WIPO

Im Streit um Marken und Domains weist der Fachmann die Parteien auf einen Zivilprozess

Wir haben wiederholt UDRP-Entscheidungen besprochen, bei denen Parteien sich auf einen Streit um eine Domain stürzen, obwohl es um ganz anderes geht, zum Beispiel um eine unternehmensinterne Auseinandersetzung. Im Streit um die Domain smartprivacy.com ging es allerdings um Markenrechte, die eigentlich vor ein ordentliches Gericht gehörten.

Aktuell liegt eine UDRP-Entscheidung vor, die nochmals unterstreicht, dass Markenrechtsauseinandersetzungen nicht sinnvoll über eine Domain und im UDRP-Verfahren ausgetragen werden sollten. Die britische Gazey and Partners LLP sieht ihre Rechte durch die Domain smartprivacy.com verletzt. Sie selbst ist Inhaberin der am 08. Juni 2016 registrierten EU-Marke »SMART PRIVACY« und der am 11. Oktober 2017 beantragten und am 09. Februar 2021 eingetragenen US-Marke »SMART PRIVACY«. Zudem ist sie seit 28. Februar 2017 Inhaberin der Domain smartprivacy.co.uk. Der US-amerikanische Gegner hingegen, One Trust, ein Anbieter von unter anderem Vernetzungs- und Datenschutzdienstleistungen, meldete am 02. März 2017 seine US-Marke »SMARTPRIVACY« an, die am 02. Oktober 2018 eingetragen wurde. Die Domain smartprivacy.com wurde 2001 erstmals registriert, der Gegner kaufte sie am 26. Juli 2016; zur Zeit leitet sie auf seine Domain privacyconnect.com weiter. Die beiden Parteien lassen sich ausführlich darüber aus, wer wann zuerst ein Recht an dem Begriff »smart privacy« erlangt hat und wer als erster seine Domain oder seine Marke geschäftlich genutzt hat. Die Beschwerdeführerin meint unter anderem, der Gegner habe ja ein Co-Headquarter in London und hätte allein deshalb ihre Marke nicht nicht kennen können. Der Gegner macht unter anderem geltend, er habe von Februar 2017 seine Dienstleistungen in den USA und in Europa erfolgreich angeboten, was sich auch aus der Markenregistrierung ergebe und was zeitlich vor der Nutzung der EU-Marke der Beschwerdeführerin liege. Wohingegen laut der US-Markeneintragung der Beschwerdeführerin diese ihre Marke gar nicht nutze. Sie beantragte, Reverse Domain Name Hijacking festzustellen. Als Entscheider wurde der bulgarische Rechtsanwalt Assen Alexiev eingesetzt.

Alexiev wies die Beschwerde zurück und hielt es für besser, dass die Parteien ihren Streit vor den ordentlichen Gerichten ausfechten (WIPO Case No. D2022-3138). Die verwirrungstiftende Identität von Domain und Marke stellte er zweifelsfrei fest. Bei der Frage nach dem Recht oder einem berechtigten Interesse des Gegners an der Domain scheiterte die Beschwerde aber: Der Gegner habe nachgewiesen, dass er unter der Domain gutgläubig Waren und Dienstleistungen unter der Marke »SMARTPRIVACY« seit 24. Februar 2017 anbietet. Hingegen habe die Beschwerdeführerin keinerlei Nachweise dafür erbracht, ihrerseits geschäftliche Tätigkeiten unter der Marke »SMART PRIVACY« vor dem 11. August 2018 aufgenommen zu haben. Die erst 2021 eingetragene US-Marke der Beschwerdeführerin weise auch jetzt noch kein Datum für ihre erste Nutzung auf. Laut Wayback-Machine (archive.org) finden sich auf ihrer Website unter der am 28. Februar 2017 registrierten Domain smartprivacy.co.uk keine Inhalte vor dem 11. August 2018. Die streitige Domain smartprivacy.com hatte der Gegner aber bereits am 26. Juli 2016 erworben und die US-Marke »SMARTPRIVACY« am 02. März 2017 beantragt. Das spreche alles dafür, dass es wahrscheinlicher ist, der Gegner hatte keine Kenntnisse von der Beschwerdeführerin und ihrer Marke vor dem 11. August 2018. Es spricht dafür, dass er die Domain unabhängig von der Beschwerdeführerin registrierte und nutzt, um seine eigenen Geschäfte zu führen. Es ergäben sich so auch keine Anhaltspunkte, wonach der Gegner die US-Marke lediglich registriert habe, um so im Rahmen eines UDRP-Verfahrens bestehen zu können. Demgemäß spreche auch nichts dafür, dass der Gegner die Domain bösgläubig registrierte und nutze. Damit habe die Beschwerdeführerin die Voraussetzung für das UDRP-Verfahren nicht erfüllt.

Kurz ging Alexiev noch darauf ein, ob hier von einem Reverse Domain Name Hijacking ausgegangen werden könne. Dies verneinte er allerdings. Die Beschwerdeführerin konnte zwei der Elemente des UDRP-Verfahrens nicht nachweisen, aber die Beziehung zwischen den Parteien beinhalte komplexe Tatsachen- und Rechtsfragen in Bezug auf konkurrierende und möglicherweise kollidierende Markenrechte (die besser vor Gericht geklärt werden). Es bestehe keine Grundlage für die Schlussfolgerung, die Beschwerdeführerin habe nicht in gutem Glauben meinen können, dass sie in diesem Verfahren Erfolg haben könnte. Damit wies Alexiev den Antrag des Gegners auf Reverse Domain Name Hijacking ab. Er bestätigte die Abweisung der Beschwerde und dass die Domain beim Gegner verbleibt.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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