Verfahrensrecht

LG München I legt die Hürde für einstweilige Verfügungen zur Sperrung von Domain Name Servern hoch

Die Hürden für eine DNS-Sperre im einstweiligen Verfügungsverfahren liegen künftig deutlich höher. Das hat das Landgericht München I (Urteil vom 22.02.2019, Az. 37 O 18232/18) entschieden und damit die »Dead Island«-Entscheidung des BGH (Urteil vom 26.07.2018, Az. I ZR 64/17) konsequent fortgesetzt.

Die Verfügungsklägerin zu 1) betreibt ein Pay-TV-Angebot, die Verfügungsklägerinnen zu 2) bis 6) gehören zu den sogenannten Hollywood-Studios. Sie verlangen von den Verfügungsbeklagten, die Vermittlung des Zugangs über das Internet zu mehreren Filmen bzw. Serien durch die Einrichtung einer DNS-Sperre zu verhindern. Gesperrt werden sollen insbesondere 22 Domain-Namen, darunter kinox.to, kinos.to, kinox.cloud, serienstream.to und s.to. Die Verfügungsbeklagte zu 1) bietet ihren Kunden die Möglichkeit, über DSL-Internetzugänge das Internet zu nutzen; dazu betreibt sie 208 DNS-Server, die technisch die Umstellung der Domains in die Ziffernfolge der IP-Adressen bewerkstelligen. Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist ein mit der Verfügungsbeklagten zu 1) verbundenes Unternehmen. Die Verfügungsklägerinnen haben die Verfügungsbeklagten mit Anwaltsschreiben vom 14. Dezember 2018 unter Fristsetzung bis 18. Dezember 2018 aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Verfügungsbeklagten ihren Kunden über das Internet Zugang zu den streitgegenständlichen Werken, darunter die Serie »Das Boot«, vermitteln. Mit Anwaltsschreiben vom 18. Dezember 2018 weigerten sich die Verfügungsbeklagten, der Aufforderung der Verfügungsklägerinnen nachzukommen. Am 20. Dezember 2018, am Landgericht München I eingegangen am 21. Dezember 2018, beantragten die Verfügungsklägerinnen daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Dringlichkeit begründeten sie damit, seit dem 21. November 2018 Kenntnis davon zu haben, dass die Werke illegal öffentlich zugänglich gemacht würden. Effektiven Rechtsschutz könnten sie lediglich im einstweiligen Verfügungsverfahren erlangen. Ein Hauptsacheverfahren würde bis weit in das Jahr 2019 hinein andauern.

Mit Endurteil vom 22. Februar 2019 lehnte das Landgericht München I diesen Antrag kostenpflichtig ab. Das Gericht gelangte zu der Ansicht, dass es an der Dringlichkeit fehle. Nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München kann nicht mehr von Dringlichkeit ausgegangen werden, wenn ein Verfügungskläger länger als einen Monat ab Erlangung der Kenntnis von der Verletzungshandlung und der Person des Verletzers zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Vorliegend hatten die Verfügungsklägerinnen bereits länger als einen Monat Kenntnis von den streitgegenständlichen Internetdiensten. Insbesondere die Vorgänge um kinox.to und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Betreiber werden gerichtsbekannt seit mehreren Jahren durch intensive Medienberichterstattung begleitet. Zwar sei ein Vorgehen gegen Access-Provider im Grundsatz möglich; die »Dead Island«-Entscheidung des BGH lege aber eine nicht-werksbezogene Auslegung im Rahmen der Dringlichkeit nahe. Wenn bereits der Hinweis auf irgendeine gleichartige vorangegangene Urheberrechtsverletzung die Annahme einer Verhaltenspflicht auf Seiten des Anschlussinhabers auslöst, so muss sich dies spiegelbildlich auch auf die Anforderungen im Rahmen der Dringlichkeit auswirken. Auch die Verfügungsklägerinnen begehren mit einer DNS-Sperre keine auf einzelne Werke schutzrechtsbezogene Maßnahme; sie dient – da der Zugang zu den streitgegenständlichen Internetdiensten insgesamt gesperrt werden soll – stattdessen der Vorbeugung gegen jegliche Urheberrechtsverletzung auf den streitgegenständlichen Portalen. Andernfalls stünde den Rechteinhabern – obwohl ihnen die Möglichkeit schon bei vorangegangenen Rechtsverstössen offengestanden hätte – bei jedem neu erschienenen Werk wieder die Dringlichkeit offen. Mit anderen Worten: die Rechteinhaber können in diesen Fällen keine DNS-Sperre verlangen, sondern lediglich auf einzelne Werke schutzrechtsbezogene Maßnahmen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht München hat aber bereits im Februar (Urteil vom 07.02.2019, Az. 29 U 3889/18) einer plattformbezogenen, nicht werkbezogenen DNS-Sperre die Dringlichkeit versagt. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Thomas Stadler würden werkbezogenen Maßnahmen gegenüber Access-Providern allerdings wohl spezifische Filteranstrengungen auf Inhaltsebene erfordern, was nicht nur deutlich aufwendiger, sondern auch von einer ganz anderen Eingriffsintensität wäre. Für online begangene Urheberrechtsverletzungen liegen die Hürden einer einstweiligen Verfügung zur Einrichtung einer DNS-Sperre jedenfalls in Zukunft deutlich höher.

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