OLG München

gewinne-ein-iphone.de: Würdigung einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht

Das Oberlandesgericht München knackte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens eine harte Nuss. Die Entscheidung hat nur mittelbar etwas mit Domain-Recht zu tun. Vielmehr geht es um eine verfahrenstechnische Sache, bei der aber die Domain gewinne-ein-iphone.de eine wichtige Rolle spielte.

Über die Domain gewinne-ein-iphone.de lief eine Werbeaktion, bei der die Teilnehmer Kontaktdaten hinterliessen und sich damit einverstanden erklärten, dass die Daten zu Werbezwecken an Dritte weitergegeben werden. Die Antragsgegnerin, die Stromlieferverträge per Direktmarketing für Dritte vermittelt, erhielt die Daten einer Person und rief sie an. Bei dieser Person handelte es sich um eine Rechtsanwältin. Deren Arbeitgeber, der seinerseits Strom und Gas vertreibt und entsprechende Verträge vermittelt, ist die antragstellende Partei. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Augsburg (Az.: 1 HK O 1485/16) ging die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin vor und beantragte die Unterlassung solcher Werbeanrufe bei Verbrauchern. Es erging eine einstweilige Verfügung, gegen die die Antragsgegnerin Widerspruch einlegte. So kam es zur mündlichen Verhandlung vor dem LG Augsburg, bei der die angestellte Rechtsanwältin aussagte, dass sie an der Werbeaktion über die Domain gewinne-ein-iphone.de nicht teilgenommen habe; sie interessiere sich, wenn, für Gewinnspiele über Autos oder Reisen; bei gewinne-ein-iphone.de hätte sie schon deshalb nicht mitgemacht, weil sie keine iPhones möge. Darüber hinaus machte sie weitere detaillierte Angaben, warum sie nicht und kein anderer für sie an dem Gewinnspiel teilgenommen hat. Die Antragsgegnerin legte eine eidesstattliche Versicherung des Betreibers der Domain gewinne-ein-iphone.de mit, in der er darlegt, wie genau der Teilnahmevorgang der Person ablief, vom Eintrag auf der Webseite über die Bestätigung durch einen via SMS übersandten Code. Das Gericht wies daraufhin die einstweilige Verfügung zurück. Hiergegen ging die Antragstellerin in Berufung zum Oberlandesgericht München.

Das OLG München prüfte die Sache, verwertete die Zeugenaussage der ersten Instanz, bestätigte die Berufung und gab der einstweiligen Verfügung statt (OLG München, Urteil vom 26.01.2017, Az.: 29 U 3841/16). Das OLG ging zunächst davon aus, dass eine Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung stets als unzumutbare Belästigung anzusehen ist (§ 7 Absatz 2 Nr. 2 UWG). Das LG Augsburg habe festgestellt, es liege eine Einwilligung der Rechtsanwältin vor, weil es das Vorbringen der Antragsgegnerin als glaubhaft gemacht angesehen hat. Das OLG München sah die Würdigung der Beweisaufnahme durch das LG Augsburg als »fehlsam« an, weshalb es seinerseits diese, mangels Anwesenheit der Zeugin, neu würdigte. Bei seiner Beurteilung stützte sich das OLG München auf die Niederschrift der Vernehmung der Zeugin im ersten Rechtszug. Dieser Weg ist allerdings unüblich. Das OLG München bestätigte, dass es ein Verbot der abweichenden Beurteilung der Aussagen von Zeugen durch das Berufungsgericht ohne erneute Vernehmung gibt. Doch das sei auf ein Verfügungsverfahren nicht anwendbar, da hier als Mittel der Glaubhaftmachung auch mittelbare Beweismittel wie die eidesstattliche Versicherung, schriftliche Zeugenaussagen und anwaltliche Versicherung zulässig sind, die alle nicht mit dem Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vereinbar sind. Dies klargestellt, stellte das OLG München nun fest, dass die beiden sich gegenüberstehenden Angaben, einerseits der Zeugin für die Antragstellerin und andererseits der eidesstattlichen Versicherung auf Seiten der Antragsgegnerin, in einem unüberwindlichen Widerspruch zueinander stehen. Doch bei der Würdigung beider Angaben gab das Gericht letztlich der Zeugenaussage vor der eidesstattlichen Versicherung den Vorrang. Das Gericht führte detailliert aus, warum es die Zeugin für glaubwürdig und ihre Aussage für glaubhaft halte, und warum es die »Glaubhaftmachungslage« der eidesstattlichen Versicherung als derart unsicher ansieht, dass es nicht von der für die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit des beanstandeten Anrufs erforderlichen, vorherigen Einwilligung ausgehen konnte. Es bestätigte die einstweilige Verfügung und gab der Antragstellerin Recht.

Die Angelegenheit und wie das OLG München sie angegangen ist, war heikel. Die Begründung für die erneute Würdigung der Beweisdaten in dem zehn Seiten umfassenden Urteil ist nachvollziehbar. Das OLG München räumt hier der mündlichen Aussage den Vorrang vor einer eidesstattlichen Versicherung mit technischen Details den Vorrang ein. Und das, obwohl Juristen bestens bekannt ist, wie unsicher das menschliche Erinnerungsvermögen ist. Aber die Würdigung der Zeugin und ihrer Aussage sowie der eidesstattlichen Versicherung machen einen überzeugenden Eindruck. An der Entscheidung, so heikel sie ist, ist nur schwer zu rütteln.

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