UDRP

Streit um m31.capital: 3 Panelisten, 3 Meinungen, 1 Entscheidung

Hatten wir vergangene Woche noch eine UDRP-Entscheidung mit 3 Juristen und 2 Meinungen, steigern wir uns diese Woche auf 3 Juristen und 3 Meinungen: im Streit um die Domain m31.capital gingen die Meinungen der drei WIPO-Panelisten deutlich auseinander, die Mehrheit jedoch entschied auf Zurückweisung der Beschwerde einer chinesischen Unternehmung.

M31 Management Limited (China) ist eine im August 2016 gegründete Investmentfirma nach chinesischem Recht mit Sitz in Shanghai, den Cayman-Inseln und dem Vereinigten Königreich, die sich auf Beratung und Investmentdienstleistungen spezialisiert hat und ihre Dienste unter der am 29. März 2018 registrierten Domain m31capital.com seit dem 20. Januar 2019 anbietet. Sie ist Inhaberin zahlreicher Marken »M31« mit Registrierungen seit April 2018 in Hong Kong, seit Juli 2018 in Großbritannien, seit September 2018 in der EU, seit Juni 2019 in den USA und seit Oktober 2019 in China. In 2020 erhielt sie einen Preis als eine der 10 hoffnungsvollsten aufstrebenden Venture Capital-Einrichtungen 2020. Sie sieht ihre Rechte durch die am 20. September 2019 registrierte Domain m31.capital verletzt. Deren Inhaber ist Nathan Montone, betrieben wird sie von »M31 Capital Management LLC«, deren Mitgründer und CEO Montone ist. Über die Website, die optisch und stilistisch der der Beschwerdeführerin sehr ähnlich ist, werden Dienstleistungen im Kryptowährungs- und Blockchain-Bereich angeboten. Laut Montone betreue man zwei Krypto- und Blockchain-Technologie Investmentfonds: M31 Capital Partners LP und M31 Capital Bitcoin Access Fund, LP. Auf der Website findet man neben einem LogIn-Bereich eine stilisierte Weltkarte, die die vier Standorte New York, San Francisco, Shanghai und Seoul anzeigt. Montone trägt unter anderem vor, man sei seit September 2018 aktiv und allgemein bekannt, und wurde in verschiedenen Kryptowährungspublikationen erwähnt. Man nutze die Domain seit 2020, u.a. für den gesamten eMail-Verkehr. Der Name »M31« beruhe auf dem Zeichen »Messier 31«, welches für die Andromeda-Galaxie steht. Die Wahl fiel auf m31.capital, weil m31.com nicht mehr zu haben gewesen sei. Man sei jeweils auf unterschiedlichen Geschäftsfeldern an anderen Standorten aktiv als die Beschwerdeführerin.

Mit der Sache beschäftigte sich im Rahmen eines UDRP-Verfahrens ein WIPO-Gremium, bestehend aus drei Panelisten, der spanischen Rechtsanwältin Reyes Campello Estebaranz (Vorsitzende), dem US-amerikanischen Juristen Gary J. Nelson (Beisitzer) und der chinesischen Rechtsprofessorin Dr. Hong Xue (Beisitzerin). Das Dreier-Gremium kam zu keinem einheitlichen Ergebnis. Die Mehrheit entschied aus unterschiedlichen Gründen, dass die Beschwerde abgewiesen wird, eine Panelistin sah die Voraussetzungen der UDRP seitens der Beschwerdeführerin erfüllt (WIPO-Case No. D2021-2297). Zur Frage der Ähnlichkeit von Marke und Domain stellte das Gremium einheitlich fest, dass sie gegeben sei. Von da an trennten sich die Wege, und die eigentliche Entscheidung gibt alleine die Meinung der Gremiumsvorsitzenden Campello Estebaranz wieder. Für sie liegt die zentrale Frage des Verfahrens darin, ob der Gegner wirklich von sich aus auf den Begriff »M31 Capital« kam für sein Unternehmen und die entsprechende Domain, oder ob sein Vortrag lediglich kaschiert, dass er tatsächlich bei der Beschwerdeführerin abgekupfert hat, um an ihrer Reputation und ihrem Goodwill zu partizipieren. Im Rahmen einer „Panel Order“ hatte der Gegner eine eidesstattliche Versicherung unter anderem darüber abgegeben, dass er von der Beschwerdeführerin vor Zustellung der Beschwerde nichts wusste und die Domain ohne Kenntnis von dieser gewählt habe. Campello Estebaranz klärte die zentrale Frage in einer integrierten Prüfung der Elemente 2 (Recht oder berechtigtes Interesse) und 3 (Bösgläubigkeit). Nach Abwägung der Argumente der Parteien, Sichtung ihrer Belege, Überprüfung der zeitlichen Abläufe und Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten kommt Campello Estebaranz letztlich zu dem Ergebnis, dass all diese Informationen sowie fehlende Informationen über die Bekanntheit der Marke der Beschwerdeführerin ein zu komplexes Bild gäben, das über ein UDRP-Verfahren nicht aufgelöst werden könne. Das Dreier-Gremium wies die Beschwerde mit dieser Begründung zurück, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Doch so klar und im Namen aller drei Panelisten ergangen die Entscheidung sich darstellt, wichen die beiden anderen Beteiligten von dieser doch ab und stellten ihre eigene Einschätzung dar. So kam Gary J. Nelson in seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde abzuweisen sei, da aus seiner Sicht die Beschwerdeführerin ihre Behauptungen zu den Voraussetzungen der Elemente 2 und 3 des UDRP-Verfahrens nicht belegt habe. Sie habe keine Beweise vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass es sich bei der m31 Capital Management LLC, die die Domain m31.capital betreibt, nicht um ein ordentliches Unternehmen handelt. Im Hinblick darauf sei von einem Recht zur Nutzung von m31.capital auszugehen. Bösgläubigkeit seitens des Gegners schloss Nelson aus, da die Beschwerdeführerin auch hier keine überzeugenden Beweise vorlegte, weder was die Registrierung der Domain in Kenntnis um ihre Marke »M31« und ihrer Unternehmung erfolgte, noch dass der Gegner ihr Geschäft zerstöre. Ganz offensichtlich betreibe der Gegner ein ordentliches Geschäft und handele dabei nicht bösgläubig. Nelson bestätigte damit die Entscheidung der Vorsitzenden, aber aus anderen Gründen.

Schließlich äußerte Xue als Dritte im Bunde ihre Einschätzung, die auf eine Übertragung der Domain m31.capital auf die Beschwerdeführerin hinausläuft. Bei der Frage eines Rechts oder berechtigten Interesses war für sie ausschlaggebend, dass der Gegner u.a. entgegen seines eigenen Vortrags tatsächlich das Geschäft seiner Unternehmung auch in China aktiv sei. Das ergäbe sich aus der Weltkarte auf der Website und dem Vorhandensein der Website auch in chinesischer Sprache. Xue ging auch davon aus, dass dem Gegner die Beschwerdeführerin bekannt war, da diese bereits 2016 ihre Marke »M31« in ihrem Geschäftsfeld genutzt habe und 2020 in China einen Preis für ihre Tätigkeit erhalten habe, was belege, dass ihre Marke schon bekannt war, bevor der Gegner die Domain m31.capital registrierte. Dass der Gegner sein Geschäft auch für den chinesischen Markt bereitstellt, ohne zuvor den Markt in China sondiert zu haben, sei gänzlich abwegig. Nach Xues Einschätzung bietet der Gegner Investmentdienstleistungen über seine Website unter der Domain m31.capital an, in Kenntnis, dass die Marke »M31« bereits vorher existierte. Der Gegner habe nicht belegt, dass er ein ordentliches Angebot von Waren und Dienstleistungen anbietet und damit nicht den von der Beschwerdeführerin begründeten Anscheinsbeweis widerlegt. Schließlich ist Xue auch der Ansicht, der Gegner handle bei Registrierung und Nutzung der Domain m31.capital bösgläubig, da die Registrierung einer Domain unter einer der neuen Endungen nicht die erste Wahl sei. Wenn, komme eine .com-Domain in Betracht. Bei einer entsprechenden Recherche müsse er auf die Domain der Beschwerdeführerin gestoßen sein. In der Folge kann er die Domain nur bösgläubig registriert haben und nutze sie jetzt bösgläubig. Demzufolge wären die drei Elemente der UDRP seitens der Beschwerdeführerin erfüllt und eine Entscheidung auf Transfer der streitigen Domain m31.capital auf sie das Ergebnis.

Es zeigt sich: in UDRP-Verfahren kommt es immer auch auf den oder die Entscheider an. Wenn in einem Verfahren drei Juristen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, spricht das von der Freiheit ihrer Entscheidungsmöglichkeiten. Zugleich ist das Ausdruck der Elastizität der UDRP. Als Partei eines UDRP-Verfahren kann man aber mit ordentlichen vorgetragenen guten Argumenten und Belegen die Prüfung der Panelisten in die »richtige« Richtung lenken.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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