Inwieweit die DENIC e.G., die Verwaltung der .de-Domains, für Rechtsverletzungen durch Domain-Inhaber haftet, war bereits mehrere Male Inhalt von Rechtsstreiten. Das Ergebnis höherinstanzlicher Gerichte fiel immer wieder zu Gunsten der DENIC aus. So auch in der jüngsten Entscheidung zum Thema: viagratip.de des OLG Frankfurt.
Das OLG Frankfurt (Urteil vom 13.02.2003, Az.: 6 U 132/01) hatte zu prüfen, ob bei einer Markenrechtsverletzung durch einen Domain-Namen die Domain-Verwaltung DENIC e.G. als Störer gegenüber dem Markeninhaber bzw. dessen Lizenznehmer haftet. Frühere Entscheidungen zu dieser Frage sind kurt-biedenkopf.de, foris.de und ambiente.de (LG Frankfurt, OLG Frankfurt). Ambiente.de ging durch drei Instanzen und wurde schließlich vom Bundesgerichtshof (BGH) richtungsweisend entschieden.
Im Falle viagratip.de klagte die deutsche Lizenznehmerin der Marke Viagra. Sie verlangte von der DENIC u. a. die Löschung der Domains viagratip.de und viagrabestellung.de, die beide auf Seiten mit pornographischen Inhalt führten. Die DENIC verwies das klagende Pharmaunternehmen auf die Domain-Inhaber. Das LG Frankfurt (Urteil vom 21.03.3001, Az.: 2/6 O 687/00) sah hinsichtlich der Domain-Namen einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2, Ziff. 3 MarkenG unter dem Aspekt der Markenverunglimpfung. Dabei bezog sich das Gericht auf die Entscheidung ambiente.de des OLG Frankfurt, die von Seiten des BGH kurz nach der viagratip.de-Entscheidung des LG Frankfurt vom 21.03.2001 am 17.05.2001 bestätigt wurde.
Gegen die Entscheidung des LG Frankfurt legte die DENIC Berufung zum OLG Frankfurt ein, das nun nach knapp zwei Jahren ein abschließendes Urteil gefällt hat; die Revision wurde nicht zugelassen. Das OLG Frankfurt gab der DENIC e.G. Recht.
Eine Haftung der DENIC kommt allenfalls als Störer in Betracht, da sie selber nicht Inhaberin der ein Markenrecht verletzenden Domain ist, sondern die Domain verwaltet. Aber aufgrund dessen mitverursacht sie die Rechtsverletzung. Dem entsprechend prüfte das OLG Frankfurt die Rechtslage.
»Die Haftung des Störers setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und in welchem Maße eine Prüfung für den vermeintlichen Störer zumutbar ist. Eine Einschränkung ist insbesondere dann angezeigt, wenn der Störungstatbestand für denjenigen, der als Störer in Anspruch genommen wird, nicht ohne weiteres oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erkennbar ist. […] ist der Beklagte grundsätzlich nur eine Prüfung auf offenkundige, aus ihrer Sicht eindeutige Rechtsverstöße zuzumuten. Diese eingeschränkten Prüfungspflichten greifen außerdem erst dann ein, wenn die Beklagte darauf hingewiesen wird, daß die eingetragene Domain-Bezeichnung Rechte Dritter verletzt.«Die Registrierung der Domains kann der DENIC damit schon nicht zum Vorwurf gemacht werden. Aber die Klägerin hatte die DENIC in einem Schreiben vom 25.05.2000 auf die Rechtsverletzung hingewiesen. Aber auch damit lag keine offenkundige, für die DENIC eindeutige, Rechtsverletzung vor.
Weiter bezieht sich hier das OLG Frankfurt auf den BGH, der im Falle einer Benachrichtigung der DENIC über die Rechtsverletzung davon ausgeht, die Prüfungspflicht der DENIC sei eng begrenzt. Aufgrund der zahlreichen Domain-Registrierungen (ca. 3.500 täglich) und Disput-Anträge (ca. 5.000 jährlich) sind die Ressourcen der DENIC zu gering, als dass sie eine umfassende Prüfung vornehmen kann. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen können die Voraussetzungen einer offenkundigen und für die Beklagte ohne weiteres feststellbaren Rechtsverletzung angenommen werden.
»Die Beklagte muß ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststellen können, daß ein registrierter Domain-Name die Rechte Dritter verletzt […] «Der Sachbearbeiter muss den Verstoß unschwer erkennen können, und das kann er nur, wenn ein rechtskräftiger gerichtliches Titel vorliegt oder eine unzweifelhaft wirksame Unterwerfungserklärung. Rechtskenntnisse muss der Sachbearbeiter nicht haben und die Rechtsabteilung der DENIC muss solche Fälle auch nicht prüfen, das widerspricht der Intention der DENIC, die als eingetragene Genossenschaft ihre laufenden Kosten gering halten will. Ein anderer möglicher Fall läge vor, wenn der Domain-Name mit einer berühmten Marke identisch ist, die überragende Verkehrsgeltung genießt. Hier bestand aber keine Identität zwischen Marke und Domains, weil die Begriffe »tip« und »bestellung« an den Markenbegriff angehängt waren.
Bezüglich der Verletzung von Prüfungspflichten der DENIC kommt das OLG Frankfurt zu dem Ergebnis:
»Nach den oben dargestellten Maßstäben, die sich aus der Entscheidung „ambiente.de“ des Bundesgerichtshofs ergeben, hat die Beklagte im vorliegenden Fall keine Prüfungspflichten verletzt. Sie ist daher nicht zur Beseitigung des Störungszustandes und damit zur Löschung der beiden angegriffenen Domain-Bezeichnungen verpflichtet.«Das OLG Frankfurt verweist die Klägerin im Rahmen ihrer Ausführungen auf den Domain-Inhaber, wie das vorprozessual die DENIC bereits getan hatte. Der Weg werde der Klägerin ja auch von der DENIC erleichtert, indem sie nämlich mit dem Eintrag in der Whois-Datenbank die notwendigen Informationen zur Verfügung stellt, den Domain-Inhaber zu erreichen. Außerdem nimmt die DENIC Dispute-Einträge vor, aufgrund deren der Domain-Inhaber sich einer rechtlichen Auseinandersetzung nicht entziehen kann. Genau dies decke sich mit der Intention der DENIC.
Es bleibt also bei den vom obersten deutschen Zivilgericht, dem BGH aufgestellten Kriterien. Die DENIC muss nur Handeln, wenn ein rechtskräftiger gerichtlicher Titel oder eine unzweifelhaft wirksame Unterwerfungserklärung des Domain-Inhabers vorliegt. Zudem besteht die Prüfungspflicht, wenn die Domain mit einer berühmten Marke mit überragender Verkehrsgeltung identisch ist. Aber ob diese Kriterien von Seiten eines DENIC Sachbearbeiters tatsächlich beurteilt werden können, darf man bezweifeln.
Die Klägerin hat sich zuletzt doch für den direkten, von DENIC gewiesenen Weg entschieden und sich an den Domain-Inhaber gewandt: die Domains viagratip.de und viagrabestellung.de sind wohl schon länger nicht mehr registriert.