Niederlage für den Schweizer DNS-Resolver-Betreiber Quad9: mit Urteil vom 01. März 2023 (Az. 5 O 807/22) urteilte das Landgericht Leipzig, dass Quad9 als Täter einer Urheberrechtsverletzung verpflichtet ist, es zu unterlassen, bestimmte .to-Domain-Namen aufzulösen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Auf Antrag der Sony Music Entertainment Germany GmbH hatte das Landgericht in Hamburg am 12. Mai 2021 eine einstweilige Verfügung erlassen. Darin wird Quad9 verboten, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Musikalbum der US-Band Evanescence öffentlich zugänglich zu machen, indem Quad9 einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der den Kunden eine Übersetzung von Domains in numerische IP-Adressen zur Verfügung stellt, so dass es mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, eine bestimmte Domain zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des vorgenannten Albums aufzurufen. Hiergegen wandte sich Quad9 mit einem Widerspruch, blieb jedoch ohne Erfolg: das Landgericht Hamburg bestätigte die einstweilige Verfügung und stützte sich unter anderem auf ein Urteil des OLG Köln vom 09. Oktober 2020 (Az. 6 U 32/20), das sowohl eine unmittelbaren Anwendbarkeit der haftungsprivilegierenden Regelung des § 8 Absatz 1 TMG als auch eine erweiternde Auslegung dieser Norm zu Gunsten von Quad9 abgelehnt hatte. Parallel zu diesem Widerspruch hat Quad9 den Antrag gestellt, das Hauptsacheverfahren durchzuführen. Sony ist dieser Aufforderung nachgekommen und hat vor dem Landgericht in Leipzig Klage erhoben. Nach einer mündlichen Verhandlung vom 08. Februar 2023 erging nun am 01. März 2023 das Urteil.
Obwohl sich Quad9 durch ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ruth Janal vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Immaterialgüter- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bayreuth bestätigt sehen durfte, hat das Landgericht Leipzig der Klage stattgegeben und Quad9 verurteilt, zwei verwandte Domains in die dazugehörigen IP-Adressen zu übersetzen. Quad9 hafte als als Täterin aus §§ 97 Abs. 1,15, 19 a, 85 UrhG, weil sie Internetnutzern ihren DNS-Resolver zur Verfügung stellt und darüber auf die Seiten des Dienstes c….to mit den rechtsverletzenden Downloadangeboten betreffend das streitgegenständliche Musikalbum verwiesen wird. Die Kammer schließe sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des LG Köln im Urteil vom 29.09.2022 (Az. 14 O 29/21) an. Das LG Köln hatte die täterschaftliche Haftung für Urheberrechtsverletzungen Dritter, die der Bundesgerichtshof bei bestimmten Sharing-Plattformen prüft, auf andere Intermediäre, namentlich Caching- und reine Durchleitungsdienste übertragen. Nach Ansicht des LG Leipzig werde durch den DNS-Resolver erst ermöglicht, einen Domain-Namen in eine numerische IP-Adresse aufzulösen und die hier streitgegenständliche Webseite aufzufinden; darin sei eine zentrale Rolle bei der Rechtsverletzung zu sehen. Das Haftungsprivileg aus § 8 Abs. 3 TMG finde keine Anwendung, da ein DNS-Resolver-Betreiber kein Diensteanbieter im Sinne des TMG sei. Ein Diensteanbieter müsse
»durch seine Weisungen oder seine Herrschaftsmacht über Rechner und Kommunikationskanäle die Verbreitung oder das Speichern von Informationen ermöglichen und nach außen als Erbringer von Diensten auftreten.«
Das treffe weder auf Registrare noch DNS-Resolver oder den Admin-C zu. Auch den Einwand, dass die streitigen Domains global und nicht nur für deutsche Nutzer unerreichbar seien, überzeugte das Leipziger Landgericht nicht.
»Auch weltweit ist kein berechtigtes Interesse der Internetnutzer auf Zugriff auf diese Webseite mit offensichtlich ausschließlich illegalen Angeboten ersichtlich, so dass sich die Frage eines Overblockings nicht stellt,«
heißt es. Dass die Nutzungsrate von Quad9 in Deutschland nur bei 0,159 Prozent liegt, änderte nichts.
Dass Quad9 die erstinstanzliche Entscheidung akzeptiert, dürfte kaum anzunehmen sein, zumal das Landgericht eine »Pflicht zur Vorsorge, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt., bejaht hat. Auch über die Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht gegen die einstweilige Verfügung ist noch nicht entschieden. Scharfe Kritik kam von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Quad9 in dem Verfahren unterstützt:
»Folgt man dieser Argumentation, wäre die urheberrechtliche Haftung völlig neutraler Infrastrukturdienste wie Quad9 sogar strenger als die sozialer Netzwerke, die unter den berüchtigten Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie fallen,«
so Felix Reda von der GFF.