Websperren

Quad9 bekommt im Streit um DNS-Resolver-Sperren Rückenwind durch Gutachten

Im Streit zwischen dem Schweizer DNS-Resolver-Betreiber Quad9 und der Sony Music Entertainment Germany GmbH um die Sperrung von Domain-Namen fand am 08. Februar 2023 die Verhandlung vor dem Landgericht Leipzig statt. Ein Urteil steht aus, doch ein Rechtsgutachten stützt die Ansicht von Quad9.

Auf Antrag der Sony Music Entertainment Germany GmbH hatte das Landgericht in Hamburg am 12. Mai 2021 eine einstweilige Verfügung erlassen. Darin wird Quad9 verboten, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Musikalbum der US-Band Evanescence öffentlich zugänglich zu machen, indem Quad9 einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der den Kunden eine Übersetzung von Domains in numerische IP-Adressen zur Verfügung stellt, so dass es mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, eine bestimmte Domain zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des vorgenannten Albums aufzurufen. Hiergegen wandte sich Quad9 mit einem Widerspruch, blieb jedoch ohne Erfolg: das Landgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und stützte sich unter anderem auf ein Urteil des OLG Köln vom 09. Oktober 2020 (Az. 6 U 32/20), das sowohl eine unmittelbaren Anwendbarkeit des § 8 Absatz 1 TMG als auch eine erweiternde Auslegung dieser Norm zu Gunsten von Quad9 abgelehnt hatte. Parallel hatte Quad9 den Antrag gestellt, das Hauptsacheverfahren durchzuführen. Sony ist dieser Aufforderung nachgekommen und hat vor dem Landgericht Leipzig Klage erhoben.

Am 08. Februar 2023 fand in Leipzig nun die mündliche Verhandlung statt, bei der beide Parteien Gelegenheit erhielten, ihre Argumente auszutauschen. Hierzu gehört auf Seiten von Quad9 neben einer Reihe formaler Einwendungen das Berufen auf eine Haftungsprivilegierung gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 TMG, jedenfalls in analoger Anwendung, und die Ablehnung einer Störerhaftung mangels adäquat-kausalen Beitrags zu einer Urheberrechtsverletzung und mangels Verletzung zumutbarer Prüfpflichten. Ausserdem sei vorrangig ein tatnäherer Beteiligter in Anspruch zu nehmen, wie beispielsweise der Access-Provider. Gestützt wurden diese Argumente durch ein Gutachten von Prof. Dr. Ruth Janal vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Immaterialgüter- und Wirtschaftsrecht an der Unisversität Bayreuth, das die Berliner Gesellschaft für Freiheitsrechte eV (GFF) in Auftrag gegeben hatte. Das 18-seitige Gutachten mit dem Titel »Zur Bedeutung der EuGH-Entscheidung YouTube und Cyando für Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die keine Host Provider sind« befasst sich wissenschaftlich mit der Begutachtung von vier Fragen und hält unter anderem fest, dass DNS-Resolver bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Haftungsprivileg des Art. 12 ECRL profitieren und künftig jedenfalls nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 DSA von der Haftung freigestellt sein werden. Die Betrachtung geht also weg vom TMG und begründet anhand der Entscheidung des EuGH in der Sache YouTube/Cyando (Az. C-682/18) und den Entscheidungen des BGH in der Sache Youtube II (Urteil vom 02.06.2022 – Az. I ZR 140/15), warum DNS-Resolver-Provider wie Quad9 nicht für Inhalte Dritter haftbar gemacht werden können.

Die GFF sieht sich dadurch bestätigt:

»Neutrale Internetdienste wie Quad9 dürfen nicht zu Netzsperren verpflichtet werden – sonst sieht es schlecht aus für die Informationsfreiheit und für ein freies Internet mit vielfältigen, datensparsamen Netzdienstleistungen,«

so Felix Reda, Projektkoordinator für Control Copyright bei der GFF. Wann das Landgericht Leipzig seine Entscheidung verkündet, teilten bisher weder Quad9 noch die GFF mit.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Episerver GmbH, Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top