Showdown für das Zugangserschwerungsgesetz: der Bundestag hat am 21. September 2011 in erster Lesung über die Aufhebung des umstrittenen Websperrengesetzes beraten. Zum Zünglein an der Waage könnte der Bundesrat werden.
Am 23. Februar 2010 trat das „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen“ (Zugangserschwerungsgesetz) in Kraft, das durch die Einführung von Sperrlisten mit so genannten vollqualifizierten Domain-Namen die Grundlage für die Bekämpfung kinderpornographischer Angebote im Internet bieten sollte. Zum praktischen Einsatz kamen die umstrittenen Sperrlisten nie; im April 2011 beschloss der Koalitionsausschuss stattdessen, der Errichtung einer solchen Sperrinfrastruktur eine Absage zu erteilen. Am Mittwoch vergangener Woche begann nun der Bundestag, in erster Lesung über ein „Gesetz zur Aufhebung von Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ zu beraten; erwartungsgemäß nutzten sämtliche Fraktionen nochmals die Gelegenheit, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. So räumte Ansgar Heveling (CDU/CSU) ein, dass das Gesetz sicherlich nicht optimal sei; zugleich wies er jedoch darauf hin, dass die Polizeigesetze der Länder das Sperren von Internetseiten bisher, jetzt und auch in Zukunft auf gesetzlicher Grundlage zur Gefahrenabwehr erlauben würden.
Lars Klingbeil von der SPD-Fraktion gestand in seiner Rede zu, dass die Entscheidung, das Zugangserschwerungsgesetz zunächst für ein Jahr nicht anzuwenden, als Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG bewertet werden könne; die ersatzlose Aufhebung des Gesetzes finde daher die Zustimmung der SPD. Zugleich fordere man jedoch eine verbesserte Ausstattung von Behörden und eine Verbesserung der Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene, um die Löschung kinderpornographischer Netzinhalte zeitnah und effektiv durchzusetzen. Sebastian Blumenthal von der FDP rief in Erinnerung, dass die geplanten Sperrmaßnahmen leicht zu umgehen und für die eigentliche Bekämpfung von kinderpornographischen Inhalten völlig ungeeignet war; er kündigte an, dass seine Fraktion der Aufhebung zustimmen werde. Halina Wawzyniak (Die Linke) als auch Konstantin von Notz (Bündnis90 / Die Grünen) betonten ihre Erleichterung über das längst fällige Aufhebungsgesetz und kritisierten ebenfalls nochmals die verfassungsrechtlich unhaltbare Aussetzung eines geltenden Gesetzes. Auch sie kündigten für ihre Fraktionen an, der Aufhebung zuzustimmen.
Parlamentarischen Spielregeln folgend schließt sich an die erste Lesung nun Arbeit in den ständigen Ausschüssen an, die mit Abgeordneten aller Fraktionen besetzt sind; derenEmpfehlungen bilden die Grundlage für die zweite Lesung im Plenum. Nach einer allgemeinen Aussprache folgt in der Regel im Rahmen der dritten Lesung die Schlussabstimmung und die Zuleitung des Gesetzes an den Bundesrat. Die Ländervertreter haben bisher angekündigt, der Aufhebung zwar grundsätzlich zustimmen, sich jedoch eine Hintertür offenhalten zu wollen: im Rahmen einer Evaluierung solle geprüft werden können, ob sich die Tendenz zum raschen und wirksamen Löschen fortsetzt. Wann mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen ist, ist bisher nicht absehbar.