Der Rat der Europäischen Union plant, im Kampf gegen Straftaten im Internet neue Wege zu gehen: ein neues „Cybercrime-Zentrum“ soll unter anderem Domain-Namen und IP-Adressen widerrufen können.
In einem fünfseitigen Papier des EU-Ministerrats, der sich aus jeweils einem Vertreter pro Mitgliedsstaat üblicherweise auf Ministerebene zusammensetzt, betont man die überragende Bedeutung einer konzertierten Strategie von Maßnahmen gegen virtuelle Kriminalität, die kurz- wie mittelfristig umgesetzt werden solle. Zu den kurzfristigen Maßnahmen zählen unter anderem gemeinsam mit Europol die Erforschung von Cybercrime-Methoden, um sich ein besseres Bild vom Ausmaß und seiner Entwicklung machen zu können, zumal man die Tätergruppen als inhomogen und in vielerlei Kriminalitätsbereichen wie Betrug, Verletzung von Schutzrechten und Kinderpornographie agierend einschätzt. Zudem setzt der Rat verstärkt auf länderübergreifende Ermittlungsteams, wobei die Mitgliedsstaaten, Europol und Eurojust gemeinsam mit der EU-Kommission mitwirken sollen.
Neben diesen kurzfristigen Zielen plant der Ministerrat aber auch, verschiedene mittelfristige Maßnahmen anzugehen. Wörtlich spricht der Rat in dem bisher nur in Englisch vorliegenden Papier davon, „to adopt a common approach in the fight against cybercrime internationally, particularly in relation to the revocation of Domain Names and IP addresses. The Commission, in cooperation with the Member States and Europol, is invited to facilitate this objective.“. Umgesetzt werden sollen diese Ziele durch ein neues „Cybercrime-Zentrum“, für das die EU-Kommission zunächst eine Machbarkeitsstudie einholen soll. Wie dieses Zentrum aussehen soll, verrät das Papier ebenso wenig wie weitere Details, etwa wie ein solcher Widerruf einer Domain oder einer IP-Adresse aussehen soll. So stellt sich die Frage, ob man auf Ebene der Registry (im Fall von .de-Domains also bei der DENIC eG) oder dem einzelnen Domain-Registrar ansetzen will. Beides dürfte jedoch nur von eingeschränktem Nutzen sein, da sich nichteuropäische Registries und Registrare kaum den Regelungen der EU unterwerfen werden. Als Zeitfenster für die Umsetzung dieser Pläne nennt der Rat das „Stockholm Programme (2010-2014)“, so dass bis zu konkreten Regelungen noch einige Jahre vergehen dürfen.
In welchem Zusammenhang diese Maßnahme mit den Plänen zu europaweiten Websperren zu sehen ist, lässt das Papier ebenfalls offen. Inzwischen verstärkt sich die Forderung danach, kinderpornographische Inhalte zu löschen und nicht nur zu sperren. Das hinderte den Rat jedoch nicht, einen Beschluss zu fassen, der sich für Websperren ausspricht. Letztlich soll es den EU-Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, Regelungen zu finden. Von EU-weit einheitlichen Gesetzen ist also nicht auszugehen.