Der vor wenigen Tagen aus dem Amt geschiedene Innenminister Thomas de Maizière hat kurz vor seinem Wechsel ins Bundesverteidigungsministerium Forderungen zurückgewiesen, ab dem 1. März mit der Errichtung von Internetsperren zur Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte zu beginnen. Dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“ wollte de Maizière jedoch keinen Vorrang einräumen.
Seit dem 23. Februar 2010 gilt in Deutschland das „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in ommunikationsnetzen“ (Zugangserschwerungsgesetz). Nach dessen § 1 hat das Bundeskriminalamt eine Liste über vollqualifizierte Domain-Namen zu führen, für welche Diensteanbieter geeignete und zumutbare technische Maßnahmen zu ergreifen haben, um den Zugang zu erschweren. In der Praxis sperrt jedoch weder die Behörde noch ein Provider Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten, sondern betreibt nachdrücklich die Löschung solcher Angebote, wobei man sich zunächst einen Beobachtungszeitraum von einem Jahr gestatten wollte. Mit Ablauf dieses Jahres wurden nunmehr Forderungen aus der Unions-Bundestagsfraktion, darunter vom Unions-Fraktionsvize Günter Krings, laut, mit der Sperrung zu beginnen.
Doch dieser Ansicht vermochte sich de Maizière, am 3. März zum Amtsnachfolger des zurückgetretenen Karl-Theodor zu Guttenberg zum Bundesverteidigungsminister ernannt, nicht anzuschließen. In einem Interview mit „Spiegel Online“ antwortete de Maizière auf die Frage, ob er dem Drängen der Fraktion nachgeben werde: „Nein – das sage ich in aller Deutlichkeit. Ich nehme das als nachvollziehbaren, sachgerechten Hinweis, dass nach einem Jahr Praxis die Aussetzung der Netzsperren neu diskutiert werden muss. Aber ich werde nicht einseitig, ohne politische Absprache innerhalb der Koalition, diesen Erlass aufheben.“. Als Hinweis, dass er dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“ Vorrang einräumen wolle, wollte der Minister seine Äußerung jedoch nicht verstanden wissen; weder Löschen noch Sperren würde das Problem endgültig lösen. Von de Maizières Amtsnachfolger Hans-Peter Friedrich ist bisher nur bekannt, dass er seinerzeit für das Zugangserschwerungsgesetz stimmte; ob er hieran als Minister festhält, ist offen.
Das weitere Schicksal des Gesetzes dürfte sich ohnehin am Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström orientieren. Ein Entwurf aus dem März 2010 folgte dem Grundsatz „Sperren statt Löschen“ und sah deshalb Regelungen vor, den Zugriff auf Seiten mit Kinderpornographie zu sperren. Doch damit stieß Malmström nicht nur beim EU-Parlament, sondern auch bei Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf Widerstand, da die geplanten Sperrmechanismen leicht umgangen werden könnten und daher kein taugliches Mittel darstellen würden. Sowohl die Bundesregierung als auch Malmström kündigten an, im Frühjahr 2011 belastbares Zahlenmaterial vorzulegen; konkrete Zeitpunkte nannten aber beide noch nicht.