärt: „Wer sich ohne nachvollziehbares eigenes Interesse einen Domain-Namen registrieren lässt, der mit dem eigenen Namen und der eigenen Tätigkeit in keinem Zusammenhang steht, der aber gleichlautend mit der Marke eines Unternehmens ist, kann wegen schikanöser, sittenwidriger Behinderung aus §§ 826, 226 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.“

Wer klare Vorstellung hinsichtlich der privaten Nutzung einer Domain hat, die einer Produktbezeichnung gleicht, sollte eigentlich keine Probleme mit ihr bekommen! Der Tatbestand einer sittenwidrigen Behinderung ist nicht so leicht zu erfüllen. Aber die Entscheidung des OLG Frankfurt liegt nun einmal vor und gegen sie wird man nur schwer angehen können. Wie der Inhaber der Domain „literaturen.de“ schmerzlich erfahren mußte.

Ausführliches zu beiden Urteilen finden Sie hier.

Bei Vertipper-Domains tritt die Frage der Verwechslungsgefahr in den Vordergrund. Dabei wird von seiten der Gerichte der Inhalt der Webseite in Augenschein genommen, insbesondere auch die dort vorhandenen Links zu anderen Seiten! Diese können Einfluß auf die Frage nehmen, ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt. Zur Verwechslungsgefahr finden Sie hier mehr.

Werktitel (Kennzeichen nach § 5 MarkenG) sind nur dann stärker als die Rechte des Inhabers einer Domain, die sich nach dem Prinzip „first come, first served“ ergeben, wenn sie bundesweit bekannt sind. Das gilt beispielsweise für die Zeitschrift „Eltern“ (Entscheidung des LG Hamburg vom 25.03.1998, Az. 315 O 792/97), nicht jedoch für die Zeitschrift „Bike“ (Entscheidung des LG Hamburg vom 13.08.1997, Az. 315 O 120/97). Unter diesem Aspekt zeigt sich das Urteil über „literaturen.de“ ebenfalls als suspekt, denn die Zeitschrift hat sicher keinen höheren Bekanntheitsgrad als „Bike“.

BGB
Für Ansprüche aus § 826 BGB steht stellvertretend die Entscheidung „weideglueck.de“ des OLG Frankfurt, die falsch ist (siehe weiter oben). Sie bedingt eine Beweislastumkehr, die nicht rechtskonform ist. In der Folge ergeben sich weitere Fehlurteile wie „literaturen.de“.

Ansprüche aus § 12 BGB (Namensrecht) sind selbst bei Stadtteilnamen erfolgreich durchsetzbar. Stadtteile haben volle Namensrechte. Domain-Inhaber, deren Name nicht mit dem (Stadtteil-)Domain-Namen identisch ist, haben das Nachsehen.

Die Frage der Gleichnamigkeit ist mit den Entscheidungen „vallendar.de“ und „tschirn.de geklärt. Es gilt „first come, first served“ (siehe auch die Entscheidungen zu „boos.de“), es sei denn, man hat es mit einem berühmten Namen zu tun, wie Shell und Krupp oder Heidelberg. Auch das gilt für Stadtteildomains, was bei Namen wie „Schwabing“ oder „Kreuzberg“ der Fall sein dürfte: Der gleichnamige Domain-Inhaber wird die Domain abmelden müssen.

Prozessrecht
Geklärt ist weitestgehend auch, welche Ansprüche überhaupt durchsetzbar sind.

Der in seinen Rechten verletzte Anspruchsteller kann die Unterlassung der Nutzung des Domain-Namen durch den Inhaber fordern. Das geschieht z.B. in der Form einer Verzichtserklärung. Die Übertragung einer Domain kann nicht gefordert werden, das hat zuletzt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „shell.de“ bestätigt.

Ansprüche auf Schadensersatz sind praktisch kaum umsetzbar. Derzeit hat man allenfalls Erfolg, wenn man den Schadensersatzanspruch auf die Recherchekosten beschränkt, die sich problemlos nachweisen lassen. Mittlerweile gibt es auch zwei Entscheidungen, bei denen die Gerichte die hypothetischen Lizenzkosten als Schaden akzeptiert haben! Dabei ist allerdings die Berechnung der Lizenzgebühr, die sich am Wert des Domain-Namen orientiert, problematisch.

Auch die Frage der Art der Vollstreckung ist geklärt, sie hat aber Folgen: Die Vollstreckung hat nicht über 890 ZPO zu erfolgen, also im Wege eines Ordnungsgeldes, wenn der zur Unterlassung verurteilte Domain-Inhaber gezwungen werden muss, den Domain-Namen freizulassen. Sondern richtig ist der Weg über § 894 ZPO: Das Urteil gilt als die Willenserklärung des Domain-Inhabers, mit der er die Aufgabe der Domain erklärt. Damit aber sind einstweilige Verfügungen nicht mehr möglich, da die prozessuale Folge der einstweiligen Verfügung in diesem Fall die Hauptsache vorweg nimmt, was contra legem ist. Auch besteht keine Möglichkeit der vorläufigen Vollstreckung! Die Machtposition von Domain-Grabbern ist damit de facto gestiegen. Die können mit allen Mitteln einen Prozeß in die Länge ziehen, womit dem Berechtigten, der auf die Domain angewiesen ist, nicht gedient ist. Also wird der Kauf der Domain die bessere Alternative.

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