Um Streitigkeiten im weltweiten Internet rasch und unkompliziert klären zu können, hat die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die Notwendigkeit eines Schlichtungsverfahrens für Domains erkannt. Zwar ist das Internet kein rechtsloser Raum, so dass Gesetze ohne weiteres auch darauf Anwendung finden. In der Praxis bestehen aber oftmals erhebliche Schwierigkeiten, den eigenen Anspruch überhaupt geltend zu machen und ihn durchzusetzen. Da der vermeintliche Rechtsverletzer seinen Sitz weltweit haben kann, ist ein Verfahren mit hohen Kosten verbunden. Denn mit einem spezialiserten Anwalt alleine kommt man dann in der Regel nicht aus. Zudem kann bereits die Zustellung einer Klage zum Problem werden. Aber auch dem Bedürfnis nach einer raschen Konfliktlösung muss Rechnung getragen werden. Einen möglichen Ausweg stellen daher sogenannte Schiedsverfahren dar. Derzeit führen weltweit vier Stellen ein solches Schiedsverfahren für Domainstreitigkeiten durch:
das National Arbitration Forum (NAF) in Minneanapolis, das CPR Institute for Dispute Resolution (CPR) in New York, das Disputes.org / eResolution Consortium (DeC) im kanadischen Montreal sowie das Genfer UN-Schiedsgericht der World Intellectual Property Organisation (WIPO).
Unter diesen vier Institutionen stellt das Verfahren bei der WIPO zweifellos das bekannteste dar. Im domain-recht.de-Newsletter wird häufig über seine Entscheidungen (WIPO) berichtet. Doch was muss man eigentlich beachten, wenn man sich selbst in einem Domain-Streit an dieses Gericht wenden will?
I. Zuständigkeit
Zunächst ist das Schiedsgericht nicht für alle Domain-Streitigkeiten zuständig: neben den generischen Top Level Domains (gTLDs) .com, .net und .org ist derzeit noch einigen Fällen von country code Top Level Domains (ccTLDs) eine Anrufung möglich. Dazu zählen: .ag, .as, .bs, .cy, .gt, .na, .nu, .tt, .tv, .ve, und .ws. Eine Entscheidung eines Streits um eine deutsche .de-Domain durch die WIPO ist somit ausgeschlossen. Eigentlich ist die WIPO auch kein Gericht im klassischen Sinn. Der Einfachheit halber soll es im folgenden jedoch als ein solches bezeichnet werden. Als Parteien stehen sich der Antragsteller (derjenige, der sich in seinen Rechten verletzt sieht) und der Antragsgegner (der zum Zeitpunkt der Antragstellung bekannte Inhaber der strittigen Domain) vor dem Schiedsgericht gegenüber.
II.Verfahrensablauf
Eingeleitet wird das Verfahren mit einem schriftlichen Antrag des Antragstellers. Dieser sollte detailliert die eigene Einschätzung der Rechtslage zum Ausdruck bringen und alle Daten und Fakten liefern, die für eine Entscheidung durch das Schiedsgericht herangezogen werden. Dazu zählt beispielsweise die Angabe eigener Markenrechte an der strittigen Domain. Anwaltszwang besteht nicht, aber ein Anwalt kann selbstverständlich hinzugezogen werden. Er kann im Vorfeld die rechtliche Lage einschätzen und in Kenntnis bereits ergangener Entscheidungen den eigenen Standpunkt argumentativ untermauern.
Die persönliche Anwesenheit ist grundsätzlich ausgeschlossen. Eine mündliche Anhörung findet nicht statt, das gesamte Verfahren wird schriftlich abgewickelt. Sowohl die Antragstellung als auch die Erwiderung sind online möglich, müssen jedoch in Schriftform nachgereicht werden.
> Antragstellung und -erwiderung
Nach Antragstellung bleiben dem Antragsgegner 20 Tage nach Übersendung der Antragschrift durch das Schiedsgericht Zeit, um sich selbst zu äußern. Eine Verlängerung der Frist ist grundsätzlich möglich. Unterbleibt eine Stellungnahme innerhalb dieser Frist, wird ähnlich dem deutschen Recht nach aktuellem Sachstand und Schlüssigkeit des Vorbringens entschieden. Ein Domain-Inhaber kann somit einer Verfolgung nicht dadurch entgehen, dass er seinen Aufenthaltsort ständig wechselt oder Schreiben des Antragstellers ignoriert.
Nun liegt es am Domain-Inhaber, seine Sicht dem Gericht darzulegen. Auch er kann sich selbstverständlich durch einen Anwalt beraten und vertreten lassen.
Die Entscheidung des Schiedsgerichts wird dann durch ein sogenanntes Panel getroffen, das je nach Art und Umfang des Streits aus 1 oder 3 Personen besteht. Da sich dieses aus internationalen, unabhängigen Marken- bzw. Urheberrechtsexperten zusammensetzt, garantiert dieses Verfahren eine Entscheidung aufgrund hoher Sachkenntnis.
Die Verfahrenssprache richtet sich nach der Nationalität der jeweiligen Registrierungsvereinbarung und ist daher überwiegend Englisch. Besteht ein Panel aus 3 deutschen Schiedsrichtern kann die Verfahrenssprache aber auch Deutsch sein.
III. Grundlagen der Entscheidung
Rechtsgrundlage für eine Entscheidung durch die WIPO wie auch der anderen Schiedsgerichte stellt die Uniform Domain Dispute Resolution Policy (UDRP) dar. Diese regelt das Rechtsverhältnis der betroffenen Parteien. Folgende drei Voraussetzungen sind dabei für ein Verfahren erforderlich:
1. die streitige Domain ist identisch oder zum Verwechseln ähnlich mit einem Markenrecht, das der Antragsteller innehat,
(Für die Verwechslungsgefahr ist allein die Second Level Domain maßgeblich, also nicht die Endung wie .com oder .tv. Die Verwendung von Bindestrichen stellt keinen unterscheidungskräftigen Zusatz dar.)
2. der bisherige Domaininhaber hat kein eigenes Recht oder legitimes Interesse an der fraglichen Domain
(hierzu hat das Schiedsverfahren einen nicht abschließenden Katalog entwickelt. Nicht dazu zählt beispielsweise die Nutzung der Domain ohne eigene Markenrechte, soweit eine ausreichende Bekanntheit vorliegt. Auch bei einer rein privaten Nutzung der Domain liegt keine Rechtsverletzung vor. Dagegen führen Tippfehler-Domains in der Regel sehr wohl zu einer Rechtsverletzung.)
3. und der Inhaber nutzt sie in sogenannten „bad faith“, was sich am besten als böse Absicht übersetzen läßt.
(sowohl bei Registrierung als auch bei Nutzung der strittigen Domain muss böse Absicht vorliegen. Ein klassischer Fall wäre dabei das Cybersquatting bzw. Domain-Grabbing. Auch hierzu besteht ein nicht abschließender Katalog mit beispielhaft genannten Fallgruppen. Zweifellos besteht bei dieser Voraussetzung Raum zur Auslegung, der es erlaubt, den Einzelfall sachgerecht zu beurteilen.)
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ergeht eine Entscheidung durch die WIPO zur Übertragung der Domain.
Zu beachten ist insbesondere, dass die WIPO in ihrer Rechtsprechung den Begriff der Marke nicht einheitlich auslegt. Grundsätzlich fallen zunächst alle Marken nach deutschem Recht darunter, die als solche im Markenregister eingetragen sind. Daneben belegen Entscheidungen wie juliaroberts.com, dass im Einzelfall auch Namen den Schutz der UDRP geniessen. Die WIPO spricht dabei davon, dass im Rahmen des anwendbaren Rechts das nationale Recht der jeweiligen Parteien zu berücksichtigen ist. Es genügt daher in Einzelfällen ein markenähnliches Recht, auch wenn es sich eigentlich „nur“ um ein Namensrecht handelt. Die Tendenz geht dahin, das Tatbestandsmerkmal der Marke sehr weit auszulegen. Insofern erscheint es aber widersprüchlich, wenn reine geographische Bezeichnungen bisher nicht als schutzfähig im Sinne der UDRP anerkannt wurden.
Festzuhalten ist also, dass bei der Auslegung dieser Kriterien die Rechtsprechung ordentlicher Gerichte berücksichtigt werden kann, sofern ein Bezug zu deren Rechtsprechung vorliegt.
Sollten sich die Parteien zuvor bereits im Rahmen eines Vergleichs geeinigt haben, wird von einer Entscheidung abgesehen.
IV. Dauer und Kosten
Angesichts hoher Verfahrenskosten scheut so mancher die Geltendmachung seiner Rechte vor einem nationalen Gericht. Hier zeigt sich einer der Vorteile des WIPO-Verfahrens: bei Streitigkeiten um 1-5 Domains sind im günstigsten Fall US$ 1500,- zu zahlen. Diese Summe erhöht sich schrittweise mit Anzahl und Schwierigkeit der zu klärenden Rechtslage. Einen Überblick erhalten Sie unter
Den Antragsgegner treffen grundsätzlich (auch im Fall des Unterliegens) keine Kosten, wenn man von den möglichen Kosten für einen eigenen Anwalt absieht. Ein weiterer großer Vorteil ist die Schnelligkeit des Verfahrens. Im Durchschnitt ist dabei von einer Dauer zwischen 45 und 50 Tagen bis zu einer Entscheidung auszugehen.
V. Die Entscheidung
Folgende 3 Entscheidungen kann die WIPO treffen:
– die streitige Domain muß an den Antragsteller übertragen werden
– die streitige Domain muß gelöscht werden
– der Antrag wird abgewiesen, der Antragsgegner behält die Domain
Dagegen kann die WIPO keinerlei Geldstrafen oder Schadensersatzverpflichtung aussprechen. Entscheidet die WIPO auf Übertragung oder Löschung der Domain, wird die zuständige Vergabestelle angewiesen, der Entscheidung Folge zu leisten.
Getreu dem rechtsstaatlichen Transparenzgebot werden die Entscheidungen abschließend von der WIPO veröffentlicht.
> Urteile zu gTLDs
> Urteile zu ccTLDs
VI. Weitere Möglichkeiten
Ist man mit der Entscheidung der WIPO nicht einverstanden, bleibt auch der weitere Rechtsweg nicht versperrt: nach Abschluß des Verfahrens bei der WIPO ist der Gang vor ein ordentliches Gericht ausdrücklich möglich. Der Antrag auf Übertragung oder Löschung der Domain ist dann zunächst aufgeschoben. Die Betroffenen können sich, bevor sie die WIPO anrufen, vor ein ordentliches Gericht gehen, womit sich allerdings die eingangs erwähnten Probleme stellen.
Ein Verfahren nach der UDRP stellt somit eine sinnvolle Alternative dar und kann im Hinblick auf eine mögliche Mediations- und Schiedsstelle in Deutschland wertvolle Hinweise leisten.
Bei weiteren Fragen finden Sie umfangreiche Hinweise im Online-Angebot der WIPO, abzurufen unter
> Domain Name Resolution Service
Eine schematische Darstellung des Verfahrens bietet folgendes Dokument:
> Flowchart im Word-Format