Die Genfer WIPO (World Intellectual Property Organization) hat den Jahresbericht 2011 für Verfahren nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) veröffentlicht. Demnach erreichte die Zahl der UDRP-Streitigkeiten im vergangenen Jahr ein neues Allzeithoch.
Im Jahr 2011 strengten die Inhaber von Markenrechten insgesamt 2.764 Verfahren bei der WIPO an, und stritten dabei um 4.781 Domains, die aus ihrer Sicht rechtsmissbräuchlich registriert worden waren. Gegenüber dem Höchststand aus dem Jahr 2010 bedeutet dies nochmals einen Anstieg um 2,5 Prozent. Seit Start der UDRP im Jahr 1996 wurden so allein vor der WIPO, einem von insgesamt vier UDRP-Schiedsgerichten, in über 22.500 Verfahren Klage eingereicht. Die weit überwiegende Zahl der Antragsteller hatte im Jahr 2011 mit 929 Verfahren ihren Sitz in den USA, gefolgt von Frankreich (300), Großbritannien (244), Dänemark (204) sowie Deutschland (149). Ein anderes Bild zeigt sich auf Seiten der Antragsgegner; hier dominieren zwar ebenfalls die USA mit 786 Verfahren, auf Platz zwei liegt jedoch China (339) vor Großbritannien (178) und Australien (171). In Deutschland sitzen mit 35 Antragsgegnern verhältnismäßig wenig böse Buben. In 77 Prozent der Verfahren stritten die Parteien um .com-Domains, wobei Domains aus dem Einzelhandel mit 17,03 Prozent den Großteil ausmachten. In 88 Prozent der Fälle erkannte das Schiedsgericht auf Cybersquatting und gab so der Klage statt.
Allerdings relativieren sich diese Zahlen, wenn man bedenkt, dass die Zahl der weltweit registrierten Domain-Namen im Jahr 2011 absolut um zehn Prozent angestiegen ist. Tatsächlich ist die Zahl der UDRP-Verfahren im Vergleich zu den registrierten Domains daher stark gesunken. Folglich ist die Zahl der Cybersquatter inzwischen erheblich zurückgegangen. Im Hinblick darauf erscheinen die Bemühungen der Marken-Lobby, noch mehr Regelungen zum Schutz vor Kennzeichenrechtsverletzungen gerade im Rahmen des Programms zur Einführung neuer globaler Top Level Domains zu fordern, reine Interessenpolitik und durch die Fakten nicht gestützt.
Im WIPO-Report keine Erwähnung findet dagegen ein Trend, der aktuell unter Domainern für erhebliches Missfallen sorgt: immer öfter versuchen Dritte, im Wege des so genannten „reverse domain name hijacking“ an besonders begehrte Domains zu gelangen. Zu den Opfern zählt unter anderem der Domain-King Rick Schwartz, der sich derzeit vor der WIPO um die generische Domain saveme.com streiten muss. Nachdem es einem brasilianischen Unternehmen nicht gelungen war, sich mit Schwartz auf einen akzeptablen Kaufpreis zu einigen, erhob man Klage vor der WIPO, um so an die Domain zu gelangen. Voraussetzung für eine Übertragung wäre jedoch unter anderem, dass Schwartz die Domain bösgläubig registriert und nutzt; angesichts des Umstands, dass er die Domain bereits 1996 und damit zehn Jahre vor Gründung des brasilianischen Unternehmens registriert hat, ein zumindest auf den ersten Blick aussichtsloses Unterfangen. Jedoch ist das Panel mit drei brasilianischen Schiedsrichtern besetzt, so dass Schwartz um die Domain fürchtet und in die Offensive geht, indem er das UDRP-Verfahren in seinem Blog dokumentiert. Wann die WIPO entscheidet, ist bisher nicht bekannt.