Die Diskussionen um die Einführung von Websperren finden auf europäischer Ebene ihre Fortsetzung: anlässlich der Debatten um einen Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström blieb die Politik einmal mehr konkrete Aussagen schuldig.
Während in Deutschland Gesetzesentwürfe diskutiert werden, die das erst am 23. Februar 2010 in Kraft getretene Zugangserschwerungsgesetz durch ein neues Löschgesetz ersetzen sollen, dauern die Diskussionen auf EU-Ebene an. Im März 2010 hatte Malmström den Entwurf einer EU-Richtlinie vorgestellt, die Regelungen vorsieht, um den Zugriff auf Seiten mit Kinderpornographie zu sperren. Das Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung von Mindestvorschriften zur Definition von Straftaten und Strafen auf dem Gebiet der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Konkret auf das Internet bezogen, verlangt Artikel 21 des Richtlinienvorschlags: „Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit der Zugang von Internet-Nutzern zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten, gesperrt wird. Die Zugangssperrung erfolgt vorbehaltlich angemessener Schutzvorschriften; insbesondere soll sichergestellt werden, dass die Sperrung auf das Nötige beschränkt wird, dass die Nutzer über die Gründe für die Sperrung informiert werden und dass Inhalteanbieter im Rahmen des Möglichen darüber unterrichtet werden, dass sie die Entscheidung anfechten können.“ Ergänzt wird diese Regelung durch einen zweiten Absatz, in dem es heisst: „Unbeschadet des Vorstehenden trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, damit Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten, aus dem Internet entfernt werden.“
In der Begründung ihres Vorschlags verweist Malmström auf Argumente, die bereits die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen herangezogen hatte. Anlässlich einer Anhörung vor dem EU-Parlament wollten aber auch dort nicht alle Experten dieser Einschätzung folgen. Wie das Online-Magazin heise.de berichtet, meldet Ulrike Sachs vom Bündnis „White IT“ bereits eine mangelnde Faktenlage an, ob Kinderpornografie über das World Wide Web oder andere Kanäle wie Peer-to-Peer-Netzwerke verteilt werde, so dass Websperren leer liefen. Christian Bahls vom Rostocker Verein „Missbrauchsopfer gegen Internetsperren“ (MOGIS) bemängelte, dass man sich über die Folgen von Websperren zu wenig Gedanken mache, und forderte die Untersuchung von Zahlungsströmen von kommerziellen Kinderpornografie-Ringen. Malmström musste einräumen, dass es zwar Handel mit Kinderpornografie gäbe; zum Umfang wisse man jedoch nichts. Für Herbst kündigte sie konkrete Zahlen an; dann soll der Richtlinienvorschlag neu diskutiert werden.
Sollte der Vorschlag von Malmström umgesetzt werden, sind die Folgen für Deutschland noch unklar. Bei der Umsetzung von Richtlinien hat jeder EU-Mitgliedsstaat einen gewissen Spielraum, in dem er entscheiden kann, wie er nationale Regelungen gestaltet. Und bis zur nächsten Bundestagswahl ist es ja schließlich noch ein gutes Stück hin.