Die deutsche Wirtgen Group Holding GmbH erstritt sich vor der WIPO die drei Domains hamm.ir, vogele.ir und wirtgen.ir von einem ehemaligen Geschäftspartner. Das gelang allein, weil nicht die UDRP, sondern die .irDRP einschlägig war.
Die deutsche Wirtgen Group Holding GmbH mit Sitz in Windhagen, Mutterkonzern verschiedener Unternehmen, die Inhaberinnen der Marken HAMM, VOGELE und WIRTGEN sind, ging gegen die Unternehmung Abkouh mit Sitz in Teheran (Iran) vor, die Inhaberin der Domain-Namen hamm.ir, vogele.ir und wirtgen.ir ist. Die Wirtgen Group baut und vertreibt Straßenbaumaschinen, Minenabbaufahrzeuge und Teermaschinen. Die Beschwerdegegnerin registrierte die Domains am 30. August 2011. Zu dem Zeitpunkt, bis 2015, war Abkouh Repräsentantin der Beschwerdeführerin im Iran, und deren Geschäftsführer bis 19. März 2014 Verkäufer bei der iranischen Tochter Wirtgen Qshem Ltd. Derzeit leiten die drei Domains auf abkouh.com weiter, eine Webseite der Gegnerin, auf der die Marken der Beschwerdeführerin angezeigt werden und auch das Logo der Wirtgen Group. Die Beschwerdeführerin sieht hierdurch ihre Markenrechte verletzt, da die Gegnerin nicht mehr ihr Repräsentant in Iran ist, sondern lediglich ein normaler Kunde. Auf ihrer Webseite gibt es keinen Hinweis darauf, dass sie nicht mehr Repräsentant der Beschwerdeführerin ist. Internetnutzer könnten dadurch fehlgeleitet werden und die Reputation der Marken der Beschwerdeführerin darunter leiden. Die Gegnerin nutze die Domains nicht zu einem gutgläubigen Angebot von Waren und Dienstleistungen, sondern biete gebrauchte Maschinen der Beschwerdeführerin an. Die Beschwerdeführerin beantragt die Übertragung der Domains hamm.ir, vogele.ir und wirtgen.ir auf sich. Die Gegnerin hält entgegen, sie biete die Güter der Beschwerdeführerin seit 2003 an und sei seit 2008 registrierte Verkäuferin der Wirtgen Qshem Ltd. Aufgrund eines Vertrages von 2010 vertreibe sie nur mehr gebrauchte Maschinen der Beschwerdeführerin. Die Nutzung der Marken HAMM, VOGELE und WIRTGEN wurde im Jahr 2008 von der Wirtgen Qshem Ltd. genehmigt. Da das eigene Angebot online allein auf persisch angeboten werde, mache dies jedem Nutzer deutlich, dass keine besondere Verbindung zur Beschwerdeführerin besteht. Die Beschwerdegegnerin sieht in dem Verfahren ein Reverse Domain Name Hijacking. Als Entscheider in der Sache wurde der britisch-australische Jurist und Mediator Alan L. Limbury berufen.
Limbury bestätigte den Transferantrag der Beschwerdeführerin (WIPO Case No. DIR2017-0009). Zunächst stellte er fest, dass die auf Grundlage der UDRP entwickelte iranische Streitbeilegungspolicy (.irDRP) auf alle drei Domains Anwendung findet. Alsdann bestätigte er, dass die Marken der Tochterunternehmungen der Beschwerdeführerin und die Domains hamm.ir, vogele.ir und wirtgen.ir identisch sind. Die Frage nach dem fehlenden Recht oder dem fehlenden legitimen Interesse an den Domain-Namen erwies sich als schwieriger. Die Gegnerin legte den Vertrag zum offiziellen Verkaufsvertreter vom 21. März 2013 vor, in dem die Wirtgen Qshem Ltd. der Gegnerin volle und exklusive Handelsrechte für zwei Jahre einräumte, soweit er nicht verlängert werde. Dass der Vertrag verlängert wurde, konnte Limbury nicht feststellen, weshalb er davon ausging, dass er am 20. März 2015 endete. Der Erklärung des Geschäftsführers der Wirtgen Qshem Ltd. in 2008, wonach die Gegnerin die Marken von Wirtgen nutzen dürfe, entnahm Limbury, dass dies alleine zu Werbezwecken gedacht war. Die Seite abkouh.com verfügt lediglich über einen Copyright-Vermerk von 2010, einem Zeitpunkt, zu dem die Gegnerin die Marken benutzen durfte. Die aktuellen Inhalte der Webseite bezeichnen Abkouh zudem als offiziellen Repräsentanten der Wirtgen Qshem Ltd. Es stellte sich heraus, dass die Gegnerin die Domains 2011 registrierte, um ihre Funktion als autorisierter Händler zu erfüllen. Nach Ablauf des Vertrages nutzte sie die Domains, um ihre Funktion als autorisierter Händler der Wirtgen Qshem Ltd. zu erfüllen. Sie bietet ausschließlich Maschinen von Wirtgen an. Allerdings ist der offizielle Vertrag als autorisierter Händler bereits 2015 ausgelaufen. Mithin bestehe kein Recht oder legitimes Interesse mehr zu Gunsten der Beschwerdegegnerin.
So blieb noch die Frage nach der Bösgläubigkeit. Hier machte Limbury deutlich, dass die .irDRP einen kleinen, aber wichtigen Unterschied zur UDRP aufweist: während unter der UDRP die Bögläubigkeit sowohl bei Registrierung der Domain als auch bei deren Nutzung sichtbar werden muss, reicht es nach der .irDRP aus, wenn sie entweder bei Registrierung oder bei der Nutzung der Domain zutage tritt. Dieser feine Unterschied sorgte dafür, dass Limbury der Beschwerdeführerin Recht gab. Die Gegnerin registrierte die Domains hamm.ir, vogele.ir und wirtgen.ir, als sie autorisierter Händler der Beschwerdeführerin war, weshalb sie zu dem Zeitpunkt nicht als bösgläubig gelte. Doch nachdem der Vertrag 2015 ausgelaufen und sie nicht mehr autorisierter Händler war, sieht es danach aus, dass die Nutzung der Marken und des Logos der Wirtgen Group bei Nutzern die Vorstellung hervorruft, die Gegnerin sei offizieller Partner der Wirtgen Qshem Ltd. Damit jedoch nutze die Gegnerin die Domains bösgläubig, und die Voraussetzungen der .irDRP sind erfüllt. Die Frage des Reverse Domain Name Hijacking stellte sich unter diesen Umständen nicht mehr, und Alan L. Limbury entschied auf Transfer der Domains hamm.ir, vogele.ir und wirtgen.ir.
Auch wenn eine Streitbeilegungsordnung auf der Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy fusst, gibt es keine Gewähr, dass sie nicht ein wenig von deren gewohnten Regeln abweicht. Die .irDRP zeigt, dass »oder« statt »und« einen großen Unterschied machen kann.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.