Der US-amerikanische Politiker Ron Paul wollte gerne die beiden Domains ronpaul.com und ronpaul.org haben. Die .com-Domain war ihm zu teuer, die Schenkung der .org wies er zurück. Stattdessen wandte er sich an die WIPO – und scheiterte grandios.
Der ehemalige USA-Kongressabgeordnete und dreimalige Kandidat für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten Ron Paul sah seine vermeintlichen Markenrechte durch die Nutzung der Domains ronpaul.com und ronpaul.org durch Dritte verletzt. Seine Markenrechte stützte er auf sieben von ihm geschriebene politischen Bücher, von denen drei auf der Bestsellerliste der »The New York Times« gelistet waren. Sein aufgrund der hohen Verkaufszahlen weit verbreiteter Name als Autor sei damit eine Marke, meint er. Die beiden Domains haben eine lange Vorgeschichte: die im November 2000 registrierte ronpaul.com stand im Januar 2008 bei eBay zum Verkauf, wovon auch der Antragsteller wusste, aber kein Gebot abgab. Der Käufer leaste die Domain zunächst an die jetzige Inhaberin, die die Domain 2011 kaufte. Die Domain ronpaul.org ist bereits seit 1999 registriert. Der Inhaber dieser Domain hatte sie am 04. November 2012 an eine Person verkauft, die mit dem Inhaber der .com verbunden ist, jedoch waren die WHOIS-Angaben noch nicht aktualisiert, da die letzte Rate des Kaufpreises noch nicht bezahlt war, als Ron Paul die Anträge bei der WIPO stellte. Die .com-Domain nutzt die Inhaberin als Ron Paul-Fansite, auf der seine Kandidaturen unterstützt, seine politische Meinung verbreitet, kommentiert und diskutiert wird und Fanartikel verkauft werden. Der Traffic der .org-Domain wird seit Abschluss des Kaufvertrags im November 2012 auf die .com-Domain weitergeleitet. Im Vorfeld fragte der Antragsteller nach dem Preis der .com-Domain. Der genannte Betrag von US$ 848.000,– für alleine die Domain ohne den Inhalt schien dem Antragsteller zu hoch, wie auch ein späteres Angebot über US$ 250.000,–. Zugleich wurde dem Antragsteller alternativ und unabhängig von der .com-Domain im Januar 2013 angeboten, ihm die .org-Domain zu schenken, was dieser aber ablehnte. Stattdessen beantragte er die beiden WIPO-Verfahren.
Beide Verfahren kamen zu einem Panel bestehend aus Christopher S. Gibson (Vorsitzender), Jeffrey M. Samuels und Frederick M. Abbott, die jeweils die Anträge des Antragstellers zurückwiesen und im Fall von ronpaul.org ein Reverse Domain Hijacking feststellten (Fälle D2013-0278 vom 08. Mai 2013 und D2013-0371 vom 11. Mai 2013). Der Frage, ob Ron Paul aufgrund seiner Buchverkäufe Inhaber von Marken war, ließ das Panel beiseite. In beiden Fällen kam das Panel überein, dass die Domains von den jeweiligen Inhabern berechtigter Weise registriert und genutzt würden. Der Antragsteller vermochte nicht einen Anscheinsbeweis dafür zu geben, dass die Domain-Inhaber keine Rechte oder legitimen Interessen an den Domains hätten. Tatsächlich bringe die Nutzung der Domains als Fansites ein legitimes Interesse an der Domain mit sich. Dazu bedürfe es nicht der Einwilligung des »Stars«. Die Fansite entwickle eine starke Beziehung zum Antragsteller. Sie habe mehr Gewicht als Popstar-Fansites, weil neben dem kulturellen Element auch ein politisches und weltanschauliches hinzukommt. Damit werde der politische Diskurs in USA befördert, der zum Herzstück des Schutzes der freien Rede durch das »First Amendment« (der erste Zusatzartikel der US-Verfassung) gehört. Die Website ist ein öffentliches Angebot, welches die größtmögliche Unterstützung im Hinblick auf die US-Verfassung verdient. Der Status der Website, den die Betreiber der Website und die Diskutanten und Beiträger erarbeitet haben, steht weit über dem kommerziellen Wert des Domain-Namens. Der Vorwurf, die Domain würde auch kommerziell genutzt, greife nicht. Mit dem Verkauf der Fanartikeln werde Ron Paul selbst unterstützt, zudem habe sich seine Agentur bereits für die Unterstützung durch die Betreiber von ronpaul.com bedankt. Weiter weisen die Betreiber auf der Website überdeutlich darauf hin, dass es sich um eine Fansite und nicht ein offiziell von Ron Paul betriebenes Angebot handelt. Darüber hinaus verweist sie an geeigneter Stelle auf die offizielle Seite von Ron Paul. Unter diesen und weiteren Gesichtspunkten erkannte das Panel auch keine Bösgläubigkeit (bad faith) auf Seiten der Seitenbetreiber. Dass es hier vornehmlich ums Geld gehe, erweise sich gerade nicht. Die Inhaberin der .com-Domain habe den Antragsteller nicht kontaktiert, um die Domain an ihn zu verkaufen, vielmehr habe sich der Antragsteller im Januar 2011 an die Inhaberin gewandt und deren Angebot dann aber abgelehnt. Gleiches gilt für das im Januar 2013 auf Anfrage von Kompagnons des Antragstellers abgegebene Angebot. Darüber hinaus gibt es keine Anzeichen, dass die Inhaber jemals versucht haben, die .com-Domain zu verkaufen. Das Panel schließt daraus: die Fansite ist legal, der Antragsteller aber versucht mit dem Verfahren sich unfair einen Vorteil zu verschaffen. Im Streit um ronpaul.org bestätigte das Panel denn auch den Antrag des Verfahrensgegners: Aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller die .org als Geschenk angeboten bekam, sie ablehnte und stattdessen das WIPO-Verfahren anstrengte, geht das Panel davon aus, dass hier ein Fall von Reverse Domain Hijacking vorliegt.
Die Entscheidungen des Panels erscheinen korrekt und zwiespältig zugleich. Im Grunde hätte man schon mit dem Argument intervenieren können, der Antragsteller habe keine Markenrechte. Da mit der UDRP ausschließlich Marken geschützt werden, gab es keine Option für einen Anspruch aus Namensrechten. Dass das Abdrucken des Namens als Autor auf auflagenstarken Büchern markenrechtlich relevant ist, dürfte auch bei dem US-Konstrukt der »Service Mark« schwerlich herbeizureden sein. Aber immerhin wäre es eine Angriffsfläche für Kritik. Zugleich gewinnt man den Eindruck, dass die Panelisten dem texanischen US-Politiker gerne und vollmundig in seine Schranken weisen wollten. Und da bot es sich an, bei der Frage nach einem legalen Betrieb der Website auf die Verfassung und das Recht auf freie Rede zu verweisen.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.