Meinungsfreiheit

Die österreichische TKK spricht sich gegen IP-Sperren aus

Die österreichische Telekom-Control-Kommission (TKK) hat in Sachen Netzsperren eine Grundsatzentscheidung getroffen: im Interesse der Netzneutralität sind überschießende IP-Sperren ab sofort untersagt.

Im Rahmen ihrer Netzaufsicht veröffentlichte die 1997 als Regulierungsbehörde für den Telekom-Markt in Österreich gegründete TKK am 07. August 2023 eine ganze Reihe von Bescheiden, die sich mit Netzsperren auf Grundlage der Blockierung bestimmter Domain-Namen befassen. Gegenstand der Verfahren war durchgängig die Zulässigkeit der Vornahme von DNS-Sperren aufgrund einer Abmahnung der behaupteten Rechteinhaberin zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten nach § 81 Abs 1a UrhG. Soweit ersichtlich, war dabei unstreitig, dass auf den über die Domains erreichbaren Webangeboten systematisch und regelmäßig gegen Ausschließungsrechte im Sinne des UrhG verstoßen wurde und massenhaft geschützte Werke ohne Genehmigung der Rechteinhaber der Internetöffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, mithin strukturell urheberrechtsverletzende Websites vorlagen. Die TKK entschied gleichwohl, die wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Art. 3 Abs. 3 VO (EU) 2015/2120 geführten Verfahren sämtlich einzustellen. Zur Wahrung von Rechten Dritter seien Netzsperren auf Basis des Domain Name Systems (DNS) geeignet und grundsätzlich ausreichend. Über DNS-Sperren hinausgehende Sperren auf Basis von IP-Adressen seien hingehen nicht erforderlich und deshalb unzulässig. Damit werde auch zukünftig die Netzneutralität sichergestellt.

Dr. Klaus M. Steinmaurer, Sprecher der TKK erklärte:

Da unter einer einzigen IP-Adresse unzählige Webseiten abrufbar sein können, ist im Falle einer Sperre das Risiko, auch Websites oder Internetdienste unbeteiligter Dritter mitzusperren, ganz besonders hoch.

Um die Netzneutralität und Meinungsäußerungsfreiheit im Internet zu schützen, dürfen in Österreich jedoch nur im Ausnahmefall Beschränkungen zu Inhalten im Internet eingerichtet werden. Jede einzelne Netzsperre werde von der Regulierungsbehörde streng geprüft. Einerseits, ob ausreichende Gründe für eine Sperre vorliegen, aber auch in Hinblick auf die technische Umsetzung der Sperre.

In Österreich wurden Netzsperren bisher überwiegend mit sogenannten „DNS-Sperren“ umgesetzt. Bei dieser Art der Sperre werden lediglich einzelne Domains blockiert und stattdessen Sperrhinweise angezeigt. Es ist wichtig, dass diese Praxis beibehalten wird, um auch zukünftig die rechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit zu wahren

führte Steinmaurer aus. Als Service und zur erweiterten Transparenz veröffentlicht die Regulierungsbehörde alle aktuell gesperrten Domains auf ihrer Website.

Die ISPA (Internet Service Providers Austria), die Dachorganisation der Internetwirtschaft in Österreich, begrüsste die Entscheidung ausdrücklich. ISPA-Generalsekretär Stefan Ebenberger erklärte:

Die Sperre von IP-Adressen ist völlig unverhältnismäßig, denn dabei besteht immer die Gefahr, auch legale Websites zu blockieren. Die Rechteinhaber:innen betonen immer den Schutz von geistigem Eigentum. Das ist grundsätzlich richtig und wichtig. Aber was ist mit dem Eigentum an den zu Unrecht gesperrten Websites? Es müssen die Rechte aller geschützt werden, nicht nur die einer einzelnen Gruppe.

Zugleich forderte er den Gesetzgeber auf, für Rechtssicherheit bei Netzsperren zu sorgen, statt die Verantwortung auf Internetanbieter abzuwälzen. Bemerkenswert an der Entscheidung der TKK sei auch das Amtsgutachten, auf das sie sich stützt. Darin werde bestätigt, was die Internetanbieter seit Jahren sagen: Dass es technisch unmöglich ist, bei einer IP-Adresse im Vorhinein zu erkennen, welche anderen, legalen Websites diese ebenfalls nutzen. ISPA-Präsident Harald Kapper:

Das ist wichtig, weil genau hier eine weitere Gefahr schlummert: IP-Sperren bergen immer das Risiko auch legale Inhalte oder Dienste zu sperren und bedrohen damit die Meinungs- und Informationsfreiheit aller Bürger:innen. Hier reden wir über zentrale Grundrechte einer demokratischen Gesellschaft, die im Einzelfall abgewogen werden müssen. Diese Verantwortung darf der Staat nicht länger auf die Internetanbieter, also private Unternehmen, abwälzen.

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