Die Bundesregierung bleibt vom Mittel der Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen im Internet überzeugt: auf eine »Kleine Anfrage« der Grünen hin wies man Kritik an der neu gegründeten »Clearingstelle Urheberrecht im Internet» zurück.
Im Februar 2021 haben Anbieter von Internetzugangsdiensten mit Sitz in Deutschland, darunter 1&1, die Telekom Deutschland GmbH und die Vodafone Deutschland GmbH, gemeinsam mit Rechteinhabern wie dem Bundesverband Musikindustrie eV, der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG und der Motion Picture Association (MPA), eine »Clearingstelle Urheberrecht im Internet« (CUII) gegründet. Ihr Ziel ist es, »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« zu bekämpfen. Darunter versteht man Webseiten, deren Geschäftsmodell auf massenhafte Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist. Mittel der Wahl sind dabei DNS-Sperren. Sie verhindern die Zuordnung eine Domain zu einer IP-Adresse und somit den direkten Zugang zu einer Webseite. Allerdings sind Netzsperren umstritten. Zum einen besteht die Gefahr, dass bei den technischen Sperrmaßnahmen auch Angebote blockiert werden, die legal im Netz stehen. Zum anderen sind die Manipulationen an dem Domain Name System (DNS) leicht auszuhebeln. Mehrere Abgeordnete der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen nahmen dies zum Anlass, am 04. Mai 2021 eine Kleine Anfrage (Drucksache 19/30050) an die Bundesregierung zu richten. Sie sehen durch das privatwirtschaftlich organisierte Verfahren die Interessen der Zivilgesellschaft beeinträchtigt, da Netzsperren zunächst verhängt werden, ohne dass eine richterliche Entscheidung darüber ergangen ist.
Diese Bedenken teilt die Bundesregierung indes nicht. In ihrer Antwort teilt sie mit, dass gegen die Gründung der CUII nach derzeitigem Sachstand keine grundsätzlichen Bedenken bestünden. Durch die formlose Einbindung der Bundesnetzagentur werde sichergestellt, dass Netzneutralitätsvorgaben nach Artikel 5 Absatz 1 Telecom-Single-Market-Verordnung (EU) 2015/2120 (TSM-Verordnung) berücksichtigt werden, bevor eine DNS-Sperre eingerichtet wird. Eine gerichtliche Überprüfung einer umgesetzten DNS-Sperre, z.B. auf Veranlassung von betroffenen Webseitenbetreibern oder von Internetnutzern, bleibe jederzeit möglich. Eine präjudizielle Wirkung auf die Sach- und Rechtslage käme einer DNS-Sperre nicht zu. Zudem könne die Bundesnetzagentur nachträglich erneut die Sperre ex-post gemäß §§ 126, 149 TKG auf eine Zulässigkeit mit den Netzneutralitätsvergaben prüfen. In ihre Überlegungen habe die Bundesregierung auch miteinbezogen, dass den Rechteinhabern in der Praxis kaum effiziente Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um gegen »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« vorzugehen, deren Geschäftsmodell auf Urheberrechtsverletzungen aufbaut, da diese meist aus nicht-europäischen Ländern betrieben werden, die eine behördliche Zusammenarbeit verweigern oder erschweren. Selbst wenn sich DNS-Sperren technisch umgehen lassen, würden sie eine Hürde zum Zugang zu »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« schaffen und so die Nutzer im Hinblick auf Verletzungen von Urheberrechten sensibilisieren. Die praktischen Auswirkungen der CUII würden weiter beobachtet.
Die Grünen wollen sich damit nicht zufrieden geben und setzen auch weiterhin auf »löschen statt sperren«.
Der Einsatz von grundrechtssensiblen Instrumenten wie Netzsperren kann nur Ultima Ratio sein und muss grundsätzlich an hohe Voraussetzungen geknüpft werden, die vom demokratisch-legitimierten Gesetzgeber selbst festzulegen sind,
so Tabea Rößner, Sprecherin der Fraktion für Netzpolitik. Angesichts der Erfahrungen mit dem Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz), das 2010 in Kraft trat, in der Praxis nicht angewandt wurde und im Dezember 2011 schließlich wieder außer Kraft getreten ist, ist daher weiterhin darauf zu verweisen, dass Sperren allein das Problem selten lösen.