Der nach einem Referendum vom 23. Juni 2016 bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU stellt nach Einschätzung des eco – Verband der Internetwirtschaft eV tausende Domains britischer Inhaber in Frage. Zu diesem Ergebnis kommt das neue Diskussionspapier »Brexit – Challenges for the Domain Industry?«, das am 21. September 2016 vorgestellt wurde.
Anknüpfungspunkt für das achtseitige, in englischer Sprache gehaltene Diskussionspapier, das vom Names & Numbers Forum innerhalb des eco unter Federführung von Rechtsanwalt Thomas Rickert und Lars Steffen erarbeitet wurde, sind die verschiedenen Vergabebedingungen für Domain-Namen in der EU. So sehen etwa Policies für .eu, .it oder .fr vor, dass nur Unternehmen oder Personen mit Sitz in der Europäischen Union oder aus dem Europäischen Wirtschaftsraum Domain-Inhaber sein dürfen. Nach dem Brexit würden mehrere hunderttausend Domain-Registrierungen, die von Großbritannien aus vorgenommen wurden, den Vorgaben dieser Vergabestellen nicht mehr genügen. Das Schicksal dieser Domain-Registrierungen ist nach Einschätzung von eco derzeit ungewiss.
Aus Sicht von eco gibt es insgesamt fünf Optionen, wie mit diesem Problem umgegangen werden kann. Nummer eins wäre eine »Pause for registration«, mit der die EU-Kommission Registries anweist, keine Domain-Namen für Personen mit Sitz in Großbritannien mehr zu registrieren; die Pause würde enden, sobald eine Neuregelung getroffen wäre. Option Nummer zwei bezeichnet eco mit »Grandfathering«; profitieren würden alle jene britischen Domain-Inhaber, die bereits vor dem Brexit-Votum ihre Adressen registriert hätten, während alle anderen von der Neuregistrierung ausgeschlossen wären. Ein scharfes Schwert hielte Option drei bereit: bei der »Revocation« würden die Briten alle schon registrierten Domains verlieren und künftig nicht mehr neu registrieren können. In Option vier würde mittels »Proxy registration services« eine Art Treuhänder geschaffen, der die Einhaltung der Vergaberegeln sicherstellt. Die in der Praxis wohl einfachste Option fünf wäre schließlich, dass Großbritannien Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bleibt; dieser dehnt aktuell den EU-Binnenmarkt auf Island, Liechtenstein und Norwegen aus. Ein unmittelbares Risiko, Domains zu verlieren, sieht auch eco nicht; zugleich mahnt man aber eindringlich an, sich rechtzeitig mit dem Problem zu befassen.
Mit unserem Paper und dem Eröffnen eines Diskussionsforums möchten wir dazu beitragen, dass die Auswirkungen des Brexit für Unternehmen und Kunden überschaubar bleiben und bald Rechtssicherheit für alle Beteiligten auf Basis von Expertenwissen geschaffen werden kann,
so Rickert.
Die .eu-Registry EURid hatte im Juni 2016 mitgeteilt, dass man im Zusammenhang mit dem Brexit keinerlei Maßnahmen gegen Inhaber von .eu-Domains plant, die von Personen mit Sitz in Großbritannien registriert sind. Dies ergab sich damals schon daraus, dass die politische wie juristische Umsetzung des Brexit noch nicht initiiert worden war. Allerdings deutete EURid schon damals an, dass sich dies ändern könne; wenn der Zeitplan und die Details des Brexit bekannt seien, erwarte man eine Weisung der EU-Kommission, wie man ihn für .eu umzusetzen habe. Offizielle Statistiken von EURid weisen aktuell rund 300.000 Inhaber von .eu-Domains mit Sitz in Großbritannien aus; sie alle könnten ihre Adresse im Zuge des Brexit verlieren.