Der Stuttgarter Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) fährt in der Debatte um die Einrichtung von Netzsperren schwere Geschütze auf: die erneute Forderung des Bundeskriminalamts (BKA) nach Sperren entpuppe sich als „Kapitulationserklärung gegenüber Kinderschändern“.
Erneut entbrannt ist die Debatte aufgrund einer nunmehr veröffentlichten, 15seitigen Präsentation, mit der sich das BKA Anfang Juli 2010 an die Regierungsfraktionen wandte und darin die Forderung nach Einrichtung von Websperren erneuerte. Interessant ist bereits der Einstieg; so findet der Normal-Nutzer nach Einschätzung des BKA kinderpornographische Inhalte über den Aufruf „normaler“ Pornographie, Spam-Mails und Recherche in Suchmaschinen. Dies widerspricht nach Ansicht des AK Zensur jeder Erfahrung: die einschlägigen Porno-Seiten enthalten keine kinderpornographischen Darstellungen, Spam-Mails mit Kinderpornographie habe man bei Auswertung von über 400.000 Nachrichten nicht gefunden, und gängige Suchmaschinen zeigen derartige Inhalte nicht und löschen sie zudem sofort, wenn sie eine Mitteilung erhalten. Eine solch leichte Verfügbarkeit oder offene Präsenz kann unter Berufung auf die Studie „Kinderpornographie und Internet“ von Frau Dr. Korinna Kuhnen aus dem Jahr 2007 laut AK Zensur ausgeschlossen werden.
Konkret zu untermauern versucht das BKA die Forderung nach einer Einrichtung von Websperren mit Evaluationsergebnissen aus dem ersten Halbjahr 2010. Demnach hat man zwischen 104 und 182 Mitteilungen monatlich an ausländische Staaten versandt, wobei in durchschnittlich etwa 45 Prozent der Fälle das beanstandete Angebot nach einer Woche noch verfügbar war; umgekehrt waren also etwa 65 Prozent der rechtswidrigen Inhalte nach sieben Tagen schon gelöscht. Warum das Ergebnis so mager ausfällt, erklärt der AK Zensur mit einem Verweis auf das „Harmonisierungspapier zum zukünftigen Umgang mit Hinweisen auf kinderpornographsche Webseiten beim BKA, den deutschen Beschwerdestellen (eco e.V., FSM e.V., jugendschutz.net) sowie der BPjM“: diesem ist zu entnehmen, dass die Zusammenarbeit der Beschwerdestellen aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen nicht klappt – mit anderen Worten: die Kommunikation hakt, nicht das Verhalten der Provider. Gleichwohl fordert das BKA, künftig nach dem Grundsatz „Sperren bis Löschung“ zu verfahren und zugangserschwerende Maßnahmen zu etablieren – ein Plädoyer für domainbasierte Netzsperren, auch wenn das BKA die nachvollziehbare Begründung schuldig bleibt.
Provokant stellt der AK Zensur zusammenfassend fest: „Wenn man bedenkt, dass es Banken international gelingt, Phishing-Sites regelmäßig innerhalb von Stunden vom Netz zu bekommen, stellt man sich die Frage, warum deren Maßnahmen um so viel effizienter sind als die des BKA.“