Netzsperren

Deutsche Unternehmen und Rechteinhaber richten »Clearingstelle Urheberrecht im Internet« (CUII) ein

Netzsperren und kein Ende: eine neu geschaffene »Clearingstelle Urheberrecht im Internet« (CUII) will in Zukunft strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten bekämpfen. Mittel der Wahl sind dabei sogenannte DNS-Sperren, die jedoch einen zweifelhaften Ruf geniessen.

Hinter der CUII steckt eine Brancheninitiative von Internetzugangsanbietern und Rechteinhabern, die nach objektiven Kriterien prüfen möchte, ob die Sperrung des Zugangs einer strukturell urheberrechtsverletzenden Webseite rechtmäßig ist. Zu ihren Mitgliedern zählen unter anderem 1&1, die Telekom Deutschland GmbH, die Vodafone Deutschland GmbH, der Bundesverband Musikindustrie eV, die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, die Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG und die Motion Picture Association (MPA). Unter »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« versteht sie Webseiten, deren Geschäftsmodell auf massenhafte Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist. Eine Sperre erfolgt, wenn die außergerichtliche, nach eigenen Angaben unabhängige Clearingstelle unter Vorsitz eines pensionierten Richters des Bundesgerichtshofes das empfiehlt und die Bundesnetzagentur keine Bedenken gemäß der EU-Netzneutralitätsverordnung hat. Eine Sperrungsempfehlung durch die CUII kann nur bei Einstimmigkeit des dreiköpfigen Prüfausschusses erfolgen. Äußert die Bundesnetzagentur in einer formlosen Stellungnahme keine Bedenken, werden die Zugangsanbieter die entsprechenden Domains sperren.

In der Praxis setzt man dabei auf DNS-Sperren. Sie verhindern die Zuordnung eine Domain zu einer IP-Adresse und somit den direkten Zugang zu einer Webseite. Hintergrund des Einsatzes von DNS-Sperren sei die jüngere Rechtsprechung, nach der Rechteinhaber von Internetzugangsanbietern unter bestimmten Voraussetzungen verlangen können, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Voraussetzung für diesen Anspruch ist unter anderem, dass für den Rechteinhaber keine andere Möglichkeit besteht, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen. Beispiele seien etwa thepiratebay.org, kinox.to oder goldesel.to. Das Angebot solcher Plattformen sei gezielt auf die Verletzung von urheberrechtlich geschützten Werken ausgerichtet. Sofern sich legale Inhalte auf der Plattform befinden, würde deren Größenordnung im Gesamtverhältnis von rechtmäßigen zu rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Das Bundeskartellamt hat CUII bereits abgesegnet. Die geplante Clearingstelle habe eine ganze Reihe von Sicherungsmechanismen gegen überschießenden Beschränkungen vorgesehen und diese auf Anregung des Bundeskartellamts noch verstärkt. Es sei auch eine Einbindung der Bundesnetzagentur vorgesehen, bevor Sperrempfehlungen umgesetzt werden.

Scharfe Kritik an der CUII äußerte allerdings netzpolitik.org, die Online-Plattform für digitale Freiheitsrechte.

Das Instrument hat gefährliche Nebenwirkungen und wird in autoritären Staaten zum Aufbau einer Zensurinfrastruktur missbraucht,

gab Chefredakteur Markus Beckedahl an. Die Diskussionen um Sinn und Unsinn von Websperren sind ohnehin alt. Angesichts der Erfahrungen mit dem Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz), das 2010 in Kraft trat, in der Praxis nicht angewandt wurde und im Dezember 2011 schließlich wieder außer Kraft getreten ist, ist jedoch darauf zu verweisen, dass Sperren allein das Problem selten lösen. In aller Regel sind sie durch technische Änderungen zu umgehen; so dauert es nach Bekanntwerden einer Sperre oft nicht lange, bis in einschlägigen Videos in einer Art Schritt-für-Schritt-Anleitung aufgezeigt wird, wie man das gewünschte Angebot doch erreichen kann. Auch die Bundesregierung liess sich damals überzeugen, dass der Grundsatz „Löschen statt sperren“ zu effektiveren Ergebnissen führt, da die beanstandeten Inhalte dann gänzlich aus dem Netz genommen sind. Das Bundeskriminalamt bestätigte dann 2011, dass auch ohne Sperrgesetz innerhalb von vier Wochen 99 Prozent von Webseiten mit kinderpornographischem Inhalt gelöscht waren.

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