Urheberrecht

BGH-Entscheidung zu Kriterien der öffentlichen Zugänglichmachung eines Bildes

In einer aktuellen Entscheidung äußert sich der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Frage, wann von einer öffentlichen Zugänglichmachung im Internet eines urheberrechtlich geschützten Bildes die Rede ist, und wann das dafür maßgebliche Kriterium »recht viele Personen« erfüllt ist.

Der Kläger ist Berufsfotograf. Der Beklagte verwendete im Jahr 2013 insgesamt drei vom Kläger gefertigte Lichtbilder von Lautsprechern für zwei Angebote zum Verkauf von Lautsprechern auf der Internet-Handelsplattform eBay-Kleinanzeigen. Der Kläger mahnte den Beklagten ab, der sich in einer Unterlassungserklärung vom 23. April 2013 verpflichtete, es bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 1.000,– für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die in der Erklärung näher bezeichneten drei Lichtbilder im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne die hierzu erforderlichen Rechte innezuhaben. Der Kläger stellte später fest, dass eines der Lichtbilder noch bis zum 07. März 2014 unter einer URL mit einer über 70-stelligen Folge von groß und klein geschriebenen Buchstaben, Sonderzeichen und Ziffern abrufbar war. Der Kläger machte die Vertragsstrafe geltend, die er nicht bekam, weshalb er vor dem Landgericht Frankfurt/M klagte. Das Landgericht wies die Klage ab (Urteil vom 10.04.2019 – Az. 2-6 O 299/18), der Kläger ging in Berufung. Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Berufung zurück (Urteil vom 16.06.2020 – Az. 11 U 46/19), weil der im Unterlassungsvertrag genutzte Begriff der öffentlichen Zugänglichmachung die selbe Bedeutung habe wie in der gesetzlichen Regelung gemäß § 19a UrhG, für den das danach maßgebliche Merkmal der Öffentlichkeit und die deshalb erforderliche Wiedergabe gegenüber »recht vielen Personen« nicht erfüllt sei. Das OLG Frankfurt ließ jedoch die Revision zu, die der Kläger auch einlegte.

Der nun zuständige Bundesgerichtshof wies die Revision zurück, da das Berufungsgericht die Rechtslage richtig geprüft und eingeschätzt hat, und dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder auf der Grundlage des Unterlassungsvertrags noch aus dem Urheberrecht (§ 97 Abs. 1 UrhG) zustehe: der Beklagte habe das vom Kläger für sich in Anspruch genommene Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG nicht verletzt (Urteil vom 27. Mai 2021, Az. I ZR 119/20). Der BGH stellte fest, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Zugänglichmachung von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Der in § 19a UrhG genutzte Begriff der »öffentlichen Zugänglichmachung« unterliege Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG. Danach muss einerseits eine Handlung der Wiedergabe und andererseits die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe vorliegen. Im vorliegenden Falle würde der Begriff der Öffentlichkeit nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt. Um eine »unbestimmte Zahl potentieller Adressaten« handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Das Berufungsgericht sei der Ansicht, das Merkmal der Öffentlichkeit ist hier nicht erfüllt, da das Foto nur durch die Eingabe der rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich gewesen ist. Gegen diese Einschätzung wehrte sich der Kläger mit der Revision.

Der BGH sah hier revisionsrechtlich die Möglichkeit, die Einschätzung des Berufungsgerichts zu überprüfen, nämlich ob das Berufungsgericht den zutreffenden rechtlichen Maßstab angewandt habe, dabei kein Verstoß gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze vorlag und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt blieben. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass das Berufungsgericht den zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt hat und die tatgerichtliche Beurteilung der rechtlichen Nachprüfung standhalte: Das Berufungsgericht habe angenommen, eine Wiedergabe gegenüber »recht vielen Personen« liege auf der Grundlage der vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht vor. Das streitgegenständliche Foto sei nur durch die Eingabe der rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich gewesen. Damit beschränke sich der relevante Personenkreis faktisch auf diejenigen Personen, die diese Adresse zuvor – als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der eBay-Anzeige des Beklagten frei zugänglich gewesen sei – abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert hätten, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden sei. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass außer dem Kläger noch »recht viele« andere Personen die URL-Adresse gekannt und Zugang zu dem Foto gehabt haben könnten. Weiter ging der BGH vertieft auf die Frage ein, ob das Berufungsgericht bei seiner tatgerichtlichen Beurteilung im Sinne von § 291 ZPO offenkundige Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat, konnte hierbei aber auch keinen Fehler des OLG Frankfurt feststellen. Schließlich stellte der BGH fest, dass die Verneinung des Vertragsstrafeanspruchs durch das Berufungsgericht ebenfalls korrekt sei, da der Beklagte nicht gegen die Unterlassungserklärung verstoßen habe und darum nicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet ist; selbst aber wenn ein Verstoß festgestellt worden wäre, so wäre der Anspruch verjährt gewesen. Damit wies der BGH die Revision zurück und legte dem Kläger die Kosten auf.

In einem Leitsatz hält der BGH fest, dass das für die Prüfung der öffentlichen Zugänglichmachung relevante Kriterium »recht viele Personen« nicht erfüllt ist, wenn ein Produktfoto, das zunächst von einem Verkäufer urheberrechtsverletzend auf einer Internethandelsplattform im Rahmen seiner Verkaufsanzeige öffentlich zugänglich gemacht worden war, nach Abgabe einer Unterlassungserklärung des Verkäufers nur noch durch die Eingabe einer rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich war und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben wird, die diese Adresse zuvor – als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war – abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert haben, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden war.

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