Ein Verlag verklagte eine Stadt wegen werbefinanzierter Inhalte auf deren Webseite, da die Gemeinde als öffentlich-rechtliche Institution mit Werbung die Neutralität der Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Gebot der Staatsferne der Presse) verletze. Die Stadt meint, der Verlag wolle ihre Website ganz abschalten, was alleine über den öffentlich-rechtlichen Klageweg gehe. Das angerufene Zivilgericht sah sich als unzuständig an, weshalb zuerst die Frage der Zuständigkeit geklärt werden musste.
Mit Schriftsatz vom 21. August 2017 erhob die Klägerin, ein Verlag, Klage gegen die Beklagte, eine Gemeinde, weil diese eine Internetseite betreibe, die aufgrund einzelner Inhalte dem Gebot der Staatsferne der Presse widerspreche, da die Internetseite einzelne werbefinanzierte Inhalte enthalte. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Zivilrechtsweg sei eröffnet, da zwischen ihr und der Gemeinde ein Wettbewerbsverhältnis bestehe: Die Beklagte betreibe Online-Werbung, mit der sie mit ihr auf dem Werbemarkt konkurriere. Im Verfahren stellte die Klägerin mehrfach klar, es gehe alleine um die Frage, ob die Beklagte bezogen auf ihr kommunales Online-Portal die Grenzen wahre, die für staatliche Öffentlichkeitsarbeit vorgegeben seien. Es komme darauf an, ob die Beklagte das Gebot der »Staatsfreiheit der Presse« hinreichend beachte. Es stehe ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung in Streit, womit sich die Beklagte unlauter im Wettbewerb verhalte (§ 3a UWG). Klar sei jedoch, dass die Beklagte grundsätzlich ein kommunales Internetportal betreiben dürfe. Die Klägerin stellte einen Unterlassungsantrag hinsichtlich der werbefinanzierten Inhalte. Die Beklagte meint, es ginge letztlich darum, ob sie überhaupt ein auf die kommunalen Aufgaben und ihren Standort ausgerichtetes, redaktionell gestaltetes Internetangebot präsentieren dürfe. Damit richte sich der Klageantrag gegen eine von einem Hoheitsträger im Zusammenhang mit seiner Beschlussfassungs- und Organkompetenz getroffene Entscheidung. Der Entschluss zu dieser staatlichen Tätigkeit beruhe ausschließlich auf öffentlich-rechtlichen Grundlagen, weshalb die Klägerin nur im Verwaltungsrechtsweg dagegen vorgehen könne. Die hier greifenden Normen regelten lediglich die Marktzutrittsregelung und nicht die Marktverhaltensregelung. Ein Verstoß dagegen könne keinen Wettbewerbsverstoß begründen; zuständig sei damit die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Sache ging durch die Instanzen bei der Frage der Zuständigkeit des Zivilgerichts. Das Landgericht Dortmund erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit von Amts wegen an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, da es sich aus seiner Sicht um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art handele (Beschluss vom 26.06.2018, Az. 3 O 262/17). Das Gericht meinte, die Klägerin strebe die Regelung eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnis an. Es war der Ansicht, das aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Gebot der Staatsferne der Presse stelle keine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG, sondern eine Marktzutrittsregelung dar. Gegen den am 27. Juni 2018 zugestellten Beschluss wandte sich die Klägerin mit einer sofortigen Beschwerde an das LG Dortmund. Das LG Dortmund half der sofortigen Beschwerde nicht ab, so dass die Sache dem OLG Hamm zur Prüfung vorgelegt wurde.
Das OLG Hamm gab dem Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des LG Dortmund hinsichtlich der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit statt (Beschluss vom 14.02.2019, Az.: 4 W 87/18). Das OLG Hamm vertritt die Ansicht, dass für einen Streit über Inhalte eines Internetangebots einer Gemeinde der Zivilrechtsweg eröffnet ist, sofern Online-Werbung auf der Webseite erscheint. Die Beurteilung, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richte sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet werde. Es komme auf die Rechtsnatur des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs an, wie er sich aus dem Klageantrag in Verbindung mit den vom Kläger zur Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen ergibt. Dabei sei es nicht erforderlich, dass ein zivilrechtlicher Klageanspruch schlüssig dargetan ist. Unter der Annahme, der Parteivortrag sei richtig, müssten sich Rechtsbeziehungen oder -folgen ergeben, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte bestehe. Danach liege hier eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor. Zudem ergäbe sich hier eindeutig, dass die Klägerin keinesfalls ein generelles Verbot des Telemedienangebots der Beklagten erwirken wolle. Es gehe ihr um die im Einzelnen beanstandeten redaktionellen Beiträge auf der Internetseite, die das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt hätten. Ein generelles Verbot des Telemedienangebots sei demnach nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Das OLG Hamm stellte weiterhin fest, dass die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) zueinander stehen, da beide Parteien kostenlose Pressebeiträge mit Werbeanzeigen herausgeben und gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Insgesamt stütze die Klägerin ihr Begehren daher auf zivilrechtliche Normen. Da es bei der Beurteilung des Falles allein auf die Möglichkeit, der klägerische Vortrag sei korrekt, ankomme, könne offen bleiben, ob der Anspruch der Klägerin schlüssig dargelegt sei. So bestätigte das OLG Hamm den zivilen Klageweg für das Verfahren. Über die Hauptsache selbst musste es nicht entscheiden, das ist Aufgabe des LG Dortmund.
Abgesehen davon, dass sich das OLG Hamm in weiten Zügen auf vergleichbare BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 20.12.2018, Az.: I ZR 112/17) berief, die in den vergangenen Monaten bezogen auf den analogen Bereich entstanden ist, fällt auf, wie lange dieses einfache Beschlussverfahren durch die Instanzen ging. Die Klägerin hatte die Klage im August 2017 eingereicht. Der erste Beschluss des LG Dortmund erging am 26. Juni 2018, auf die sofortige Beschwerde erging vom LG Dortmund der zweite Beschluss am 26. Juli 2018. Die Entscheidung des OLG Hamm erging am 14. Februar 2019. Wann das LG Dortmund über die Hauptsache entscheidet oder entschieden hat, ist uns derzeit nicht bekannt.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.