WIPO

Doxing ist ein Indiz für Bösgläubigkeit im Sinne der UDRP

Ein Automobilhändler aus Virginia (USA) musste sich mit einem unzufriedenen Kunden auseinandersetzen. Der hatte die Domain tedbritt.net registriert, die der Marke des Automobilhändlers entspricht, und unter ihr eine Seite veröffentlicht, die eine Kopie des Angebots des Händlers nebst einer Verunglimpfung desselben und seiner Familienangehörigen enthielt. Ein WIPO-Panel musste die Sache klären und erklärte Doxing zu einem Indiz für Bösgläubigkeit im Sinne der UDRP.

Die Ted Britt Ford Sales, Inc. mit Sitz in den USA handelt mit Automobilen und bietet damit einhergehende Dienstleistungen in Fairfax (Virginia) an. Das Unternehmen wurde 1959 gegründet und ist Inhaberin der Marke »TED BRITT«, die seit 1995 beim US-Markenamt eingetragen ist. Sie nutzt außerdem seit 1998 die Domain tedbritt.com und zahlreiche weitere Domains, die ihren Markennamen aufweisen. Sie sieht ihre Rechte durch die im August 2019 vom Gegner registrierte Domain tedbritt.net verletzt. Diese wies zeitweise eine Kopie eines Banners der Website der Beschwerdeführerin auf, das unter anderem deren Marke enthielt und die Logos der Marken, mit denen die Beschwerdeführerin Handel treibt. Weiter zeigte sie auch die Postanschrift eines der Autohäuser der Beschwerdeführerin. Ein Vermerk am Ende der Seite beanspruchte das Urheberrecht im Namen der Beschwerdeführerin, »Ted Britt Automotive Group«. Die Kopfzeile unterschied sich jedoch merklich von der der Beschwerdeführerin: Statt eines Siegels, das sich auf 60 Betriebsjahre des Unternehmens bezog, hieß es: »Betrug am Kunden seit über 60 Jahren«. Darüber hinaus wurden auf der Seite die Namen, Adressen, Telefonnummern und Social-Media-Daten von Mitgliedern und Angehörigen der Familie des unternehmergeführten Unternehmens angezeigt. Die Seite des Gegners spornte Besucher an, sich bei den »Britt family Scumbags« via eMail und Social-Media zu beschweren, soweit sie ebenfalls vom Unternehmen getäuscht oder betrogen wurden. Die Beschwerdeführerin startete ein UDRP-Verfahren vor der WIPO. Der Gegner, der für die Domain-Registrierung einen Privacy-Service nutzt, meldete sich nicht zu Wort. Als Panelist wurde der US-amerikanische Jurist W. Scott Blackmer berufen.

Blackmer bestätigte in kurzen Zügen die Beschwerde und gab dem Antrag auf Übertragung der Domain statt (WIPO Case No. D2020-0732). Dass die Domain tedbritt.net mit der Marke „TED BRITT“ identisch ist, stand außer Frage. Für Blackmer stellte sich, nachdem die Beschwerdeführerin als Markeninhaberin klar gemacht hatte, dass sie dem Gegner die Nutzung der Marke nicht erlaubt hat, die Frage, ob der Gegner die Domain für einen legalen, nichtkommerziellen oder lauteren Zweck nutzt. Er kam zu dem Schluss, dass das nicht der Fall sei. Zwar löse die Domain zur Zeit der Entscheidung nicht auf eine aktive Seite auf, und die vorangegangenen Inhalte seien bei archive.org nicht archiviert; doch habe die Beschwerdeführerin den Nachweis erbracht, dass die Domain auf eine Beschwerde-Website auflöste, deren Inhalte das Unternehmen und die Familie der Beschwerdeführerin verunglimpften. Es gäbe keine Hinweise auf eine kommerzielle Nutzung der Domain und der Gegner habe ein Recht, die Beschwerdeführerin zu kritisieren. Doch sein berechtigtes Interesse, die Marke im Domain-Namen zu verwenden, um auf die Beschwerdeführerin zu verweisen, erstrecke sich nicht darauf, sich als die Beschwerdeführerin auszugeben oder eine nicht bestehende Verbindung oder Beziehung vorzugaukeln. UDRP-Panels der WIPO vertreten grundsätzlich die Ansicht, Domains mit Markennamen enthielten ein hohes Risiko, eine Verbindung zum Markeninhaber anzunehmen, soweit es sich nicht um »Marken«-sucks-Domains handele. Diese Annahme würde durch kopierte Inhalte noch verstärkt. Hier aber, wo der Domain-Name mit der Marke identisch ist und die Inhalte der Website denen eines Banners nebst Urheberkennzeichnung der Beschwerdeführerin entsprachen, mache die Website den Eindruck, von der Beschwerdeführerin zu stammen. Zweck des Ganzen, so schien es Blackmer, sei die Irreführung von Internetnutzern, um diesen die verunglimpfenden Inhalte zur Kenntnis zu bringen. Der Gegner habe alles daran gesetzt, den falschen Eindruck der Zugehörigkeit zur Beschwerdeführerin zu verstärken. Es gäbe eine Grenze zwischen der Nutzung eines Markennamens und der Nachahmung eines Angebots, die der Gegner hier überschritten habe. Blackmer kam so zu dem Schluss, die Website des Gegners erfülle nicht die Standards für »fair use«, womit das zweite Element der UDRP gegeben war.

Schließlich wandte sich Blackmer der Frage der Bösgläubigkeit auf Seiten des Gegners zu, die er auf neuem Wege bestätigte. Die UDRP sehe in § 4 (b)(iv) eine nicht abschließende Liste von Fällen vor, bei denen von Bösgläubigkeit ausgegangen werden könne. Sie umfasse die Verwechslungsgefahr aufgrund von Herkunft, Sponsoring, Affiliation oder Endorsement, welche der Gegner tatsächlich erfülle, wobei diese aber zur geschäftlichen Gewinnerzielung erfolgen müssten, was hier für den Gegner eindeutig nicht der Fall sei. Doch diese Liste sei eben nicht abschließend. Die Beschwerdeführerin argumentiere, die Bösgläubigkeit zeige sich in der Verbindung mit der Sammlung von Daten auch von Familienmitgliedern, die nichts mit der Unternehmensführung der Beschwerdeführerin zu tun haben. Für Blackmer, der zuvor festgestellt hatte, dass der Gegner nicht durch ein berechtigtes Interesse aufgrund fairen Handelns geschützt sei, stellte sich dessen Handeln als bösgläubig im Sinne der UDRP dar. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten sei auch nicht ungewöhnlich für den Gegner, der bereits 2018 in einem gleichgearteten Sachverhalt im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Unterlassung verurteilt worden sei. Im Grunde läge hier ein Fall von Doxing vor, also der Sammlung und Veröffentlichung von personenbezogenen Daten. Dies sei ein gefährlicher Vorgang, gegen den Betroffene kaum etwas ausrichten könnten. Blackmer meinte deshalb, Doxing könne zur nicht abgeschlossenen Liste von Bösgläubigkeit hinzugefügt werden. Der Umstand, dass die Domain aktuell nicht auf eine aktive Seite weiterleite, ändere nichts an diesen Feststellungen. Damit sah Blackmer auch das 3. Element der UDRP erfüllt und entschied deshalb auf Übertragung der Domain tedbritt.net auf die Beschwerdeführerin.

Blackmer konnte in dieser konzisen Entscheidung einerseits deutlich machen, dass, so stark das Recht auf freie Meinungsäußerung gerade in den USA im Wege der Markennutzung in Domain-Marken und auf einer konnektierten Website auch ist, es eben doch Grenzen gibt, bei deren Überschreitung das Recht auf Meinungsäußerung endet, in diesem Fall eben bei der täuschenden Nachahmung in Verbindung mit dem Doxing. Andererseits zeigte er, dass die nicht abschließende Liste der Indizien für die Bösgläubigkeit problemlos erweitert werden kann – und dass Doxing ein durchaus vertretbares Indiz ist. Was man an dieser Entscheidung bemängeln kann, ist, dass Blackmer anlässlich der Prüfung der Bösgläubigkeit nicht differenziert auf Registrierung und Nutzung eingegangen ist, sondern einfach fand, dass das Handeln des Gegners der Bösgläubigkeit im Sinne der UDRP entspreche (»that these acts do represent bad faith within the meaning of the Policy«).

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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