Urheberrecht

Quad9 initiiert im Streit um Netzsperren das Hauptsacheverfahren der Musikindustrie vor dem Landgericht Leipzig

Im Streit mit der Sony Music Entertainment Germany GmbH um die Sperrung von bestimmten Domain-Namen hat der in Zürich ansässige DNS-Resolver-Betreiber Quad9 die Einleitung eines Hauptsache-Verfahrens initiiert. Das Verfahren wird am Landgericht in Leipzig stattfinden.

Auf Antrag der Sony Music Entertainment Germany GmbH hatte das Landgericht in Hamburg am 12. Mai 2021 eine einstweilige Verfügung erlassen. Darin wird Quad9 verboten, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Musikalbum der US-Band Evanescence öffentlich zugänglich zu machen, indem Quad9 einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der den Kunden eine Übersetzung von Domains in numerische IP-Adressen zur Verfügung stellt, so dass es mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, eine bestimmte Domain zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des vorgenannten Albums aufzurufen. Hiergegen wandte sich Quad9 mit einem umfangreich begründeten Widerspruch vom 31. August 2021, blieb damit aber ohne Erfolg: am 30. November 2021 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Das Landgericht stützt sich unter anderem auf ein Urteil des OLG Köln vom 09. Oktober 2020 (Az. 6 U 32/20), das sowohl eine unmittelbaren Anwendbarkeit des § 8 Absatz 1 TMG als auch eine erweiternde Auslegung der Norm abgelehnt hatte. Quad9 ist gegen diese Entscheidung in Berufung gegangen, über die bisher nicht entschieden wurde.

Mittlerweile hat Quad9 den Antrag gestellt, das Hauptsacheverfahren durchzuführen. Das soll insbesondere die Möglichkeit eröffnen, Zeugen anzuhören und Sachverständigengutachten einzuholen. Sony ist der Aufforderung nachgekommen und hat vor dem Landgericht Leipzig Klage erhoben. Quad9 hat auf die Klage bereits erwidert und sowohl Zeugen als auch eine „highly respected group of technical subject matter experts“ benannt. Rechtlich stützt man sich im Wesentlichen auf die Argumente, die auch bereits im Widerspruch niedergelegt sind. Hierzu gehören neben einer Reihe formaler Einwendungen das Berufen auf eine Haftungsprivilegierung gemäß §§ 8, Abs. 1, 9 TMG, jedenfalls in analoger Anwendung, und die Ablehnung einer Störerhaftung mangels adäquat-kausalen Beitrags zu einer Urheberrechtsverletzung und mangels Verletzung zumutbarer Prüfpflichten. Ausserdem sei vorrangig ein tatnäherer Beteiligter in Anspruch zu nehmen, wie beispielsweise der Access-Provider. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung wurde bisher nicht bestimmt.

Nach Einschätzung der Berliner Gesellschaft für Freiheitsrechte eV (GFF) steht das Verfahren gegen Quad9 in einem größeren Kontext konzertierter Versuche der Unterhaltungsindustrie, Netzsperren wegen Urheberrechtsverletzungen durchzusetzen. Wenn deutsche Internetzugangsanbieter wie die Telekom freiwillig eine DNS-Sperre verhängen, gelte diese zumindest nur für deutsche Kunden. Wenn künftig aber auch DNS-Resolver sich gezwungen sähen, Webseiten auf Zuruf zu sperren, könnten die Sperrwünsche deutscher Rechteinhaberverbände weltweite Wirkung entfalten. Für einen global agierenden DNS-Resolver sei es nicht ohne weiteres möglich, eine Sperre auf die Nutzer eines Landes zu beschränken, weil diese Unterscheidung technisch nicht vorgesehen sei. Umso wichtiger ist es, DNS-Resolver als technisch neutrale, dem Gemeinwohl dienende Internetdienste von jeglicher Haftung für Urheberrechtsverletzungen Dritter zu befreien.

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